EDITORIAL: Reform vor dem Aus?

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juli/2016, Seite 375

Liebe Leserinnen und Leser,

obwohl sich Politik und Verwaltung im letzten Jahr zum Zweck der ungestörten Steigerung der Produktivität zu geheimen Beratungen verabredet hatten, wartet der Berufsstand seit Monaten vergeblich auf einen ministeriell abgesegneten Entwurf zur Reform des Fahrlehrerrechts. Das BMVI hatte versprochen, den Entwurf im Januar 2016 zum Verkehrsgerichtstag in Goslar vorzulegen, damit dort darüber diskutiert werden könne. Dann hieß es, er käme im Mai. Und schließlich hatte das zuständige Referat LA 21 – vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesverkehrsministers – alle irgendwie beteiligten Verbände und Institutionen für den 20. Juni 2016 zu einem runden Tisch für ein Gespräch zur Feinabstimmung eingeladen. Doch das Round-Table-Gespräch wurde am  1. Juni 2016 überraschend per E-Mail abgesagt. Begründung: Minister Dobrindt habe noch nicht zugestimmt.

Über die Zurückhaltung des Ministers kann man nur spekulieren. Kolportiert wird, Abgeordnete unterschiedlicher Parteien hätten sich gegen den Entwurf gewandt. Ihnen gefällt anscheinend nicht, dass der Verbraucherschutz ins Hintertreffen gerät, weil einige sinnvolle und bewährte Regelungen mit einem Federstrich aus dem Gesetz verschwinden sollen. Dies gilt für die ersatzlose Streichung der täglichen Arbeitszeitobergrenze für Fahrschulinhaber wie auch des Preisaushangs und des Tagesnachweises.

Weiter werden durch Wegfall der Zweigstellenbeschränkung und durch nahezu unbegrenzte Kooperationsmöglichkeiten kleinere Fahrschulen gegenüber Großbetrieben massiv benachteiligt. Deshalb sei eine Reihe von Parlamentariern der Meinung, zum Schutz der mittelständischen Kleinbetriebe sei es besser, diese Reform in Gänze scheitern zu lassen.
Ob sie die Kurve wohl noch kriegen? Oder leistet sich die Bundesregierung eine legislative Blamage? Es wäre ja nicht das erste Mal, in Koalitionsverträgen groß angekündigte Gesetzesinitiativen einfach ad acta zu legen. Vielleicht liegen die Gründe des jetzigen Stillstands aber auch nur darin begründet, dass man in den oberen Amtsstuben nicht willens ist, sich in den beruflichen Alltag des Fahrschulwesens hineinzudenken und überzogene Veränderungswünsche und Partikularinteressen als solche zu erkennen.

Herzliche Grüße

Ihr

Jochen Klima