Adieu bundeseinheitliches Verkehrsrecht: Kommt AM15 als Optionslösung? Bremst Baden-Württemberg erneut?

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juli/2019, Seite 404

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Das Bundesverkehrsministerium (BMVI) hat angekündigt, die Einführung von AM15 noch im Laufe dieses Jahres den einzelnen Bundesländern im Rahmen einer Optionslösung zu überlassen. Diese Vorgehensweise könnte allerdings innerhalb der Bundesrepublik zu einem schwer überschaubaren Flickenteppich von Ländern mit und ohne AM15 führen.

Modellversuche

Die Dritte Verordnung über Ausnahmen von den Vorschriften der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 22. April 2013 ermächtigte die Länder Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt AM15 im Rahmen eines bis 2020 laufenden zu evaluierenden Modellversuchs zu erproben. Ab 2017 wurde der Versuch auf die Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ausgeweitet.

Antrag der FDP im Bundestag

Dass – Berlin ausgenommen – im Osten der Republik bereits 15-Jährige den Mopedführerschein erwerben dürfen, hat verständlicherweise auch bei Jugendlichen und Eltern der anderen Bundesländer den Wunsch nach Herabsetzung des Mindestalters geweckt und einen gewissen politischen Druck ausgelöst. Dies führte dazu, dass die FDP im September 2018 im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestags einen Antrag auf sofortige bundesweite Einführung vom AM15 einbrachte. Dieser wurde allerdings mit den Stimmen der „GroKo“ abgelehnt. Die FDP schrieb dazu in einer Pressemitteilung am 26. September 2018:

„Der seit 2013 in Ostdeutschland laufende Modellversuch „Mopedführerschein mit 15“ ist ein Erfolg. Der Führerschein schafft mehr Mobilität für Jugendliche und ermöglicht ihnen damit eine bessere Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben. Darüber hinaus leistet er einen Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit. Die positiven Erfahrungen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sprechen für sich. Die Möglichkeit des früheren Führerscheinerwerbs wird dort rege wahrgenommen. Es liegen zudem keine Kenntnisse vor, dass es einen signifikanten Anstieg der Unfallzahlen gegeben hat. Im Gegenteil: Die Erfolgsquote bei den theoretischen und praktischen Prüfungen liegen in der Führerscheinklasse AM15 sogar deutlich höher als bei anderen Führerscheinen. Durch die Ablehnung des Antrages verweigern CDU/CSU und SPD tausenden Jugendlichen in Deutschland ein Stück gelebte Freiheit.“

Umdenken im BMVI

Der entstandene politische Druck hat offenbar im BMVI zum Umdenken geführt. Das Thema AM15 wurde immerhin auf die Tagesordnung der Verkehrsministerkonferenz der Länder gesetzt. Da sich dort – ebenso wie im Bundestag – keine Mehrheit für die bundesweite Einführung fand, hat man sich zur eingangs erwähnten Optionslösung durchgerungen.

Kleinstaatlicher Flickenteppich

Man will es also den einzelnen Landesregierungen überlassen, AM15 zu übernehmen. Pikant ist dabei, dass die Fahrberechtigung immer nur in den Bundesländern gelten soll, die AM15 einführen. Damit entstünde in der Bundesrepublik ein Flickenteppich der räumlichen Gültigkeit dieser Fahrerlaubnis. Würde beispielsweise Bayern AM15 einführen, Baden-Württemberg aber nicht, müsste ein bayerischer AM15-Inhaber auf der Donaubrücke zwischen Neu-Ulm und Ulm umkehren, weil er bei Weiterfahrt die Straftat Fahren ohne Fahrerlaubnis beginge. Kleinstaatlicher geht es kaum noch.

Ablehnende Haltung in Baden-Württemberg

Dem Vernehmen nach steht die Landesregierung der Einführung von AM15 sehr ablehnend gegenüber. Es wird u.a. die fadenscheinige Behauptung aufgestellt, mit AM15 werde eine Schwächung des öffentlichen Nahverkehrs einhergehen. Das weckt böse Erinnerungen an die Einführung des begleiteten Fahrens mit 17 Jahren (BF17) zum 1. Januar 2008. Baden-Württemberg war damals Schlusslicht und hat BF17 erst nach langem Zaudern der Politik als letztes Bundesland eingeführt.

Wir brauchen Unterstützung

Die Modelle in den östlichen Bundesländern haben ausreichend belegt, dass AM15 dank guter Schulung der jungen Menschen nicht zu einer speziellen Erhöhung der Unfallgefahr führt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

hier braucht Ihr Verband Ihre Unterstützung. Gehen Sie auf Ihre Landtagsabgeordneten zu und bitten sie, ihren Einfluss pro AM15 geltend zu machen. Denn es kann meines Erachtens nicht angehen, dass unser Land allmählich preisverdächtig für das Ausbremsen vernünftiger Verkehrskonzepte wird.

Jochen Klima