EDITORIAL: EU-Recht - Umsetzung mit Macken

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Februar/2017, Seite 65

Liebe Leserinnen und Leser,

in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) ist die Harmonisierung des Rechts, namentlich auch im Bereich des Straßenverkehrs, weit vorangeschritten. Das dient der Freizügigkeit der Menschen und dem ungehinderten Fluss von Waren und Dienstleistungen. Dazu gibt die EU mit Verordnungen und Richtlinien den Takt vor und nimmt so wesentlichen Einfluss auf das nationale Recht. Als Beispiele seien hier nur die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) und das Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz (BKrFQG) genannt. Setzt ein Mitgliedstaat die Vorgaben der EU nicht oder nicht fristgerecht oder mit unstatthaften Abweichungen um, greift die EU zu Sanktionen. Dazu hat sie schon mehrfach Vertragsverletzungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) angestrengt.

Davon war Deutschland in jüngster Zeit gleich mehrfach betroffen: Dass in der FeV die Klasse A2 teilweise nicht der Richtlinie entsprechend beschrieben war, rief die Hüter des EU-Rechts schon vor geraumer Zeit auf den Plan. Ebenso gerieten die fehlerhafte Befristung der Klasse C1 (auf das 50. Lebensjahr statt auf 5 Jahre) sowie die hinsichtlich der Personenbeförderung nicht der Richtlinie entsprechend vorgenommene Abgrenzung der Klasse C1 zu D1 ins Visier der Brüsseler Juristen. Mit den jüngsten Verordnungsänderungen hat der deutsche Staat gleichsam in letzter Minute reagiert und so hohe Strafzahlungen gerade noch abgewendet. Die EU-Kommission, das muss hier erwähnt werden, kann den Staatenbund auf Dauer nur zusammenhalten, wenn sie die Einhaltung der von den Mitgliedstaaten beschlossenen vertraglichen Vereinbarungen konsequent durchsetzt. Davon mag, wie wir es gerade erfuhren, manches fragwürdig sein. Aber warum ist die Kommission nicht in der Lage, Fehlentwicklungen des EU-Rechts rechtzeitig zu erkennen und gegenzusteuern? Liegt es an unseren Politikern oder am mangelnden Durchblick unserer Experten? Eines ist jedenfalls klar: Das Kalkül, die EU werde deutsche Abweichungen schon irgendwann tolerieren, ist nicht aufgegangen.

Mit den jüngsten Maßnahmen zur Heilung der mehrfachen Missachtung von EU-Recht hat sich das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) nicht mit Ruhm bekleckert. Es ist doch ausgesprochen bürgerfern, einschneidende Rechtsänderungen schon am Tag nach der Verkündung in Kraft zu setzen. Im speziellen Fall der Klasse C1 wird ein Bürger, der seit Jahren legal mit einem Kombi dieser Klasse unterwegs ist, über Nacht zum Straftäter, weil sein Fahrzeug plötzlich der Klasse D1 zugeordnet ist. So nicht, Herr Dobrindt!

Es grüßt Sie sehr herzlich
Ihr
Jochen Klima