EDITORIAL: Fahrlehrerberuf ohne Zukunft?

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe November/2016, Seite 585

Liebe Leserinnen und Leser,

immer wieder einmal werde ich gefragt, ob man jungen Menschen heute noch guten Gewissens empfehlen kann, Fahrlehrer zu werden. Dahinter steht die Sorge, die dynamische Entwicklung des autonomen Fahrens werde den Fahrlehrerberuf über kurz oder lang überflüssig machen.

Klar ist, unser Beruf steht vor einschneidenden Veränderungen. Während der letzten 100 Jahre hat sich der Beruf organisch entwickelt: vom fahrzeugtechnischen Instruktor zum Gefahrenbewusstsein und Sozialkompetenz vermittelnden Verkehrslehrer. Doch das, was in der nächsten Dekade auf uns zukommen wird, ist anders. Das heißt nicht, in absehbarer Zeit würden Autos ausnahmslos autonom fahren. Da wird nicht der eine Schalter umgelegt, der schlagartig alles verändert. Es geht evolutionär weiter, aber in einem viel höheren Tempo.

Auf Straßen mit baulich getrennten Fahrbahnen wird das hochautomatisierte Fahren rasch vorankommen. Aber von dort bis zum hochautomatisierten oder autonomen Fahren in den Ballungsräumen wird noch geraume Zeit ins Land gehen. Im Übrigen darf man mit einiger Sicherheit annehmen, dass auch für das Befahren öffentlicher Straßen mit hochautomatisierten oder autonomen Kraftfahrzeugen eine Fahrerlaubnis erforderlich sein wird. Die Ausbildung dieser „Fahrzeugführer“ wird anders sein, aber sie wird nicht gänzlich entfallen.

Die Digitalisierung des Autos ist schon weit gediehen. Die Ausbildung der Fahrlehreranwärter muss hier dringend vorausschauenden Anschluss finden. Gelingt das, wird sich der Übergang in die Ära des autonomen Fahrens und der optionalen Mobilität für Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer eher lichtvoll als düster gestalten. Dabei denke ich vor allem auch an das motorisierte Zweirad, das immer mehr zum Stadtfahrzeug wird und in der Warteschlange für autonomes Fahren – wenn überhaupt – ganz hinten steht.

Die neue Technik kommt, doch die alte lebt noch lange weiter. Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer müssen beides zu lehren wissen. Es bleibt spannend. Vor allem für intelligente, empathische und technikaffine junge Menschen.

In diesem Sinne grüße ich Sie sehr herzlich
Ihr

Jochen Klima