EDITORIAL: Mit Klasse B Motorrad fahren?

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juli/2019, Seite 397

Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V.Liebe Leserinnen und Leser,

Erwerb oder Erweiterung einer Fahrerlaubnis ohne Prüfung? Ja, das gibt es schon. Dazu fällt mir die Fahrberechtigung für Einsatzkräfte (sog. Feuerwehrführerschein) oder die Klasse B mit der Schlüsselzahl 96 (B96) ein. In beiden Fällen genügt die Schulung in einer Fahrschule. Die deutschen Fahrschulen halten sich dabei an die gesetzlichen Regelungen und rechtfertigen damit das vom Gesetzgeber in sie gesetzte Vertrauen.

Nun plant Bundesverkehrsminister Scheuer erneut eine ähnliche Regelung: Wer mindestens 25 Jahre alt und seit mindestens 5 Jahren im Besitz der Fahrerlaubnis Klasse B ist, soll nach einer theoretischen und praktischen Schulung in einer Fahrschule im Inland Leichtkrafträder der Klasse A1 mit Verbrennungs- oder Elektromotor (Nennleistung 11 kW, max. 0,1 kW/kg) führen dürfen. Die Berechtigung soll durch Eintrag der Schlüsselzahl B195 im Führerschein nachgewiesen werden. Scheuer kann sicher sein, dass die entsprechende Bescheinigung nur ausgestellt wird, wenn die Fahrlehrer/-innen ihre Schützlinge guten Gewissens auf die Straße entlassen können. Mindestens 5-jährige Erfahrung als Autofahrer plus eingehende Schulung berechtigen zu der Annahme: Diese neue Gruppe der Leichtkraftradfahrer wird die Unfallzahlen nicht in die Höhe treiben.

Der vorliegende Entwurf enthält keinen Hinweis darauf, ob eine mit Schlüsselzahl 195 auf das Führen von Leichtkrafträdern ausgedehnte Fahrerlaubnis Klasse B auch zum begünstigten Stufenaufstieg nach Klasse A2 oder A berechtigt.

Zu fragen ist auch, ob die in Rede stehenden 90 Minuten klassenspezifischen Theorieunterrichts ausreichen. Das jedenfalls bedarf dringend weiterer Diskussion, denn wichtige Themen wie Gefahrenlehre, Fahrphysik und Schutzkleidung dürfen nicht zu kurz kommen. Auch sollten die im Entwurf vorgesehenen 4 x 90 Minuten praktischer Schulung um mindestens eine obligatorische Doppelstunde auf der Landstraße ergänzt werden – denn genau dort ist gekonntes Motorradfahren besonders wichtig.

Und ein Letztes: In die geplante Änderungsverordnung würde es gut passen, endlich von Klasse B zu Klasse AM eine klare Linie der Abgrenzung zu ziehen. Eine ähnliche obligatorische Schulung würde das ungeübte und deshalb oft gefährliche Umsteigen aufs Moped unterbinden.

Es grüßt Sie sehr herzlich
Ihr
Jochen Klima

Foto: Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V.