Reform des Fahrlehrerrechts: Zu den wesentlichen Inhalten der ersten Entwürfe

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Oktober/2016, Seite 536

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Am 19. August 2016 gab das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) erste Entwürfe zur Reform des Fahrlehrergesetzes und den darauf fußenden Verordnungen bekannt. Die Stellungnahmen der Verbände sollten laut BMVI binnen 15 Werktagen vorgelegt werden. Inkrafttreten sollen die neuen Rechtsetzungen am
1. Januar 2018. Im Folgenden informieren wir über die wesentlichen Inhalte.

Eingangsvoraussetzungen 

Das Mindestalter für Fahrlehrer soll auf 21 Jahre gesenkt werden. Auf der diesjährigen Mitgliederversammlung der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V. am 1. Juli 2016 in Saarbrücken kündigte die im BMVI zuständige Referatsleiterin an, Fahrlehreranwärter würden künftig einen mittleren Bildungsabschluss nachweisen müssen. Mehr als überraschend ist es deshalb, dass das Ministerium im aktuellen Entwurf an „abgeschlossene Hauptschulbildung“ als ausreichende Vorbildung für den pädagogisch geprägten Beruf des Fahrlehrers festhält; unverändert beibehalten wird auch der Nachweis einer abgeschlossenen Berufsausbildung in einem anerkannten Lehrberuf.

Führerscheine und Fahrpraxis 

Hier sollen die Anforderungen deutlich gemindert werden. Für Fahrlehreranwärter, die lediglich die Fahrlehrerlaubnis der Klasse BE erwerben wollen, soll der Besitz der Fahrerlaubnis Klasse BE genügen. Der bisher obligatorische Besitz der Klassen A2 und CE soll entfallen. Damit hofft man, den Fahrlehrermangel mindern und mehr Frauen in den Beruf bringen zu können. Im Übrigen soll der mindestens dreijährige Besitz der Fahrerlaubnis der Klasse BE ausreichend sein. Ein Nachweis über Fahrpraxis wird im Entwurf nicht gefordert; das soll gleichermaßen für Fahrlehreranwärter der Klassen A, CE und DE gelten. Für sie sollen jeweils zwei Jahre Besitz der Klassen A2, CE und D ausreichen.

Fristablauf 

Ein erfreulicher Beitrag zum Bürokratieabbau: Das Versäumnis der Verlängerung der Fahrerlaubnisse der Klassen CE oder DE soll in Zukunft nur noch zum Ruhen, aber nicht mehr zum Erlöschen der entsprechenden Fahrlehrerlaubnis führen. Somit müsste nach der Verlängerung des Führerscheins nicht mehr eigens eine Neuerteilung der jeweiligen Fahrlehrerlaubnis beantragt werden.

Regelmäßige Eignungsnachweise – ab 2023 auch für „Altfahrlehrer“ 

Fahrlehreranwärter, die keinen Lkw-Führerschein besitzen, sollen ihre gesundheitliche Eignung nachweisen müssen. Dem Antrag auf Erteilung der Fahrlehrerlaubnis sollen dieselben ärztlichen Zeugnisse (Hausarzt, Augenarzt) wie für den Erwerb der Klassen C/CE beigefügt werden. Neu ist, dass diese Eignungsnachweise alle fünf Jahre wieder erbracht werden sollen. Für Inhaber einer vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts erteilten Fahrlehrerlaubnis („Altfahrlehrer“) soll es eine „Schonfrist“ geben. Sie sollen ihre Eignung erstmals bis spätestens 31.12.2023 nachweisen müssen. Für nicht fristgerechte Vorlage sieht der Entwurf das Ruhen der Fahrlehrerlaubnis vor. Bis dato ist in Baden-Württemberg und auch in einigen anderen Bundesländern per Erlass geregelt, dass der Wegfall der Fahrerlaubnis der Klasse CE – z.B. aufgrund nachlassender Sehkraft – keine Auswirkungen auf den Bestand der Fahrlehrerlaubnisse der Klassen A oder BE nach sich zieht. Somit würde es sich bei der Neuregelung um eine nicht zu rechtfertigende Belastung und in der Folge um unnötigen bürokratischen Aufwand handeln. Die Erlaubnisbehörden müssten ab 2018 regelmäßig bei sämtlichen Fahrlehrern die fristgerechte Vorlage der Eignungsnachweise überwachen.

Punkte in Flensburg 

Die seit 2014 geltende Regelung für FES-Seminarleiter soll nun auch Eingang ins Fahrlehrergesetz finden. Danach müssten Fahrlehreranwärter der Behörde bei Beantragung der Fahrlehrerlaubnis und nach Erteilung derselben alle fünf Jahre einen aktuellen Auszug aus dem Fahreignungsregister vorlegen; das gelte auch für „Altfahrlehrer“, jedoch mit Übergangsfrist bis zum 31.12.2023. Ein Anstieg des Punktekontos auf mehr als zwei Punkte kann den Widerruf der Fahrlehrerlaubnis und damit ein – zumindest temporäres – Berufsverbot nach sich ziehen. Der Entwurf lässt offen, ob nach Minderung des Punktestandes auf zwei oder weniger die Fahrlehrerlaubnis automatisch wieder auflebt oder neu beantragt werden muss.

Vorpraktikum und fahrpraktische Prüfung 

Die gesamte Ausbildung der Fahrlehreranwärter soll geringfügig verlängert werden. Neu auch: Der Ausbildung soll ein vierwöchiges Orientierungspraktikum – zwei Wochen in einer Ausbildungsfahrschule und zwei Wochen in einer Fahrlehrerausbildungsstätte – vorgeschaltet werden. Diese Zeit soll auch zur Vorbereitung auf die fahrpraktische Prüfung und Ablegung derselben genutzt werden. Allerdings lassen die Entwürfe die Inhalte dieses Praktikums offen. Ebenso die Frage, ob die dafür benötigte Zeit in der zwölfmonatigen Ausbildungsdauer enthalten sein soll oder hinzuzurechnen wäre. Auch bleibt unklar, bis zu welchem Zeitpunkt die fahrpraktische Prüfung bestanden worden sein muss.

Fahrlehrerausbildungsstätte, Ausbildungsfahrschule, Berichtsheft 

Die Zeit in der Fahrlehrerausbildungsstätte soll künftig etwa acht Monate betragen und wie bisher mit der mündlichen und schriftlichen Fachkundeprüfung enden. Die Ausbildungspläne sollen gestrafft und modernisiert werden – Stichworte: „mehr Pädagogik, weniger Technik und Recht“. Doch ist nicht ganz klar, ob die vorgesehenen Reflexionswochen, welche die mindestens viermonatige Zeit in der Ausbildungsfahrschule unterbrechen, mit eingerechnet sind. Die Ausbildung in der Ausbildungsfahrschule soll künftig – wie im Ländle bereits Usus – nicht zwingend schon nach viereinhalb Monaten enden. Der Fahrlehreranwärter soll nun die zweijährige Gültigkeitsdauer seiner befristeten Fahrlehrerlaubnis – neuer Name: „Anwärterschein“ – bis zum Bestehen der Lehrproben voll ausnutzen dürfen. Ein Wermutstropfen für engagierte Ausbildungsfahrlehrer ist die vorgesehene Streichung des obligatorischen Berichtsheftes. Grund hierfür dürfte das wohl reichhaltige Angebot fertig ausgefüllter Berichtshefte auf Plattformen wie „ebay“ gewesen sein.

Neuregelungen für Ausbildungsfahrlehrer 

Der Lehrgang zum Erwerb der Berechtigung, als Ausbildungsfahrlehrer tätig zu werden, soll um zwei Tage auf fünf Tage verlängert werden. Allerdings will das BMVI nicht dem Wunsch des Berufsstandes folgen, den Lehrgang mit einer obligatorischen Prüfung abzuschließen. Neu ist die Einführung einer Fortbildungspflicht für Ausbildungsfahrlehrer (alle 4 Jahre 1 Tag). Einem Wunsch des Berufsstandes entspricht es, künftig die Tätigkeit als Ausbildungsfahrlehrer im Angestelltenverhältnis auf die dreijährige Wartefrist zur Gründung einer Ausbildungsfahrschule anzurechnen.

Fortbildung 

In der allgemeinen Fortbildung soll für Fahrlehrer alles beim Alten bleiben, also innerhalb von vier Jahren drei zusammenhängende oder vier einzelne Fortbildungstage. Für Seminarleiter soll ein Tag pro Berechtigung und Jahr hinzukommen; für Ausbildungsfahrlehrer, wie bereits erwähnt, alle vier Jahre ein Tag. Neu ist, dass der Gesetzgeber bei Teilnahme an der Pflichtfortbildung für Seminarleiter- oder Ausbildungsfahrlehrer einen Rabatt auf die dreitägige Regelfortbildung gewähren will. Allerdings erschließt sich wegen unklarer Formulierungen des Entwurfs nicht deutlich, wie dies konkret gehandhabt werden soll. Die wichtigste Änderung bei der Fortbildung betrifft jedoch die Fristberechnung. Wie schon seit 2014 bei der Seminarleiterfortbildung ist auch bei der Regelfortbildung keine einfache und unkomplizierte Fristberechnung auf der Basis des Kalenderjahres vorgesehen. Vielmehr gilt für jeden Fahrlehrer eine ganz individuelle Frist: Die erste und alle weiteren Fortbildungsbescheinigungen müssen spätestens auf den Tag genau vier Jahre nach der Erteilung der Fahrlehrerlaubnis oder der jeweiligen Seminarerlaubnis vorgelegt werden. Das bedeutete im ungünstigsten Fall, dass Kolleginnen und Kollegen, die Ausbildungsfahrlehrer und Inhaber der Seminarerlaubnisse ASF und FES sind, vier unterschiedliche Fristen zu beachten hätten. Das erschwert den Anbietern die Planung ihrer Veranstaltungen und den Fahrlehrern die termingerechte Buchung ihrer Wunsch-Fortbildungen. Der größte bürokratische Aufwand dürfte jedoch bei den Erlaubnisbehörden anfallen, da diese die Einhaltung der unterschiedlichen Fristen überwachen müssen.

Fortbildung für Inaktive 

Neu ist eine Spezialregelung für nicht aktiv tätige Fahrlehrer. Im Entwurf wird ihnen Befreiung von der Fortbildungspflicht und damit verbundenes Ruhen der Fahrlehrerlaubnis zugestanden, sofern im Fahrlehrerschein weder ein Beschäftigungsverhältnis noch eine Fahrschulerlaubnis eingetragen sind. Vor Wiederaufnahme der Fahrlehrertätigkeit muss lediglich eine dreitägige Fortbildung besucht werden. Offen bleibt aber im Entwurf, für welchen Zeitraum das Ruhen der Erlaubnis gilt. Nach dem jetzigen Wortlaut wäre nach einer Auszeit als Fahrlehrer von zwanzig oder mehr Jahren nach einmaligem Besuch einer dreitägigen Fortbildung der Wiedereinstieg zulässig.

Fahrschulerlaubnis 

Dem Wunsch des Berufsstandes, den für die Gründung einer Fahrschule erforderlichen betriebswirtschaftlichen Lehrgang deutlich zu verlängern und mit einer Prüfung abzuschließen, will das BMVI nicht nachkommen. Neu ist lediglich die eher realitätsferne Vorgabe, dass der Veranstalter des Kurses Teilnehmern, die im Kurs nicht aktiv mitarbeiten, sondern diesen lediglich „absitzen“, die Teilnahmebescheinigung zu verweigern hat.

Freier Mitarbeiter 

Eine erfreuliche Neuerung, die unter anderem Wettbewerbsverzerrungen entgegenwirken und die Gefahr der Altersarmut im Berufsstand verringern kann, ist das vorgesehene Verbot, Fahrlehrer als freie Mitarbeiter zu beschäftigen. Künftig soll nur noch ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auf der Basis eines schriftlichen Arbeitsvertrages oder ein anmeldepflichtiger Minijob zulässig sein.

Anzeigepflichten und Preisaushang

Hinsichtlich Anzeigepflichten sieht der Entwurf tatsächlich Entbürokratisierung vor. Etliche Meldepflichten, z.B. zum Fahrzeugbestand, der Vergrößerung oder der Verkleinerung der Unterrichtsräume, sollen ersatzlos gestrichen werden. Der Preisaushang soll nicht mehr Gegenstand des Fahrlehrergesetzes sein, weil dafür die Preisangabenverordnung (PAngV) eine ausreichende Rechtsgrundlage bietet. Nicht gestrichen wurden jedoch die Vorgaben für die Preisangaben in der Werbung. Hier bleibt alles beim Alten: Wer einen Preisbestandteil (z.B. den Grundbetrag) nennt, soll auch weiterhin die Klasse, die Preise für die verschiedenen Fahrstunden sowie für die Vorstellungsentgelte bekannt geben müssen.

Tagesnachweis und tägliche Dauer der Arbeitszeit 

Der Entwurf sieht die ersatzlose Streichung der Begrenzung der Höchstdauer der täglichen Arbeitszeit (495 Minuten praktische Ausbildung/600 Minuten Gesamtarbeitszeit) für alle Fahrlehrer sowie den Wegfall der obligatorischen Tagesnachweise vor. Das ist mit Bezug auf den Verbraucherschutz und die Verkehrssicherheit sehr kritisch zu betrachten. Für angestellte Fahrlehrer gelten selbstverständlich das Arbeitszeitgesetz (AZG) und dessen umfangreiche Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten. Für Fahrschulinhaber soll jedoch künftig nur noch die Vorschrift gelten, in Eigenverantwortung die praktische Ausbildung einzustellen, wenn man krank oder übermüdet ist oder wenn man sich aus anderen Gründen nicht mehr zum Schulen in der Lage sieht.

Ausbildungsnachweis und Ausbildungsbescheinigung 

Diese Formulare sollen überarbeitet werden. Allerdings sind die beiden im Entwurf enthaltenen Muster noch weit von der Praxistauglichkeit entfernt. Auch hier ist deshalb zu hoffen, dass die von der BVF erarbeiteten Vorschläge vom Bund und den Ländern aufgegriffen werden.

Wegfall der Zweigstellenerlaubnis 

Ein weiterer gravierender Eingriff ins gewohnte Berufsrecht ist die ersatzlose Streichung der Begrenzung der Anzahl der Zweigstellen einer Fahrschule. Eine Erlaubnisbehörde kann eine überbordende Anzahl von Zweigstellen künftig nur noch verhindern, wenn sie den Nachweis führen kann, dass der Fahrschulinhaber, beispielsweise wegen sehr hoher räumlicher Entfernungen der Zweigstellen, seinen Pflichten nicht nachkommen kann.

Gemeinschaftsfahrschule 

Neu und absolut überfällig ist die im Entwurf vorgesehene Öffnung der Gemeinschaftsfahrschule für Fahrschulbetriebe, deren Fahrschulerlaubnisklassen sich nicht decken. Das könnte die Gründung von BGB-Gesellschaften fördern. Leider konnten sich die Autoren nicht dazu durchringen, der Gemeinschaftsfahrschule eine eigene Fahrschulerlaubnis und einen verantwortlichen Leiter zuzugestehen. Wäre dies das letzte Wort, bliebe die Gemeinschaftsfahrschule mit ihrer „kopflosen“ Führung weiterhin ein eher unausgegorenes Gebilde.

Kooperationsfahrschulen 

Ein noch sehr im Unklaren gebliebenes und für den fairen Wettbewerb der Fahrschulen nicht ungefährliches Konstrukt ist die vorgesehene Zulassung von Kooperationsfahrschulen. Ein künftiger Paragraf 20 FahrlG soll eine grenzenlose Kooperation ermöglichen. Käme es so, bestünde die Gefahr, dass Fahrschüler unkontrolliert weitervermittelt – um nicht zu sagen weiterverkauft – würden. Wobei nicht mehr klar wäre, wer eigentlich Vertragspartner ist, wer die Ausbildung tatsächlich leistet und für deren einwandfreie sachliche und rechtliche Durchführung haftet. Die bloße gesetzliche Vorgabe, dass die Auftrag gebende Fahrschule auch für die korrekte Ausbildung der Auftrag nehmenden Fahrschule mit verantwortlich ist, kann Missbrauch nicht verhindern. Hier sind deutlich präzisere Regelungen vonnöten.

Mitteilung über Eignungs- und Zuverlässigkeitsmängel 

Zum Schluss gehe ich noch auf eine interessante und zugleich suspekte Novität des Entwurfs ein. Das neue Fahrlehrergesetz soll eine Vorschrift enthalten, nach der die Polizei verpflichtet werden soll, Informationen über Mängel hinsichtlich der Eignung und Zuverlässigkeit eines Fahrlehrers der Erlaubnisbehörde mitzuteilen. Gewollt scheint dabei zu sein, dass die Behörden beispielsweise zeitnah Informationen über Verstöße von Fahrlehrern hinsichtlich der sexuellen Selbstbestimmung der Fahrschüler erhalten. Aber was ist darunter zu verstehen? Soll künftig schon der Verdacht genügen, einem Fahrlehrer die Fahrlehrerlaubnis zu entziehen? Soll das Urteil eines Polizisten das gerichtliche Verfahren ersetzen? Hier lege ich den Autoren dieser Entwürfe dringend ans Herz, die Unschuldsvermutung, für mich eines der wichtigsten rechtsstaatlichen Prinzipien, nicht aus den Augen zu verlieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
bitte beachten Sie, dass ich mit diesen Ausführungen lediglich zu zwar im Bundesverkehrsministerium verfassten, aber nicht von der Bundesregierung beschlossenen Entwürfen Stellung genommen habe. Von geltendem Recht sind wir noch ein beträchtliches Stück entfernt. Zum Glück! Nicht umsonst gilt unter Politikern die alte Weisheit, dass kein Gesetz den Bundestag und Bundesrat so verlässt, wie es eingebracht wurde. Churchill soll sinngemäß einmal gesagt haben: In der Demokratie muss man jeden Tag auf der Hut sein, dass nichts falsch läuft! Ihr Verband nimmt dieses Wort sehr ernst und wird Sie selbstverständlich über den Fortgang des Verfahrens auf dem Laufenden halten.

Jochen Klima

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