EDITORIAL: Punktsystem: Gute Vorschläge aus Goslar

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe März/2019, Seite 113

Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V.Liebe Leserinnen und Leser,

vor knapp vier Jahren, am 1. Mai 2015, trat das neue Flensburger Punktsystem in Kraft. Das war für das BMVI Anlass, für den diesjährigen Verkehrsgerichtstag in Goslar einen Arbeitskreis „Punktereform auf dem Prüfstand“ anzuregen.

Rückblende   Aus dem damaligen Verkehrszentralregister (VZR) wurde das neue Fahreignungsregister (FAER). Außerdem löste das neu entwickelte von Fahrlehrern und Verkehrspsychologen durchzuführende Fahreignungsseminar (FES) das Aufbauseminar für punkteauffällige Kraftfahrer (ASP) ab. Die Beibehaltung eines Seminars zur Reduzierung des Punktestandes war seinerzeit heftig umstritten. Der Grund dafür war, dass mangels Evaluation des ASP dessen positive Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit nicht objektiv und belastbar nachgewiesen werden konnten. Deshalb hielt sich der Gesetzgeber ein Hintertürchen offen: In § 65 Absatz 4 StVG steht, dass die Teilnahme an einem FES zunächst nur bis 30. April 2020 zu einem Punkterabatt führen kann. Erst nach Auswertung der – diesmal durchzuführenden – Evaluation wird entschieden, ob die Punktetilgung qua Seminar erhalten bleibt.

Verkehrsgerichtstag 2019   Die Teilnehmer des Arbeitskreises I, darunter Richter, Verkehrsrechtsanwälte, Polizeibeamte, Verkehrspsychologen und Fahrlehrer stellten dem neuen Punktsystem unisono ein sehr gutes Zeugnis aus: Es sei einfach, transparent und verständlich. Gut sei auch die deutliche Verschärfung der Sanktionen für sicherheitsrelevante und die mildere Ahndung von weniger schwerwiegenden Verstößen. Allerdings sei das Tattagprinzip schwer nachvollziehbar. Es ist für den Bürger kaum verständlich, wenn ein durch freiwillige Teilnahme am FES bereits gewährter Punkterabatt nachträglich wegen eines erst nach dem Seminar rechtskräftig gewordenen, aber bereits vor dem Seminar begangenen Verstoßes hinfällig werde.

Auch das FES selbst wurde sehr positiv bewertet. Infolge noch laufender Übergangsfristen sei für die Gesamtheit der Punkteauffälligen statistisch noch keine konkrete Verhaltensverbesserung nachweisbar. Dennoch habe sich das Seminar grundsätzlich bewährt. Es reduziere Wissenslücken und ziele auf die Verbesserung der Grundeinstellung der Teilnehmer.

Resolution des AK I   Die Teilnehmer des AK I verständigten sich darauf, dem Gesetzgeber zu empfehlen, Punkteabbau durch FES-Teilnahme auch über den 30. April 2020 hinaus zu ermöglichen. Vorgeschlagen wird weiter, das Punktsystem zu modifizieren und die freiwillige Teilnahme am FES zu fördern. Wer frühzeitig bei maximal 5 Punkten teilnimmt, sollte mit 2 Punkten Rabatt belohnt werden. Einen Punkt Nachlass oder alternativ eine verpflichtende FES-Teilnahme wünscht sich der AK I für Fahrer mit 6 oder 7 Punkten auf dem Konto.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Empfehlungen aus Goslar sind erfreulich. Abzuwarten bleibt aber, ob der Gesetzgeber sie aufgreifen wird.

In diesem Sinne grüße ich Sie sehr herzlich
Ihr
Jochen Klima

Foto: Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V.