KOLUMNE: Gebhard L. Heiler - Die Non-Quote der Fahrlehrerinnen

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© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Mai/2016, Seite 294

Im „Männerberuf“ Fahrlehrer waren die Hürden für Frauen schon immer hoch. Die emanzipatorischen Bestrebungen der letzten 50 Jahre zeigten hier nur geringe Wirkung: Während Fahrlehrerinnen es bundesweit gerade mal auf knappe 12 Prozent bringen, liegt bei Schullehrern der weibliche Anteil bei weit über 50 Prozent. Was hält Frauen davon ab, diesen Beruf zu ergreifen? Hier der Versuch einer Antwort:

  1. Der Fahrlehrerberuf wird, was aus dessen Anfängen heraus verständlich sein mag, den technischen statt den pädagogischen Berufen zugerechnet. Obwohl diese einseitige Zuordnung falsch ist, hat sich daran in der breiten Volksmeinung bis heute nicht viel geändert. Die Drei-K-Philosophie (Kinder, Küche, Kirche), die im letzten Jahrhundert für lange Zeit die soziale Rolle der Frau bestimmte, tat ein Übriges: Technische Berufe sind nichts für Frauen. – Und dieses Vorurteil hält sich beharrlich.
  2. Ab der Mitte der 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts sorgte die Bundeswehr während vier Jahrzehnten für eine Fahrlehrerschwemme, die Frauen entmutigte. Selbst Töchter von Fahrlehrern, die gern Fahrlehrerinnen geworden wären, schreckte das Überangebot ab, in den Beruf einzusteigen.
  3. Ein nicht unwesentliches Hindernis ist der Besitz der Fahrerlaubnisse der Klassen A und CE, den Bewerber/innen um die Fahrlehrerlaubnis der Klasse BE nachweisen müssen. (Würde es an dieser Stelle zu einem empörten Aufschrei etablierter Fahrlehrerinnen kommen, sollte das mehr als Stolz auf die eigene Leistung und weniger als Gegenargument verstanden werden.)

Es gibt viele Fahrlehrer, ich betone viele, die sehr erfolgreich Pkw-Fahrschüler ausbilden, aber sich nur wenig bis gar nicht für Motorräder, Lkw und Omnibusse begeistern. Das Balancefahrzeug Motorrad ist nun einmal nicht jedermanns Sache, und auch für Schwerfahrzeuge braucht es ein besonderes Gen – selbst wenn man ein Mann ist. Nichtsdestotrotz müssen Bewerber/innen um die Fahrlehrerlaubnis der Klasse BE (früher Klasse 3) seit 1957 die Fahrerlaubnisse der Klassen A und CE (früher 1 und 2) besitzen, auch wenn sie nur den Fahrlehrerschein für Klasse BE erwerben wollen.

Durch eine Reihe von Gesprächen mit am Fahrlehrerberuf interessierten Menschen war mir im Lauf der Jahre klar geworden: Das gesetzliche Muss des Motorrad- und Lkw-Führerscheins hält viele geeignete Interessenten davon ab, dem Beruf näherzutreten. Unter anderem deshalb schrieb ich 1989 der Moderatorin des ZDF-Frauenmagazins Mona Lisa, sie möge in ihrem Magazin einmal die unnötigen Hürden thematisieren, die sich besonders auch Frauen bei der Ergreifung des Fahrlehrerberufs in den Weg stellten. Frau von Welser antwortete höflich, aber ausweichend. Offenbar versprach meine Anregung zu wenig Quote.

Rund 80 Prozent aller Fahrschüler wollen („nur“) den Pkw-Führerschein erwerben. Ob ihr Fahrlehrer auch das Motorrad- und Lkw-Fahren beherrscht, ist den Schülern völlig wurscht. Sie wollen lernen, wie man sicher Pkw fährt und gut durch die Prüfung kommt. Ist es da nicht geradezu lachhaft anzunehmen, das schafften nur Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer, die einen seit  5, 10, 20 oder 30 Jahren „eingemotteten“ Motorrad- und Lkw-Führerschein besitzen?

Die Empfehlung des diesjährigen Verkehrsgerichtstages, künftig „nur noch die Fahrerlaubnisklassen A1 und C oder A1 und D“ zu verlangen, entspricht dem Denken der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Damals sollte durch die Bestimmung über den Besitz der Führerscheine (heute § 2 Abs. 1 Nr. 4 Fahrlehrergesetz) der Zugang zum Fahrlehrerberuf gebremst werden. Die Begründung war fadenscheinig: Ein Fahrlehrer, der nie gelernt habe, ein Motorrad und einen Lastwagen zu fahren, gefährde die Verkehrssicherheit. Denn auch der Pkw-Fahrlehrer müsse sich in die Situation eines Motorrad- oder Lkw-Fahrers hineinversetzen können, um dessen Verhalten richtig einschätzen zu können.

Einmal angenommen, der Besitz dieser Führerscheine hätte tatsächlich einen so entscheidenden Einfluss auf die Lehrkompetenz des Fahrlehrers, wäre es dann angesichts der dynamischen Entwicklung des Straßenverkehrs nicht Aufgabe des Gesetzgebers gewesen, den Fahrlehrer zu wiederholtem Üben auf diesen Fahrzeugen zu verpflichten? Zum Beispiel fünf Lkw-Stunden und fünf Motorradstunden pro Kalenderjahr? Wer 1980 oder 1990 den Lkw-Führerschein erworben hat und 2016 einen neuen Mercedes Actros SLT oder einen MAN TGX fahren will, ist doch schon beim Einstieg ins Cockpit heillos verloren. Ähnlich verhält es sich bei Motorrädern. Das zeigt doch den ganzen Widersinn dieser Bestimmung, die wenig Nützliches bewirkt, aber tausendfach zu teuren überflüssigen Führerscheinen geführt hat.

Die Traditionalisten des Berufsstandes, die zweifellos auch vieles richtig sehen, sollten das Festhalten an der unnützen Bestimmung des § 2 Absatz 1 Nr. 4 Fahrlehrergesetz aufgeben. Eine gründliche, gut nachgewiesene Fahrpraxis als Pkw-Fahrer ist für die spätere Lehrtätigkeit neuer Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer viel wertvoller als zwei Führerscheine auf Halde.

Was 1957 (fälschlich!) als Fortschritt gelobt wurde, ist inzwischen zu einem schweren personalwirtschaftlichen Hemmnis für den Fahrlehrerberuf geworden. Diese Barriere muss zugunsten einer größeren Auswahl an Bewerbern und einer erheblich verbesserten pädagogischen Ausbildung der Fahrlehreranwärter dringend weggeräumt werden.