Kontrollpraxis Teil I: Lkw- und Buskontrollen nach TechKontrollV - von Thomas Fritz

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juli/2018, Seite 452

Fotos: Thomas Fritz

Die Abfahrtkontrolle am Fahrzeug soll täglich vor Fahrtbeginn umfassend und gewissenhaft durchgeführt werden. So, wie man es in der Fahrschule gelernt hat. Die hierfür relevanten rechtlichen Grundlagen ergeben sich aus StVO (§ 23), StVZO (§ 30), FZV und den berufsgenossenschaftlichen Schriften als bindende Pflichten. Mit diesem Beitrag soll der betriebs- und verkehrssichere Zustand eines Fahrzeugs, die Vollständigkeit der Ausrüstung und der erforderlichen Dokumente sowie die Sicherheit im Umgang und in der Bedienung der vorhandenen Technik gezielt angesprochen werden.

Foto: Thomas Fritz

 

Verantwortlich hierfür ist in erster Linie der Fahrzeuglenker. Er ist es auch, der bei einer Verkehrskontrolle als erster von festgestellten Mängeln am Fahrzeug erfährt und mit Konsequenzen zu rechnen hat; sei es der fehlende Verbandskasten, ein defektes Rücklicht oder ein abgefahrener Reifen.

Mängelbericht 

Neben einem bedingunglosen Okay ist das mildeste Ergebnis von Verkehrskontrollen die Ausstellung eines Mängelberichts, von dem der Fahrer einen Durchschlag zur Weiterleitung an den verantwortlichen Fahrzeughalter erhält. Dieser hat die festgestellten Mängel unverzüglich zu beheben und deren Beseitigung nach einer vorgegebenen Frist gegenüber der Behörde nachzuweisen. Verantwortlich für die Überwachung der Mängelbeseitigung ist die jeweils zuständige Kfz-Zulassungsstelle. Erfolgt der Nachweis nicht fristgerecht, trifft die Behörde entsprechende kostenpflichtige Folgemaßnahmen. Je nach Art und Umfang der Mängel reichen die Maßnahmen von einer erneuten Aufforderung bis hin zur Zwangsstilllegung des Fahrzeugs. Parallel dazu laufen meist Verwarnungs- oder Bußgeldverfahren gegen den Fahrer und Halter sowie etwaige sonstige Verantwortliche.

EU-Unterwegskontrolle

Entsprechend diesem in Deutschland bewährten Verfahren verfasste die Europäische Union die Richtlinie 2000/30/EG und führte diese im Jahr 2000 ein. Dabei geht es um die technische Unterwegskontrolle von Straßenfahrzeugen, die nicht im Land der Kontrolle amtlich zugelassen sind. Damit sollte den angestiegenen technischen Mängeln im Bereich des Schwerverkehrs entgegengewirkt werden. Für die Kontrollbehörden war damit auch der Weg frei, technische Mängel an Fahrzeugen den jeweiligen Zulassungsstellen der EU-Mitgliedsländer zu melden, ohne das Fahrzeug gleich zwangsweise aus dem Verkehr ziehen zu müssen. Die Kontrollbehörden machen hiervon Gebrauch und melden die bei einer „Sichtkontrolle“ am Fahrzeug festgestellten Mängel weiter. Als Schnittstelle zu und von den Behörden anderer Länder fungiert das Bundesamt für Güterverkehr, das somit auch statistische Erhebungen durchführen kann und diese jährlich fortschreibt (www.bag.bund.de).

Im Lauf der Jahre wurden Novellierungen notwendig, um Konkretisierungen in der Überwachung und der Methodik der Kontrolle vorzunehmen. So wurden im Jahr 2007 die technischen Genehmigungen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern etc. konkretisiert (RL 2007/46/EG), in den Folgejahren das Wort „kontrolliert“ näher beschrieben (RL 2009/40/EG und RL 2010/48/EU) und Prüfmethoden und Leitlinien zur Mängelbewertung nach Anhang II im Amtsblatt der EU veröffentlicht. In Deutschland erfolgte die Umsetzung der EU-Richtlinie für Kontrollen auf der Straße bereits am 21.05.2003 mit der „Verordnung über technische Kontrollen auf der Straße“ (BGBl. I S. 774). Diese Verordnung wurde jüngst geändert und trat am 20.05.2018 in Kraft.

Härteres Durchgreifen

Ziel der „Verordnung zur Änderung der Verordnung über technische Kontrollen von Nutzfahrzeugen auf der Straße“ (BGBl. I S. 544) ist die Intensivierung der technischen Kontrollen auf der Straße, wodurch vornehmlich Fahrzeuge des Schwerverkehrs mit „erheblichen Mängeln“ und „gefährlichen Mängeln“ zwangsweise aus dem Verkehr gezogen und an die Kette gelegt werden sollen. Die Dunkelziffer unfallursächlicher technischer Mängel ist hoch, wahrscheinlich, weil vielfach versteckte Mängel an Bremse, Lenkung, Fahrwerk, Achsen, Aufbau und Federung nicht oder nur schwer erkannt werden können. Und die Hinzuziehung eines technischen Sachverständigen nach einem Verkehrsunfall ist eher selten und meist nur auf den Schwerstunfall beschränkt.

Verkehrskontrollen leisten Prävention

Damit lastet eine hohe Bürde auf der täglichen Verkehrsüberwachung durch die Polizei, das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) und den Zoll. Sie können durch Verkehrskontrollen und Mängelfeststellung manches gefährliche Szenario auf der Straße verhindern. Lastzüge mit gerissenen Bremsscheiben, Fernbusse mit Druckverlust an der Bremsanlage, Rahmendurchrostungen und -risse, Reifenschäden, Ausfall von Beleuchtungseinrichtungen, massiver Ölverlust an Motor und Getriebe und einiges mehr gehören für manchen Kontrollbeamten schon zum täglichen Geschäft. Leider lässt sich dabei immer öfter fehlende Einsicht der Betroffenen für die Gefahren und die negativen wirtschaftlichen Aspekte der technischen Vernachlässigung der Fahrzeuge feststellen. Die noch vielfach verbreitete Meinung, man müsse vor allem den osteuropäischen Fahrzeugschrott von der Straße holen, findet aus Sicht der Kontrollbehörden keine Unterstützung. Immer mehr Fahrzeuge mit deutscher Zulassung werden mit technischen Unzulänglichkeiten bis hin zu schweren technischen Mängeln beanstandet und haben damit schon längst manche Osteuropäer hinter sich gelassen.

Fahrzeuge mit derartigen Mängeln gefährden die Verkehrssicherheit (Foto: Thomas Fritz)

Fahrzeuge mit derartigen Mängeln gefährden die Verkehrssicherheit (Fotos: Thomas Fritz)

Fahrzeuge mit derartigen Mängeln gefährden die Verkehrssicherheit (Foto: Thomas Fritz)

Schwere Mängel

Werden bei einer Straßenkontrolle an Fahrzeugen des Schwerverkehrs Mängel festgestellt, die über das normale Maß (Mängelbericht) hinausgehen und eine Gefährdung der Verkehrssicherheit darstellen, wird in der Regel auf Anordnung der zuständigen Behörde ein technischer Sachverständiger hinzugezogen. Dies geschieht, um die Mängel zu bewerten, sie nach Entstehung und Schwere einzustufen und beweiskräftig zu sichern. Ein kurzfristig auftretender Mangel ist dabei anders zu bewerten als ein durch fehlende Wartungs- und Reparaturmaßnahmen entstandener Langzeitmangel.

Vor einiger Zeit wurde unser polizeilicher Kontrolleinsatz von einem Kamerateam des ZDF begleitet. Dabei stoppten wir einen deutschen Reisebus. Nach Feststellung des Totalausfalls der vorderen rechten Bremse gab der Fahrer das lapidare Statement: „Das ist im Unternehmen bekannt und wird auch irgendwann repariert.“ Zeitgleich mit Ausstrahlung des Filmbeitrags überprüfte die Aufsichtsbehörde die Zuverlässigkeit des verantwortlichen Leiters und ergriff weitere Maßnahmen gegen das Busunternehmen.

Fahrzeuge ausländischer Zulassung

Werden technische Mängel an einem Fahrzeug mit ausländischer Zulassung festgestellt und stuft der Sachverständige das Fahrzeug als „verkehrsunsicher“ ein, wird dieses Fahrzeug zwangsweise aus dem Verkehr gezogen und zunächst außerhalb der öffentlichen Verkehrsfläche verwahrt. Verstreicht die für die Mängelbeseitigung gesetzte Frist oder lässt die Firma das Fahrzeug ohne Reparatur aus Deutschland zurück in das Herkunftsland schleppen, werden auf dem formalen Weg über die Zulassungsbehörde und die Botschaft des Landes die jeweils zuständigen Behörden der Herkunftsländer informiert. Die einbehaltenen Fahrzeugdokumente werden zur Einleitung weiterer Maßnahmen übersandt. Unabhängig davon werden gegen den/die kontrollierten Fahrer und auch gegen den verantwortlichen Fahrzeughalter entsprechende Bußgeldverfahren eingeleitet und vorab sogenannte „Kautionen“ erhoben. Mehrere tausend Euro können hier für die Sicherheit des Verfahrensfortgangs und die entstandenen Verfahrenskosten fällig werden. Wenn Sie nun fragen: Wie oft geschieht das wirklich? Dann ist meine Antwort: allein an Kontrolltagen unserer Dienststelle mehrfach täglich!

Auch Ersatzräder werden bei Kontrollen überprüft (Foto: Thomas Fritz)

Auch Ersatzräder werden bei Kontrollen überprüft (Foto: Thomas Fritz)

 

Aktuelles Beispiel

An einem aus Polen kommenden mit Polstermöbeln beladenen Lastzug stellte der Sachverständige eine Vielzahl von technischen Mängeln fest: Bremsscheiben gerissen, massiver Ölverlust aus Motor und Getriebe, Druckluftbehälter korrodiert, Aufhängung der Lkw-Hinterachse ausgeschlagen und einiges mehr. Nachdem der Lastzug aus dem Verkehr gezogen war und das verständigte Unternehmen für den Fahrer und die Halterin einen Kautionsbetrag von insgesamt 6.800 € überwiesen hatte, sollte das Fahrzeug durch ein „mobiles Reparaturteam“ vor Ort repariert werden. Doch dies ist nicht ohne Weiteres möglich, denn eine Reparatur muss nach dem geltenden Stand der Technik und unter Beachtung von Umweltschutz und Arbeitssicherheit erfolgen. Die herbeigeeilten beiden Mechaniker sahen sehr schnell ein, dies alles nicht leisten zu können. Die Ladung wurde daraufhin auf ein Ersatzfahrzeug umgeladen, der Lastzug selbst teilzerlegt und per Tieflader nach Polen zurücktransportiert. Die Dokumente wurden an die polnische Botschaft übersandt. Unterm Strich war nichts eingespart, im Gegenteil, die Kosten explodierten.

Es lohnt sich also, die tägliche Abfahrtkontrolle gewissenhaft durchzuführen und dabei festgestellte Mängel am Fahrzeug sofort zu beheben oder beheben zu lassen. Das erspart Kosten und Verdruss unterwegs.

Thomas Fritz

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Zur Person: Thomas Fritz ist Polizeihauptkommissar bei der Verkehrspolizei Esslingen und seit vielen Jahren als Dozent in der Fortbildung des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V./der FSG/TTVA mbH tätig.

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