Arbeitszeiten - Lenkzeiten: Täglich im Clinch: Praxis und Regelungen

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Februar/2019, Seite 90

Im Güterverkehr und bei der Personenbeförderung beanspruchen neben den täglichen Lenkzeiten die anfallenden Arbeitszeiten oft einen nicht unerheblichen Teil des Tages. Die Regelungen hierzu stehen im Detail fest, werden aber in der Praxis oft sehr großzügig ausgelegt oder aus Unwissenheit nicht richtig befolgt.

Arbeitszeitgesetz

Für die Weiterbildung nach dem BKrFQG sind diese Vorschriften in der Agenda des Kenntnisbereichs 2.1 verankert; die Ausbilder sind verpflichtet, diese den Teilnehmern zu vermitteln. Auffallend ist dabei, dass Schulungsmedien einschlägige Bereiche des Arbeitszeitgesetzes nur sehr knapp behandeln und auf wesentliche Fragen kaum eingehen. Deshalb sind Sie als Aus- und Weiterbilder umso mehr gefordert, dieses Thema aufzugreifen und den Teilnehmern verständlich darzustellen.

Bei Verkehrskontrollen im Schwerverkehr fällt immer wieder auf, dass manche Fahrer die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG), insbesondere in Kombination mit den Lenk- und Ruhezeitbestimmungen nach der VO (EG) 561/2006, nicht kennen. Einige lassen sich von den manchmal kritischen und teilweise auch unzulässigen Dispositionsvorgaben verführen und ausnutzen. Die Zahl der Fahrer, die sich dazu outen und Gehör suchen, nimmt erfreulicherweise zu.

Barbarische Arbeitstage

Auf der letzten Verkehrsministerkonferenz der EU wurden diesbezüglich klare Worte gesprochen und die sozialen Bedürfnisse des Fahrpersonals in den Vordergrund gestellt. Es darf und kann nicht sein, dass der Arbeitstag eines Fahrers innerhalb einer Arbeitsschicht so aussieht:

  • Lastzug 2 Stunden selbst beladen,
  • anschließend 10 Stunden lenken,
  • unterwegs 30 Minuten Tankstopp,
  • eine Zollabfertigung durchlaufen und
  • danach beim Kunden selbst 2 Stunden abladen.

Das liest sich wie Sklaverei, ist aber in manchen Firmen noch gang und gäbe. Solche Fahrer sind überlastet, demotiviert, leiden unter Übermüdung und erhöhen für sich und andere das Unfallrisiko. Aus Angst vor dem Arbeitsplatzverlust und manchmal auch, weil sie nicht als schwach angeprangert werden wollen, schweigen sie.

Der Fahrer im abhängigen Arbeitsverhältnis ist nach dem ArbZG die schützenswerte Person. Der für das Personal verantwortliche Entscheidungsträger des Unternehmens ist der Adressat für die Ahndung von vorsätzlich oder fahrlässig begangenen Verstößen gegen das ArbZG. Vielen Fahrern ist nicht bewusst, dass sie bei Überschreitung der täglichen Arbeitszeit kein Bußgeld erwartet, wenn die Lenkzeiten, die Fahrtunterbrechungen und die tägliche „Schichtzeit“ korrekt eingehalten werden und so auch dokumentiert sind. Bußgeldrelevant wird es nur für den Unternehmer; in vorsätzlich begangenen Fällen, verbunden mit Beharrlichkeit oder Gesundheitsgefährdung, kann es sich um eine Straftat nach § 23 ArbZG handeln.

Andere Arbeiten

Basierend auf der europäischen Arbeitszeitrichtlinie 2002/15/EG sind alle „anderen Arbeiten“, ausgeführt für denselben oder für einen anderen Arbeitgeber, gleichgültig, ob innerhalb oder außerhalb des Verkehrssektors, zu erfassen und in die Berechnung der Gesamtarbeitszeit einzubeziehen. Das freilich bringt für „Doppelbeschäftigte“ manche oft nicht bedachte Probleme mit sich; zum Beispiel für den Lkw-Fahrer, der am Wochenende nebentätig Taxi fährt, oder für den „Wochenend-Busfahrer“, der von Montag bis Freitag seiner Haupttätigkeit als Automechaniker nachgeht.

Sowohl die VO (EG) 561/2006, die VO (EU) 165/2014 als auch die nationale Fahrpersonalverordnung schreiben die lückenlose Dokumentation solcher Zeiten vor Fahrtbeginn, rückwirkend für die vorausgegangenen 28 Kalendertage und vor Beginn des aktuellen Fahrtages, vor. Auch das ist in der Praxis nach wie vor ein Problem, wodurch der Fahrer im Einzelfall mit einer horrenden Bußgeldsumme konfrontiert wird, wenn die Nachweise nicht vollständig sind oder nicht der Realität entsprechen.

Selbstständige Kraftfahrer

Neben dem ArbZG gibt es in Deutschland seit dem 11. Juli 2012 für den selbstfahrenden Unternehmer noch das „Gesetz zur Regelung der Arbeitszeit von selbstständigen Kraftfahrern“ (KrFArbZG). Da die Personengruppe der Selbstständigen vom Arbeitszeitgesetz nicht erfasst wird, wurde zur Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr das KrFArbZG geschaffen, das sich eng an das ArbZG anlehnt. Arbeitszeitliche Regelungen sind somit für beide, abhängige und selbstständige Kraftfahrer, vorhanden. Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf nach § 3 ArbZG 8 Stunden nicht überschreiten. Sie kann nur dann auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Nach § 5 ArbZG müssen die Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitsschicht eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden einlegen. So viel zum Grundsatz.

Klarer Geltungsbereich

Mit Einbringung des § 21a ArbZG hat man für das Fahrpersonal bei „Beschäftigung im Straßentransport“ eine Sonderregelung geschaffen, um Kompatibilität zwischen den von der EU vorgegebenen Lenk- und Ruhezeitregelungen und dem nationalen ArbZG herzustellen. Diese Bestimmung muss jeder Fahrer kennen, deshalb ist der § 21a Arb-ZG eigentlich „Pflichtprogramm“ in jeder Weiterbildung nach Kenntnisbereich 2.1. Der mit 8 Absätzen gestaltete Gesetzestext stellt in Absatz 1 eindeutig klar, dass sämtliche Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes auch für das Fahrpersonal gelten. Damit ist die tägliche Arbeitszeithöchstgrenze von ausnahmsweise 10 Stunden Fakt. Benötigt ein Fahrer für die morgendliche Abfahrtkontrolle und den eigenständigen Beladevorgang 2 Stunden, tankt er unterwegs mit einem Zeitfenster von 30 Minuten und lädt er dann noch beim Kunden 2 Stunden lang selbstständig ab, hat er in dieser Arbeitsschicht als maximale Lenkzeit noch 5 Stunden und 30 Minuten übrig. Ob das allen Beteiligten bewusst ist? Hinzu kommt letztlich der zu beachtende Ausgleich für die 2 Stunden erweiterte Tagesarbeitszeit von durchschnittlich 8 auf jetzt 10 Stunden.

„Konkurrenz“

Die §§ 3 und 21a Arb-ZG liegen insofern in „Konkurrenz“, als bei der Durchschnittsberechnung der täglichen Arbeitszeit von 8 Stunden und der wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden (§ 21a ArbZG) für das Fahrpersonal einen engeren Maßstab anlegt als § 3 ArbZG für alle anderen abhängig Beschäftigten. Während nach § 21a ArbZG die Pflicht zur Einhaltung schon nach 4 Monaten oder 16 Kalenderwochen greift, beträgt der Berechnungszeitraum nach § 3 ArbZG 6 Monate oder 24 Wochen. Dieser Unterschied bringt teilweise bei Straßenkontrollen, aber vor allem bei tiefgreifenden Betriebskontrollen nicht selten Verstöße zutage. Um ein Unterlaufen der Vorschriften zu erschweren, verlangt Absatz 8 des § 21a ArbZG Folgendes:

„Zur Berechnung der Arbeitszeit fordert der Arbeitgeber den Arbeitnehmer schriftlich auf, ihm eine Aufstellung der bei einem anderen Arbeitgeber geleisteten Arbeitszeit vorzulegen. Der Arbeitnehmer legt diese Angaben schriftlich vor.”

Bei einem vor Jahren anhängigen Ermittlungsverfahren fuhr ein „Ersatz-Busfahrer“ nach seiner täglichen Arbeitsschicht in einem produzierenden Unternehmen der Automobilbranche Bustransfers zu den Flughäfen Frankfurt und München. Damit verlängerten sich die täglichen Arbeitszeiten auf teilweise bis zu 14 Stunden, zugleich reduzierten sich die täglichen Ruhezeiten auf teilweise nur noch 6 Stunden. Es waren insgesamt zwar nur wenige Fahrten, die aber reichten aus, den beiden Arbeitgebern gemäß ArbZG einen saftigen Bußgeldbescheid zu verpassen. Der Hauptarbeitgeber reagierte zudem mit fristloser Kündigung, zumal er von der Nebentätigkeit seines Mitarbeiters nichts gewusst hatte. Der Fahrer selbst und das Busunternehmen waren zusätzlich noch in die Mühle der Sozialvorschriften nach dem EU-Recht geraten.

Mit zwei weiteren Unterabschnitten passt § 21a ArbZG die Ruhezeitreduziermöglichkeit für das Fahrpersonal auf 9 Stunden den EU-Sozialvorschriften an, wenn bestimmte Bedingungen eingehalten werden. Weiterhin eröffnet die Bestimmung eine abweichende Betrachtung der „Bereitschaftszeit“ in einzelnen Fällen.

In der Rechtsprechung und auch in den einschlägigen Kommentierungen gab es vor Einführung von § 21a ArbZG sehr konträr laufende Meinungen. In jüngster Zeit ist man mehr auf eine kombinierte Betrachtung von EU-Recht und ArbZG fokussiert. Das Verwaltungsgericht Hamburg zum Beispiel spricht in der Begründung zu seinem Urteil vom 12.03.2015 (Az. 17 K 3507/14) klare Worte und stellt fest:

Kraftfahrer sind Arbeitnehmer im Sinne des § 2 Absatz 2 ArbZG, für die die gesamten Bestimmungen gelten.

Quintessenz für die Kontrollbehörden

Werktägliche und im Durchschnitt errechnete Arbeitszeiten über 10 Stunden, wöchentliche Arbeitszeiten über 60 Stunden und nicht eingehaltene Ruhezeiten nach dem Arbeitszeitgesetz werden konsequent verfolgt, gegebenenfalls wird die Weiterfahrt untersagt. Das sollte jedem Fahrer und jedem Unternehmer bewusst sein.

Thomas Fritz