Kolumne Gebhard L. Heiler: Laufzettel statt Prüfungszeugnis

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Dezember/2019, Seite 722

Nach 20 erfolgreichen Jahren als Fahrlehrer musste Wolfgang K. im Jahr 1982 den Beruf aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Sein Rückenleiden ließ stundenlanges Sitzen im Auto nicht mehr zu. Wolfgang war berufsunfähig, aber nicht erwerbsunfähig. Der 47-jährige Familienvater suchte auf dem seinerzeit nicht besonders freundlichen Arbeitsmarkt eine seinen Befähigungen und beruflichen Erfahrungen entsprechende Tätigkeit. Als er sich bei einer Behörde um eine Stelle bewarb, konnte er das Abgangszeugnis der Mittelschule, Prüfungszeugnis und Lehrbrief seines Erstberufs beifügen. Die Behörde schrieb ihm, für die abschließende Bearbeitung seiner Bewerbung fehle noch das Examenszeugnis über seine im Jahr 1961 abgelegte Fahrlehrerprüfung. Das beizubringen war ihm nicht möglich, weil ihm ein solches Zeugnis nicht ausgehändigt worden war. Als Wolfgang in Sorge war, deshalb die Stelle nicht zu bekommen, wandte er sich um Hilfe an seinen Fahrlehrerverband. Dieser bescheinigte ihm, dass die Fahrlehrerverordnung vom 23. Juli 1957 für Absolventen der Fahrlehrerprüfung ein Prüfungszeugnis nicht vorsah und deshalb solche auch nicht erteilt wurden. Vielmehr habe der Prüfungsausschuss die Betroffenen nach Abschluss der Prüfung mit Bestanden oder Nichtbestanden und einem entsprechenden Laufzettel für die Erlaubnisbehörde beschieden. Noten über ihre Leistungen in den einzelnen Fächern erhielten die Geprüften nicht, jedenfalls nicht in Schriftform.

Im Gegensatz zu damals ist die Ausbildung zum Fahrlehrer seit 1976 gesetzlich vorgeschrieben. Die auf dem neuen Fahrlehrergesetz vom 30. Juni 2017 fußende Fahrlehrer-Ausbildungsverordnung enthält gegenüber der vorherigen einige Verbesserungen. Hingegen weist die Fahrlehrer-Prüfungsverordnung (FahrlPrüfVO) vom 02.01.2018 im Verhältnis zur ‚Prüfungsordnung für Fahrlehrer von 2012‘ keine substanziellen Veränderungen auf. Paragraf 19 regelt die Bewertung der Leistungen in den einzelnen Prüfungen und Lehrproben nach Schulnoten. Gemäß § 21 muss dem Bewerber nach jeder einzelnen Prüfung oder Lehrprobe die Bewertung bekannt gegeben werden. Nach erfolgreichem Abschluss des letzten Prüfungsteils, der Lehrprobe, erhält der Absolvent eine schriftliche Bestätigung der prüfenden Stelle, die Fahrlehrerprüfung i. S. des § 2 Absatz 1 Nr. 9 i. V. m. § 8 FahrlG bestanden zu haben. Doch ein die Leistung in den einzelnen Fächern zusammenfassendes amtliches Prüfungszeugnis sieht weder das neue Fahrlehrergesetz noch die erst kürzlich marginal geänderte FahrlPrüfVO vor. In diesem Punkt hat sich seit 1961 nichts geändert.

Das ist ein schwerer Mangel, den sich Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer nicht länger gefallen lassen sollten. Die Fahrlehrerprüfung ist eine staatliche Prüfung, zu der nur zugelassen wird, wer die staatlich verordnete Fahrlehrerausbildung durchlaufen hat. Diese ist in mehrfacher Hinsicht anspruchsvoll: Für die Grundfahrlehrerlaubnis Klasse BE beträgt die Ausbildungsdauer mindestens 12 Monate, oft aber auch etwas mehr. Der an der Ausbildungsstätte zu bewältigende Stoff ist komplex und umfangreich. Zusammen mit Verzicht auf Einkommen, hohen Ausbildungskosten, verminderter Kontakte mit Familie und Freunden, ist dieses Ausbildungsjahr wahrhaftig kein Zuckerschlecken. Wer diesen nicht ganz leichten Weg erfolgreich gegangen ist, hat Anrecht auf ein ansprechendes staatliches Schlussdokument, aus dem die Bewertung in den einzelnen Fächern und der Leistungsdurchschnitt hervorgehen.

Ich kenne außer der Fahrlehrerausbildung keinen anderen staatlich verordneten Ausbildungsgang mit abschließender Prüfung, für den nach erfolgreichem Abschluss kein Prüfungszeugnis erteilt wird.

Mit Blick auf die Zukunft – Stichwort autonomes Fahren – werden manche Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer sich beruflich neu orientieren müssen. Gerade dann ist es wichtig, ein Prüfungszeugnis vorlegen zu können, das neben der Gesamtbewertung auch die Leistung in den einzelnen Disziplinen wiedergibt.

Der Fahrlehrerverband Baden-Württemberg e. V. bekennt sich in seiner Satzung zur Förderung des Berufsbildes und einer pädagogisch fundierten Ausbildung des Fahrlehrernachwuchses. Es ist anzunehmen, dass auch in den Satzungen der anderen Landesverbände ähnliche den beruflichen Nachwuchs betreffende Passagen zu finden sind. Daraus ergibt sich die Verpflichtung, den Interessenten am Fahrlehrerberuf den Weg zu weisen, besonders aber denjenigen beizustehen, die ihre Fahrlehrerprüfung geschafft haben. Ich meine, die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e. V. ist aufgerufen, das amtliche Prüfungszeugnis für Absolventen der Fahrlehrerprüfung in das Portfolio ihrer Forderungen aufzunehmen und die Durchsetzung mit Verve zu betreiben.

Gebhard L. Heiler