Durch Auswahl eines Links wird unterhalb dieser Auflistung der vollständigen Artikel bzw. weitere Informationen dazu angezeigt: 66 Inhalt Mitglieder des FLVBW finden die FPX als PDF-Datei im Downloadbereich des internen InternetForums... ___________________________________
65 EU-Recht – Umsetzung mit Macken
70 Update: Weniger tödliche Verkehrsunfälle / Unfallursache Smartphone
72 Einladung: 67. ordentliche Mitgliederversammlung
86 Umfrage "Wie geht es den Angestellten?" – Leider zu wenig Teilnehmer
89 Save the Date! – Workshop für Angestellte (II)
121 Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz – Neue Vorschriften in Kraft
142 Anforderungen an Prüfungsfahrzeuge
143 Ausbildung, Prüfung und Begutachtung von Behinderten – Grundlagenseminar Fahreignung
148 Ralf Schütze: Autonomes Fahren – Megatrend mit Problemen und Chancen
152 Gerichtsurteile: (2385) Betrunkener Inlineskater - Trunkenheitsfahrt nach § 24a StVG? / (2384) Versehentlicher Drogenkonsum? / (2383) BG zum strafrechtlichen Begriff des Überholens
Ralf Schütze unterwegs für FPX: Autonomes Fahren - Megatrend mit Problemen und Chancen
© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Februar/2016, Seite 148
Dieser für Fahrlehrer so wichtige Satz fiel bei der Präsentation einer Studie zum autonomen Fahren, deren Ergebnisse Goodyear gemeinsam mit der London School of Economics (LSE) unter dem Titel „ThinkGoodMobility“ veröffentlicht hat.
Bild: Goodyear
Kernaussage Das Ökosystem Straßenverkehr ist heute so stark im Wandel wie nie zuvor, besonders wegen des sich immer konkreter anbahnenden autonomen Fahrens. Die Befragung von rund 12.000 Menschen aus elf europäischen Ländern ergab, dass die Skepsis gegenüber autonomem Fahren in Deutschland wohl besonders groß sei. Nicht zuletzt deshalb machte sich bei der Präsentation der Studie in der Münchener Allianz Arena die Erkenntnis breit: Es ist in den kommenden Jahren nicht nur wichtig, viele noch offene Fragen zu klären, sondern vor allem die mit autonomem Fahren verbundenen Vorteile zu kommunizieren. Und: Die Folgen der neuen Technologien werden sich laut Expertenmeinung auch auf die Fahrausbildung auswirken.
Freude am Fahren – ein Hemmnis? Unter den aus elf europäischen Ländern stammenden Befragten rangierten die Deutschen an erster Stelle in Sachen „Spaß am Fahren“. Jedoch bilden wir das Schlusslicht, wenn es um „Aufgeschlossenheit gegenüber autonomen Fahrzeugen“ geht. Offenbar ist hierzulande die Freude am Selbstpilotieren so groß, dass viele Menschen das Steuer nicht so ohne Weiteres aus der Hand geben und völlig auf Technik vertrauen wollten. 68 Prozent der insgesamt europaweit befragten Menschen waren der Meinung: „Prinzipiell sollten menschliche Fahrer jederzeit die Kontrolle über ihr Fahrzeug haben.“ In Deutschland waren es aber 78 Prozent. Dabei klingen die künftigen Möglichkeiten autonomen Fahrens durchaus verlockend, wie sie zum Beispiel Goodyear-Deutschland-Geschäftsführer Jürgen Titz bei der Präsentation der Mobilitätsstudie „ThinkGoodMobility“ aufzählte. Unter anderem könne man während der Fahrt nicht nur gefahrlos E-Mails checken, sondern sich Taxifahrten sparen. Oder sogar die Sonntagsbrötchen vom autonomen Fahrzeug eigenständig holen lassen – dazu müssten nur der Einkaufszettel und Geld auf dem Sitz liegen. Es stellten sich laut Titz also die Fragen: „Wollen wir die Effizienzgewinne solcher legalen Möglichkeiten? Oder wollen wir unbedingt die volle Kontrolle behalten?“
Wie das autonome Fahren der Zukunft und die Innenräume entsprechender
Fahrzeuge aussehen, zeigte BMW 2016 anhand seiner Studie Vision Next 100 (Foto: BMW AG)
Gefragt: Information und Aufklärung Laut Goodyear-PR-Direktorin Kerstin Flötner habe die Studie trotz aller in Deutschland festgestellten Skepsis auch ergeben: „Zunächst war der negative Level sehr hoch, aber bei näherem Nachdenken wurden die Befragten immer aufgeschlossener.“ Deshalb müsse sich etwa die Autoindustrie darum kümmern, dass die Menschen die Vorteile autonomen Fahrens sehen und begreifen. Flötner: „Das ist zu schaffen, da bin ich optimistisch.“ Zu den Chancen der neuen Technologien gehöre zum Beispiel laut Prof. Uwe Clausen, Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik, die Zahl der Verkehrstoten von derzeit deutlich über 3.000 pro Jahr drastisch senken zu können. Dies bestätigte in München Dr. Tobias Nickel vom Zulieferer Dräxlmeier aus Vilsbiburg. Wegen der zu erwartenden massiven Verringerung von Verkehrsunfällen rechne er zum Beispiel auch mit einem grundsätzlichen Wandel beim typischen Geschäftsmodell der Autohändler, denn diese würden heute mehr mit Service und Reparatur von Fahrzeugen verdienen als mit deren Verkauf.
Das fundamental andere Auto Erklärungsversuche für die große deutsche Skepsis gegenüber autonomen Fahrzeugen gibt es viele. Für Nickel liegt ein möglicher Grund nahe: „Wir sind ein Exotenland ohne absolutes Tempolimit und mit ungewöhnlich vielen Premium-Fahrzeugen.“ Wer gerade mit 250 km/h über die Autobahn gefahren ist, sei laut Nickel nicht so leicht für autonomes Fahren zu begeistern. Auch Nickel sieht trotzdem im Megatrend 'autonomes Fahren' große Chancen, die es nun zu vermitteln gelte. Das zeige sich zum Beispiel bei der aktuellen Entwicklungsarbeit von Dräxlmeier, wo Fachleute ständig an den Innenräumen für künftige Modelle von Marken wie Audi, BMW, Mercedes, Mini oder VW arbeiten. Die verlockenden Zukunftsperspektiven zum Interieur autonomer Fahrzeuge reichen laut Nickel bis hin zur Schlafstätte für längere Strecken – wie etwa im Flugzeug. Alle Fensterflächen rundum werden künftig zu Bedien- und Anzeigeflächen, weil sich die Insassen und vor allem der Fahrer nicht mehr ständig nach vorn orientieren müssen. So werde die Mobilität der Zukunft einen fundamental anderen Innenraum mit sich bringen, als wir ihn heute kennen. Dass Dr. Tobias Nickel deshalb kein uneingeschränkter Optimist in Sachen 'autonomes Fahren' ist, belegte er mit dem deutlichen Hinweis auf die zahlreichen juristischen Fragen, die es noch zu klären gelte.
VWs Studie I.D. BUZZ zeigt mit versenktem Lenkrad an, dass sich die Passagiere
jetzt autonom chauffieren lassen können (Foto: Volkswagen AG)
Stau adieu? Zu den weiteren Chancen des Megatrends 'autonomes Fahren' zählt er die mögliche Entzerrung des Straßenverkehrs. Studien zum Thema würden immer wieder einen deutlich besseren Verkehrsfluss vorhersagen. Dies klinge deshalb absolut überzeugend, weil zum Beispiel allein in Köln der tägliche Parksuchverkehr eine Länge von 14.000 Kilometern habe. Dies lasse sich künftig verringern, da autonome Fahrzeuge eigenständig zum nächsten freien Parkplatz fahren können, der nicht unbedingt nahe dem Zielort des Fahrers liegen muss. Ebenso reduziere sich künftig der Zeitaufwand für viele Tätigkeiten, die sich heute noch nicht legal mit der Fahrt vereinbaren lassen – von der Nutzung des Internets über Lesen und Fernsehen bis hin zur Nahrungsaufnahme.
Fahrausbildung künftig ergänzt durch „Typeinweisung“? Die zu erwartenden Veränderungen der gesamten Mobilität seien so umfassend, dass Nickel in München sogar die pointierte Aussage machte: „Ich würde heute keinem mehr raten einen Taxischein zu machen.“ Auf Nachfrage von FPX stellte er allerdings klar, dass dies nicht etwa ähnlich für den Fahrlehrerschein gelte. Die Fahrausbildung werde sich zwar nach seiner Einschätzung ebenfalls an die Anforderungen autonomen Fahrens anpassen müssen. Aber: Ähnlich zur heutigen Situation bei Flugzeugen, wo es für Piloten ständig Typeinweisungen gebe, müsse man künftig aufgrund fehlender Standards die Autofahrer auf die unterschiedlichen Formen autonomer Fahrzeuge vorbereiten. Nickel: „Eine solche Typeinweisung zusätzlich zur heute bekannten Fahrausbildung wird nötig sein und deshalb sicherlich kommen.“
Reifen als Sensoren und Transmitter Technisch werde sich im Umfeld autonomer Fahrzeuge noch mehr ändern müssen, als man zunächst denkt. Stichwort Reifen: Laut Goodyear-Deutschland-Chef Jürgen Titz sei zum Beispiel erst mit Neuentwicklungen wie dem revolutionären kugelförmigen Reifen „Eagle-360“ die Übertragung zusätzlich nötiger Daten von der Straße aufs Fahrzeug möglich. Die Verbindung zwischen Reifen und Auto herrscht dabei kontaktlos über Magnetfelder. Bis 2025 sei laut Titz mit weltweit 76 Millionen autonomen Fahrzeugen zu rechnen: „Die Straße als sozialer Raum wird sich dadurch grundlegend ändern.“
Der technisch revolutionäre Reifen Eagle-360 bietet viele Vorteile. Unter anderem kann
er die künftig zum autonomen Fahren nötigen Datenübertragungen leisten (Foto: Goodyear)
Der Humanfaktor Für den Umgang mit der in Deutschland festgestellten großen Skepsis gegenüber autonomen Fahrzeugen hatte Kerstin Flötner bei der Präsentation der Studie „ThinkGoodMobility“ entscheidende Schlussfolgerungen parat. Man müsse sich beim Umgang mit dem Megatrend 'autonomes Fahren' auf den menschlichen Faktor konzentrieren und die Bedeutung der Straße als soziales Interaktionsfeld begreifen. Die umfangreichen Befragungen im Rahmen von „ThinkGoodMobility“ hätten gezeigt: „Sobald die Fahrer einen klaren Nutzen für die Verkehrssicherheit und ihre individuelle Mobilität erkennen, sind sie eher bereit, sich der neuen Technologie zu öffnen.“
An dieser Stelle können auch die Fahrlehrer einen Beitrag leisten. FPX wird seine Leser deshalb stets auf dem Laufenden halten, wenn sich relevante Neuentwicklungen auf dem Gebiet des autonomen Fahrens abzeichnen.
"Ich glaube an das Pferd.
Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung."
Prof. Uwe Clausen, Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik: So falsch wie Kaiser Wilhelm II. mit dieser Einschätzung des Autos vor 108 Jahren lag, so verkehrt denkt heute, wer die Augen vor dem herannahenden autonomen Fahren verschließt.