Ralf Schütze unterwegs für FPX: Blinkmuffel - wissen sie denn nicht, was sie tun?

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juli/2017, Seite 456

Foto: M. A. ReuferFahrtrichtungszeichen sind elementar für ein funktionierendes Miteinander im Straßenverkehr. Ohne sie wird aus dem Miteinander leicht ein Gegeneinander. Blinkmuffel breiten sich aus. Woran liegt's, und was richten sie damit an? Handeln sie bewusst, oder geht es hier vielleicht um Sorg- bis Ahnungslosigkeit in dieser schnelllebigen Zeit? Haben am Ende die Fahrschulen Schuld daran? Wir haben uns zum Thema schlau gemacht.

Fahrtrichtungsanzeiger, im Volksmund „Blinker“ genannt, sind eigentlich ein sehr wichtiges Kommunikationsmittel zwischen Verkehrsteilnehmern – sicherheitsrelevant, um den gemeinsamen Verkehrsfluss stör- und unfallfrei zu gestalten. Eigentlich! Denn obwohl der Volksmund ein Wort dafür hat, kümmert sich die Volksseele offenbar immer weniger ums Blinken. Genauso, wie immer weniger Radfahrer vor dem Abbiegen Handzeichen für nötig halten, verzichten Kraftfahrer immer öfter auf das Blinken. Ist das nur der subjektive Eindruck eines kritischen Beobachters? Nein: Jedenfalls bestätigt Michael Hoffmann, Direktionsleiter bei der Polizei Hagen, wo sich die Ordnungshüter seit einiger Zeit auf Verstöße dieser Art konzentrieren: „Etwa jeder Vierte hält es nicht für nötig zu blinken.“

Lästig, störend, gefährlich

Die Bandbreite des Nicht-Blinkens ist groß. Es beginnt mit weniger brisanten Situationen und wahrscheinlicher Unkenntnis der Vorschriften, wenn Autofahrer auf einer reinen Abbiegespur ums Eck fahren, ohne den Richtungswechsel anzuzeigen. Wenigstens können andere Verkehrsteilnehmer ihre Absicht erahnen, aber regelwidrig ist es dennoch. Schlimmer wird’s, wenn jemand in seiner Spur auch geradeaus fahren dürfte, aber ohne zu blinken rechts abbiegt: Andere Verkehrsteilnehmer, nicht zuletzt Fußgänger, könnten seine beabsichtigte Fahrtrichtung falsch einschätzen – Unfälle sind vorprogrammiert. Darüber mokiert sich nachvollziehbar ein ADAC-Mitglied in einem Leserbrief an die ADAC Motorwelt: Knut H. aus Würzburg „... könnte durch die Decke gehen, wenn Autofahrer an der Kreuzung vor mir rechts abbiegen möchten, das aber nicht anzeigen. Ich ordne mich dahinter ein, will geradeaus fahren. Wird es grün, geht nichts voran, weil erst einmal die Fußgänger Vorrang haben. Ich stehe dahinter und muss im dümmsten Fall eine Ampelphase länger warten, wäre aber auf der Spur links daneben ohne Probleme vorangekommen.“ Dabei kommen zwei Aspekte zusammen: Knut H. handelt nach dem Rechtsfahrgebot, das ebenfalls immer weniger Beachtung findet (siehe FahrSchulPraxis 6/2016, S. 358), und hängt zu allem Überfluss hinter einem Autofahrer fest, der sich nicht ums regelkonforme Blinken schert.

Fahrschule in Dauerhaftung?

Dass an all dem keineswegs die Fahrschulen Schuld haben, bestätigt die ADAC Motorwelt (Ausgabe 2/2017) in ihrem Beitrag zum Thema „Blinken? Fehlanzeige“: „Dabei haben es alle in der Fahrschule gelernt: Jeder Fahrtrichtungs- und Spurwechsel muss rechtzeitig und deutlich angekündigt werden. Dazu gehören auch das Überholen, Abbiegen, Anfahren vom Straßenrand und das Vorbeifahren an einem Hindernis – und natürlich das richtige Blinken im Kreisverkehr.“ Jochen Klima, Vorsitzender im Fahrlehrerverband Baden-Württemberg e.V., untermauert diesen „Freispruch“ für die Fahrschulen: „Menschen beschweren sich immer wieder in Mails: 'Ihr Fahrlehrer, Ihr müsst den Leuten wieder das Blinken beibringen.' Darauf schreibe ich sinngemäß zurück: Ja, Blinkmuffel gibt es leider zu viele. Aber Sie können sicher sein, Fahrlehrer lehren richtiges und konsequentes Blinken in der Ausbildung sehr intensiv. Denn wer das nicht beherrscht, besteht die Fahrerlaubnisprüfung nicht. Das ist für uns Fahrlehrer in Praxis und Theorie die Basis – und zwar nicht nur im Sinne von 'Du musst das machen', sondern auch im Sinne des Warum?“ Dazu gehöre ein lehrreicher Perspektivwechsel und die Fragestellung: „Wie fühle ich mich, wenn ich selbst am Kreisverkehr stehe und jemand biegt vor mir aus dem Kreisverkehr heraus ab, ohne geblinkt zu haben?“

Abknickende Vorfahrt – auweia!

Ein Klassiker für falsches Blinken und Nichtblinken ist der Kreisverkehr. Ebenso Kreuzungen und Einmündungen mit abknickenden Vorfahrten: Verkehrsteilnehmer setzen keinen Blinker, wenn sie der Vorfahrt folgend nach links oder rechts abbiegen. Oder kurios: Manche Kraftfahrer setzen den Blinker, wenn sie die abgeknickte Vorfahrtstraße durch Geradeausfahren verlassen. Beides kann zu folgenschweren Missverständnissen führen, wenn andere Verkehrsteilnehmer gleichzeitig die Kreuzung passieren wollen. Unachtsamkeit und Unwissen sieht ADAC-Verkehrspsychologin Nina Wahn hinter solchen Blink-Verstößen: „Zahlreiche Autofahrer vergessen das Blinken tatsächlich mit der Zeit. Zunächst ist es eher Bequemlichkeit.“ Die habe im Normalfall keine Konsequenzen. Kein Unfall, kein Problem. Folge laut Nina Wahn: „Dann schleifen sich die schlechten Gewohnheiten mit der Zeit ein.“ Und: „Viele wissen in bestimmten Situationen gar nicht, dass geblinkt werden muss.“

Wenn die Polizei Hagen gezielt an Kreisverkehren und abknickenden Vorfahrten das ordnungsgemäße Blinken kontrolliert, herrscht unter den aufgehaltenen Blinkmuffeln wenigstens größtenteils Einsicht. „Das Bußgeld zahlen die meisten anstandslos“, so Polizeioberrat Michael Hoffmann. Schließlich gebe niemand gern zu, dass er die Straßenverkehrsregeln nicht kennt. Erschreckend hingegen fanden die Hagener Einsatzbeamten die empört geäußerte Frage eines ertappten Blinkmuffels: „Was, deswegen halten Sie mich auf?“

Bagatelle?

Wer sich in solchen Fällen von 10 Euro Verwarnungsgeld nicht sonderlich beeindrucken lässt, sollte sich aber vor Augen halten, dass laut dem Verkehrsrechtsexperten Jost Kärger ein Unfall teuer werden kann, den ein Blinkmuffel verursacht hat: „Bei solchen Zusammenstößen trifft denjenigen, der nicht blinkt, meistens die Hauptschuld.“ Beispiel: Das Amtsgericht Bad Segeberg sprach einem Autofahrer die Alleinhaftung zu, der an einem parkenden Auto vorbeifahren wollte und ohne den Blinker rechtzeitig zu setzen auf die linke Spur wechselte. Dort fuhr ein anderes Auto auf. Da aber denjenigen, der mit einem Falschblinker kollidiert, in bestimmten Fällen bis zu 50 Prozent Mitschuld treffen kann, rät Jost Kärger: „Autofahrer dürfen sich nicht blind auf ein Blinksignal verlassen. Im Zweifelsfall erst abwarten, was der andere wirklich macht.“ Bestes Beispiel hierfür wiederum: das Fehlverhalten in Bezug aufs Blinken an einer abknickenden Vorfahrt, das eine Kollision verursachen kann.

 

Blinkmuffel: Beide Fahrzeuge befinden sich auf einer Linksabbiegerspur, beide werden abbiegen, aber keiner blinkt (Foto: Ralf Schütze)

Blinkmuffel: Beide Fahrzeuge befinden sich auf einer Linksabbiegerspur, beide werden abbiegen, aber keiner blinkt (Foto: Ralf Schütze)

Unwissen oder was?

In vielen Fällen hält Jochen Klima nicht Unwissen für die Erklärung des Nicht-Blinkens. Er nutzt deutliche Worte, um die wahrscheinlichen Gründe zu benennen: „Manchmal steckt sogar mehr dahinter, als etwas nicht zu wissen. Es liegt dann eine regelrechte Gleichgültigkeitsmentalität vor.“ Viele Autofahrer denken in den entsprechenden Situationen offenbar: Hauptsache, ich weiß, wohin ich will. Ist mir doch egal, was die anderen denken. Viele Verkehrsteilnehmer wollen einfach nicht wahrhaben, dass sie mit korrektem Verhalten das System Straßenverkehr vereinfachen. Das sei keine wissenschaftliche Erkenntnis, hänge aber laut Jochen Klima mit der frappierenden Häufigkeit des beobachteten Nicht-Blinkens zusammen. Noch etwas höher aufgehängt: Der Respekt vor Regelungen sei allgemein weniger geworden – ein Phänomen, mit dem sich Fahrlehrer wie auch andere Lehrer häufig konfrontiert sehen. Klima: „Es ist durchaus nicht übertrieben, wenn man sich mit dem Thema Blinkmuffel näher beschäftigt und dabei regelrecht philosophisch wird.“ Deshalb stoße der Fahrlehrer auch in diesem Zusammenhang an Grenzen, denn er müsste im Rahmen der Ausbildung laxe Einstellungen ändern. Klima: „Einstellungen kann der Fahrlehrer zwar vorleben. Ob er sie wirklich nachhaltig ändern kann, ist eine ganz andere Frage.“ Wie Jochen Klima hebt auch Direktionsleiter Michael Hoffmann die Hintergründe des falschen oder fehlenden Blinkens auf eine grundsätzlichere Ebene. Deshalb bleiben laut Hoffmann bei der Polizei Hagen Blinkmuffel weiterhin im Fokus. Die bisher gezielt durchgeführten Kontrollen werden beibehalten, um die damit zusammenhängenden Unfallzahlen zu reduzieren. Denn, so Hoffmann: „Wir achten im Straßenverkehr zu wenig aufeinander.“