Wettbewerbsrecht: Werbung mit Intensivkursen

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Mai/2016, Seite 296

Heutzutage ist es der Wunsch vieler Fahrschüler, kompakten Theorieunterricht zu besuchen. Deshalb sehen sich Fahrschulen veranlasst, mit sogenannten Schnellkursen zu werben. Dabei werden aber oft die präzisen Vorschriften der Fahrschüler-Ausbildungsordnung außer Acht gelassen.

In letzter Zeit sind Fahrschulen vermehrt wegen unzulässiger Werbung für sogenannte Ferienkurse aufgefallen. Es ist ein Satzungsauftrag des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V., „aktiv für die Wahrung des lauteren Wettbewerbs im Fahrschulwesen einzutreten”.

Das gibt dem Berufsverband nicht nur das Recht, gegen Wettbewerbsverstöße vorzugehen, sondern verpflichtet ihn zu einem Beratungsangebot, das zur Vermeidung von Wettbewerbsverstößen beiträgt. Deshalb sollen hier mit Fallbeispielen die spezifischen Regeln der Werbung für Intensivkurse dargestellt werden.

Dieses Inserat ist zu beanstanden, weil höchstens 180 Minuten Theorieunterricht pro Tag und Schüler zulässig sind.

Anlage 2.8 zu § 4 FahrschAusbO enthält die vorgeschriebene Anzahl 90-minütiger Theorieunterrichte für jede Ausbildungsklasse. Außerdem schreibt die Verordnung vor, dass der theoretische Unterricht pro Tag 2 Doppelstunden nicht überschreiten soll. Der theoretische Unterricht für Klasse B setzt sich bei Erstausbildungen aus 12 Doppelstunden Grundstoff und 2 Doppelstunden klassenspezifischem Zusatzstoff zusammen. Somit muss die Ausbildung mindestens 7 (Werk-)Tage umfassen. Die links abgebildete Anzeige verstößt deshalb nicht nur gegen die Fahrschüler-Ausbildungsordnung, sondern ist darüber hinaus irreführend im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 5 UWG).

„Soll” heißt „Muss”  § 4 FahrschAusbO ist eine Sollvorschrift und lässt insoweit Interpretationen zu, ob und wann eine Ausbildung von mehr als 2 Doppelstunden am Tag möglich ist. Nach der Gesetzessystematik einer solchen Vorschrift heißt „soll”, dass die Vorgaben in der Regel eingehalten werden müssen und nur in begründeten Ausnahmefällen davon abgewichen werden darf. Eine zulässige Ausnahme für mehr als 2 Doppelstunden am Tag wäre z. B. die Erkrankung eines Fahrlehrers, sofern infolge dieser die Kursziele nicht erreicht werden könnten. Eine von vornherein verkürzte und in der Werbung angepriesene Ausbildungszeit ist jedenfalls unzulässig.

Auch dieses Inserat ist zu beanstanden. Die Ausbildung der Klasse B erfordert mindestens 7 Werktage. Deshalb ist das Versprechen, die Ausbildung binnen einer Woche abzuschließen, unzulässig, denn es stehen in einer Woche nur 6 Werktage zur Verfügung. Zu beachten ist dabei, dass an Sonn- und Feiertagen weder theoretischer noch praktischer Unterricht durchgeführt werden darf. In Baden-Württemberg, wie auch in den meisten anderen Bundesländern, regelt das ein spezielles Sonn- und Feiertagsgesetz (§ 6 FTG). Wer dennoch an Sonn- und Feiertagen theoretischen Unterricht abhält, verstößt gegen eine Marktverhaltensregel im Sinne von § 3a UWG und kann deswegen auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Crashkurs für welche Ausbildungsklasse? Wird für eine Kompaktausbildung geworben, so muss, um eine Irreführung bestimmter Interessenten zu vermeiden, immer die Ausbildungsklasse angegeben werden, auf die sich der Kompaktkurs bezieht. Nach § 4 Absatz 3 Fahrsch- AusbO benötigen beispielsweise Bewerber für die Klasse A1 ohne Vorbesitz einer Führerscheinklasse für die erforderlichen 16 Theorieeinheiten insgesamt 8, nicht 7 Werktage.

Wann endet dieser Ferienkurs? Wird für einen Theorie-Ferienkurs geworben, so ist das damit beim Verbraucher erweckte Versprechen, alle vorgeschriebenen Theorieeinheiten könnten innerhalb der Ferien absolviert werden, einzuhalten. Da Dienstag, 01.11.2016, ein Feiertag (Allerheilgen) ist, stehen in Baden-Württemberg während der diesjährigen Herbstferien, auch wenn man Samstag, den 29.10.2016, als Werktag zählt, allenfalls 6 Werktage für den Theorieunterricht zu Verfügung. Die Theorieausbildung in der Klasse B muss aber bekanntlich 7 Werktage umfassen. Ein Ferienkurs muss immer auch innerhalb der Ferien abgeschlossen werden können, andernfalls darf er nicht als Ferienkurs beworben werden.

Grundkurs? Was ist das? Bei der Werbung für einen Intensivkurs als „Grundkurs“ wird beim Kunden der Eindruck erweckt, alle vorgeschriebenen Unterrichtseinheiten seien enthalten. Der durchschnittliche Verbraucher kennt nicht den Unterschied zwischen Grundstoff und Zusatzstoff (Anlage 2.8 FahrschAusbO). Die Verwendung des Begriffes „Intensivkurs“ ist, wenn nicht tatsächlich der gesamte vorgeschriebene Unterrichtsstoff einer bestimmten Fahrerlaubnisklasse angeboten wird, aus oben genannten Gründen als unzulässig anzusehen. Im Übrigen muss aus der Ankündigung eines Theoriekurses, in dem nur der „Grundstoff“ angeboten wird, immer eindeutig hervorgehen, dass neben den angebotenen Unterrichtseinheiten noch weiterer Unterricht besucht werden muss. Andernfalls ist die Werbung irreführend im Sinne von § 5 UWG und kann wettbewerbsrechtlich abgemahnt werden.

Beratung für Mitglieder

Eine besondere Serviceleistung des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V. ist die Beratung seiner Mitglieder vor Veröffentlichung einer geplanten Werbemaßnahme. Da die Bestimmungen des Wettbewerbsrechts sehr umfangreich und komplex sind, ist dringend zu empfehlen, das Angebot zu nutzen. Ist eine wettbewerbswidrige Werbung erst einmal veröffentlicht und ein Mitbewerber leitet dagegen rechtliche Schritte ein, so ist dies meist mit enormem Ärger und mit empfindlichen Kosten verbunden. Ralf Nicolai