Thomas Fritz: Maße und Gewichte im Schwerverkehr (Kontrollpraxis Teil III)

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe September/2018, Seite 590

Nach Paragraf 23 StVO hat der Fahrzeugführer unmittelbare Verantwortung für den Gesamtzustand seines Fahrzeugs. Daraus ergeben sich viele Pflichten: Das Fahrzeug oder der Zug müssen betriebs- und verkehrssicher und die Kennzeichen gut lesbar sein. Gesicht und Gehör des Fahrers dürfen nicht durch Insassen, Tiere, Ladung, Geräte oder durch den Zustand des Fahrzeugs beeinträchtigt sein.

Foto: Daimler AGFoto: Daimler AG

 

Diese für die Fahrzeuglenker wichtigen Pflichten sind streng einzuhalten. Nicht umsonst gehören sie zum Einmaleins der Fahrausbildung. Die tägliche Praxis zeigt uns gelegentlich das Gegenteil von Pflichterfüllung.

Kleine und größere Sünder 

Das fängt im Kleinen an, wenn z.B. der Hobbygärtner im Baumarkt für seinen Schrebergarten Erde, Steine oder Humus holt und die Möglichkeiten seines für 400 kg Gesamtgewicht zugelassenen Anhängers deutlich überschätzt. Das geht weiter mit der urlaubsfrohen Familie, die ohne Rücksicht auf das Gewicht alles in den Wohnwagen packt, was man auf dem Campingplatz am Mittelmeer dringend zu benötigen glaubt. Und es geht hin bis zum Transportunternehmer, der seinen Schüttgut-Lkw täglich um zwei Tonnen Kies überlädt, damit sich das Geschäft besser lohnt. Sie alle verstoßen gegen bestehende Vorschriften und beeinträchtigen damit meist auch die Sicherheit des Straßenverkehrs.

Schuldformen 

Die einen handeln unüberlegt fahrlässig, andere aus knallhartem Kalkül bewusst vorsätzlich. Die Schuldform zu erkennen, verlangt besonders geschulte, in der Verkehrskontrolle erfahrene Beamte. Schuldhaftes Verhalten? Vorsatz? Fahrlässigkeit? Wirtschaftliche Vorteile? Danach bemessen sich meist auch Bußgeld, Nebenfolgen und Nebenstrafen. Den in der Anlage 1 Abschnitt 1 zur Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) erfassten Tatbeständen liegt ausnahmslos die Annahme fahrlässigen Begehens zugrunde. Ist vorsätzliches Handeln erkennbar und nachweisbar, gelten andere Regeln. In vielen Fällen kann die Bußgeldbehörde die Höhe des Bußgeldes und die Nebenfolgen entsprechend der Schwere des Verstoßes innerhalb des gesetzlichen Rahmens nach freiem Ermessen festsetzen. Unabhängig davon ist bei durch Verstöße erzielten wirtschaftlichen Vorteilen immer zu prüfen, ob Gewinnabschöpfung oder weitergehende Maßnahmen zu ergreifen sind. Der Spaß hört für manches Unternehmen sicher auf, wenn behördliche Schreiben ins Haus flattern, die auf Zahlung von 5- oder gar 6-stelligen „Strafsummen“ lauten.

Maße und Gewichte

Bei Kontrollen des Schwerverkehrs stehen die Maße und Gewichte der §§ 22 StVO, 30, 31c und d, 32 sowie 34 StVZO im Fokus. Hier ist die Quote der Auffälligkeiten ziemlich hoch: Überschreitung des Gesamtgewichts, der Achslasten, der Maße. Letztes scheint neuerdings als Kavaliersdelikt zu gelten.

Ein typisches Beispiel ist der aus Unwissenheit (?) von Unternehmern und Fahrern erfüllte Tatbestand „Überbreite“, wodurch aus der Fahrt eines Lastzugs rechtlich die eines Großraumtransports ohne entsprechende Ausnahmegenehmigung wird (§§ 70 StVZO und 29 StVO).

Praktisch – aber unzulässig 

Der Fahrer eines Sattelzuges stellt beim Beladen fest, dass die Länge der Ladefläche seines Aufliegers für das zu ladende Transportgut nicht ausreicht. Kein Problem! Er öffnet die Laderaumtüren, schwenkt sie um 180 Grad nach vorn und befestigt sie seitlich. So kann die Ladung nach hinten hinausragen. Die Anbringung der vorgeschriebenen Sicherungsmittel (§ 22 Abs. 4 StVO) wird meist nicht vergessen. Dagegen scheint den Fahrern oft nicht bewusst zu sein, dass sie infolge der umgeklappten Türflügel nun mit einem unzulässig breiten Fahrzeug unterwegs sind.

Neben der Ahndung der Verstöße gegen die StVO und StVZO handelt sich der verantwortliche Unternehmer bei einer Fahrzeugbreite von mehr als 2,65 m auch noch einen Negativpunkt im aktuellen Risikobewertungssystem nach VO (EU) 2016/403 ein; dieses Regelwerk sieht schon nach wenigen Auffälligkeiten die Prüfung der Zuverlässigkeit vor. Hinzu kommt die Haftung im Schadensfall. Wer einmal dem Zustand der auf den Autobahnen fahrenden Lkw etwas Aufmerksamkeit schenkt, wird erkennen, dass die unzulässige Verbreiterung kein Einzelfall ist. Zum fälligen Bußgeld und negativen Unternehmerpunkten kommt die Untersagung der Weiterfahrt hinzu. Türen abbauen oder Ladung umladen sind die Folgen; daraus können sich für den Transportunternehmer Konventionalstrafen wegen verspäteter Lieferung ergeben.

Offene Laderaumtüren erweitern zwar den Platz nach hinten, machen den Lkw aber auch breiter als zugelassen (Foto: Thomas Fritz)
Offene Laderaumtüren erweitern zwar den Platz nach hinten, machen den Lkw aber auch breiter als zugelassen
(Foto: Thomas Fritz)

 

Der verlängerte Bus 

Ein ähnliches Problem gibt es beim Reisebus. Nach § 32 Absatz 3 StVZO beträgt die zulässige Gesamtlänge dieser Fahrzeuge in der 2-achsigen Ausführung 13,50 m, in der mehr als 2-achsigen Ausführung 15,00 m; diese Maße dürfen auch durch vorübergehenden oder andauernden Anbau von zulässigem Zubehör nicht überschritten werden. Oft sieht man Reisbusse mit „angehängtem“ Fahrradheckträger. Ist der als Ladung zu werten oder als Ladungsträger und damit als Zubehörteil?

Wie bei einem Lkw mit Schuttmulde ist ein solcher Anbau an manchen Fahrzeugtypen nicht zulässig: § 32 Absatz 8 StVZO lässt keine Toleranzen zu! Bleibt ein Bus trotz montiertem Heckträger innerhalb der zulässigen Gesamtlänge, ergibt sich oft ein anderes Problem: Fahrräder, die mit für große Leute hohem Sattel und Lenker am Heckträger eingehängt sind, ragen im Zweifel mehr als 1 m über die Rückstrahler hinaus und müssen nach § 22 Abs. 4 StVO kenntlich gemacht werden. Welcher Busfahrer denkt schon daran? Und wenn, montiert er Sattel und Lenker des Fahrrades um?

Reisebusse haben eine zulässige Gesamtlänge, die auch durch Anbau von zulässigem Zubehör nicht überschritten werden darf (Foto: Thomas Fritz)

Reisebusse haben eine zulässige Gesamtlänge, die auch durch Anbau von zulässigem Zubehör nicht überschritten werden darf
(Foto: Thomas Fritz)

 

Schwertransporte 

Gewichte spielen gerade auch bei Schwertransportfahrzeugen eine große Rolle. Mancher Transportunternehmer jongliert mit der Annahme, die begleitende Polizeistreife könne die tatsächliche Tonnage bei Abnahme und Begleitung sowieso nicht prüfen. Kontrollergebnisse der Praxis zeigen auch hier eine enorm hohe Trefferquote. Gehen die Tonnagewerte eines Schwertransports über bestimmte Grenzen hinaus,

  • sind besondere Genehmigungsverfahren erforderlich,
  • verteuern sie das Antragsverfahren,
  • sind oft kostspielige Umwege einzuhalten,
  • erhöht sich das Versicherungsrisiko und somit die Prämie und
  • sind technisch besser ausgestatte Fahrzeuge nötig.

Bewusstes papiermäßiges Reduzieren der Werte ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer, bei dem sich schon mancher Unternehmer die Finger verbrannt hat. Wird von einem schon einmal Ertappten für einen weiteren Schwertransport polizeiliche Begleitung angefordert, steht die mobile Waage sicherlich schon bereit.

Spezialisten

Doch die höchste Quote von Verstößen gegen Maßvorschriften registriert der kontrollierende Schwerverkehrsspezialist bei Autotransportern und Containerfahrzeugen mit Überseecontainern. Hier kommt ein durch die Eichbehörde zertifiziertes Höhenmessgerät zum Einsatz. Und so stellen sich die hauptsächlichen Verstöße dar: Der Fahrer des 8ter-Zuges hat

  • die Fahrzeuge in falscher Folge geladen,
  • das obere Ladeplateau nicht nach unten gesenkt,
  • nach dem vorgegebenen Auftrag einen Pkw zu viel geladen.

Daraus ergeben sich immer wieder eigentlich leicht vermeidbare Bußgeldverfahren. Die Verantwortung dafür endet nicht immer beim Fahrer, sondern wird zunehmend ausgedehnt auf Unternehmer, Verkehrsleiter, Verlader etc. Da auch hier bezüglich der Höhe keine Toleranz zulässig ist, wird die Weiterfahrt untersagt und der Fahrer ist in der Pflicht, entweder „umzubauen“ oder einen Teil der Fracht abzuladen. Zeitverzögerungen und Mehrkosten sind die Folge, die sich der Unternehmer bei gewissenhafter Planung und kompetenter Schulung des Fahrpersonals hätte ersparen können.

Beim Transport von High-Cube-Containern mit der falschen Fahrzeugeinheit entsteht eine unzulässige Überhöhe (Foto: Thomas Fritz)
Beim Transport von High-Cube-Containern mit der falschen Fahrzeugeinheit entsteht eine unzulässige Überhöhe
(Fotos: Thomas Fritz)

 

Wenden und Flüchten

Im Containerbereich ist es ähnlich. Die Anschaffung von Tiefbett-Aufliegern oder Sattelzugmaschinen mit abgesenkter Höhe der Sattelplatte ist teurer als die serienmäßige Fahrzeugeinheit, mit der die meisten Container problemlos befördert werden können. Immer wieder werden sogenannte High-Cube-Container verladen, erkennbar an der gelb-schwarzen Eckmarkierung. Sie haben eine Höhenabmessung von 2.896 mm. Der „normale“ Container in 20ft- oder 40ft-Ausführung (ft = foot = Fuß) hat nur 2.591 mm und ist damit rund 30 cm niedriger. Werden diese überhohen Container auf den Ladungsträger der „falschen“ Fahrzeugeinheit verladen, entstehen unzulässige Überhöhen, denen mit gleicher Konsequenz wie bei den Autotransportern zu begegnen ist. Doch Umladen ist hier schwierig, meist bleibt nur der Weg, eine kurzfristige Einzelausnahmegenehmigung bei der zuständigen Behörde zu beantragen. Kurios ist, dass man bei Kontrollen in der Nähe von Verladebahnhöfen oft das Wenden und „Flüchten“ von Lastzügen beobachten kann. Ja, man weiß es, aber probiert es trotzdem. Doch auch die geschicktesten Wender geraten früher oder später ins Netz der Kontrolleure.

Die Bestimmungen über Abmessungen und Gewichte der Fahrzeuge muss jeder Fahrer kennen. Er muss wissen, dass er auch in dieser Hinsicht für die gesetzeskonforme Nutzung seines Fahrzeugs verantwortlich ist. Bei Schulungen nach dem BKrFQG gibt es genügend Verknüpfungen zum Thema Maße und Gewichte.

Damit kann man, namentlich auch mit Beispielen aus der Praxis, den Seminartag interessant gestalten und zugleich das Bewusstsein und die Sensibilität der Teilnehmer für diese sicherheitsrelevanten Regelungen fördern. Einschlägige Bilder, aufgenommen in der jeweiligen Region, erhöhen erfahrungsgemäß die Aufmerksamkeit.

 

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Zur Person: Thomas Fritz ist Polizeihauptkommissar bei der Verkehrspolizei Esslingen und seit vielen Jahren als Dozent in der Fortbildung des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V./der FSG/TTVA mbH tätig.

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