Krankheit im Antrag verschwiegen: Epileptiker verursacht tödlichen Unfall

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Februar/2020, Seite 90

Ein 32-Jähriger hatte seine Krankheit im Führerscheinantrag verschwiegen. Beim Fahren erlitt er einen Krampf mit tödlicher Folge für eine Fußgängerin. Das Amtsgericht Würzburg verurteilte ihn zu drei Jahren Freiheitsstrafe.

Der 32-Jährige hatte am Dreikönigstag 2018 auf einem Feldweg bei Würzburg infolge eines Krampfes die Kontrolle über sein Auto verloren. Er fuhr mit Tempo 120 statt mit erlaubten 30 Kilometern pro Stunde und stieß dabei frontal mit einer 26-jährigen Spaziergängerin zusammen. Die Frau starb noch am Unfallort. Der Unfallfahrer hatte erst ein knappes Jahr vor dem Unfall seinen Führerschein zurückerhalten, der ihm wegen einer Alkoholfahrt entzogen worden war. Im Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis verschwieg der Verurteilte seine Epilepsie, die seit 2009 diagnostiziert war. Die Mediziner hatten ihm vom Autofahren abgeraten. Das Amtsgericht Würzburg verurteilte ihn am 18.11.2019 wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs sowie fahrlässiger Tötung zu drei Jahren Haft. Außerdem erhielt der Mann lebenslanges Fahrverbot.

Chronische Erkrankung

Das Besondere bei Epilepsie ist das plötzliche Auftreten von Anfällen. Diese führen häufig zu erheblicher Beeinträchtigung oder zu vollständigem Verlust des Bewusstseins. Selbst kleine (einfach-fokale) Anfälle, bei denen es nicht zum Verlust des Bewusstseins kommt, können die Fahrtauglichkeit beeinträchtigen. So können sie beispielsweise zu Störungen im Gesichtsfeld, des Hörvermögens oder der Beweglichkeit (z. B. durch Verkrampfungen) führen. Oft kommt es bei Verkehrsunfällen zu schweren Verletzungen, zum Teil mit Dauerfolgen oder – wie im Würzburger Fall – zum Tod.

Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung

Nach § 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) ist zum Führen eines Kraftfahrzeuges geeignet, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt. Beurteilungsmaßstab dafür sind bei Menschen mit einer chronischen Erkrankung/Behinderung – wie z. B. einer Epilepsie – die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung. Diese sind auf der Internetseite der Bundesanstalt für Straßenwesen www.bast.de als Download verfügbar. Die Berücksichtigung dieser Leitlinien ist bei der Beurteilung der Kraftfahreignung verbindlich (Anlage 4a FeV).

Epileptiker dürfen nur ausnahmsweise Kraftfahrzeuge führen

Grundsätzlich ist in den Begutachtungsleitlinien festgestellt, dass an epileptischen Anfällen Leidende nicht in der Lage sind, die Anforderungen an das Führen von Kraftfahrzeugen zu erfüllen; jedenfalls nicht, solange ein wesentliches Risiko für wiederholte Anfälle besteht. Unter bestimmten Bedingungen kann Fahrtauglichkeit dennoch gegeben sein. Ob Fahrtauglichkeit besteht oder nicht, ist mit dem behandelnden Neurologen/Nervenarzt zu besprechen. Dieser wiederum ist verpflichtet, seine Epilepsie-Patienten darüber zu informieren, ob und unter welchen Bedingungen sie fahrtauglich sind.

Führerscheingruppen

Die Begutachtungsleitlinien unterscheiden zwei Gruppen, für die jeweils unterschiedliche Regelungen gelten:

  • Gruppe 1: Fahrerlaubnisklassen A, A1, A2, B, BE, AM, L und T
  • Gruppe 2: Fahrerlaubnisklassen C, CE, C1, C1E, D, DE, D1, D1E und Erlaubnis zur gewerblichen Fahrgastbeförderung (FzF)

Kein Bestandsschutz für Führerscheinklasse 3

Personen ohne gesundheitliche Beeinträchtigung, die Führerschein Klasse 3 besitzen, dürfen Fahrzeuge bis zu einem Gesamtgewicht von 7,5 t führen. Dies gilt nicht für Personen mit Epilepsie. Sie dürfen bei bestehender Fahrtauglichkeit nur Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht bis max. 3,5 t führen und sind damit Personen, die einen Führerschein neu erwerben, gleichgestellt.

Meldepflicht gegenüber Behörde

Ist bei einem Führerscheininhaber aufgrund von Epilepsie eine Fahreignung nicht gegeben, ist der Betroffene nicht verpflichtet, seinen Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde abzugeben. Es reicht aus, davon keinen Gebrauch zu machen.
Für den behandelnden Arzt besteht keine Meldepflicht; grundsätzlich sind Ärzte auch hier an ihre Schweigepflicht gebunden. Lediglich für den Fall, dass ein höheres Rechtsgut bedroht ist, muss er Meldung über die Fahreignung machen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn er erfährt, dass der Inhaber eines Führerscheins der C- oder D-Klasse trotz mehrerer Anfälle weiterhin seiner Arbeit als Bus- oder Lkw-Fahrer nachgeht.

Neuerwerb des Führerscheins

Im Führerscheinantragsformular wird gefragt, ob eine epileptische Erkrankung vorliegt. Diese Frage muss wahrheitsgemäß beantwortet werden. Ist eine solche Diagnose gestellt, ist es ratsam, dem Antrag ein Attest des behandelnden Arztes über die Fahrtauglichkeit beizufügen. Die Fahrerlaubnisbehörde entscheidet dann, ob ein weiteres Gutachten erforderlich ist. Ein solches Fahrtauglichkeitsgutachten wird von einem Facharzt mit einer Zusatzqualifikation in Verkehrs- oder Arbeitsmedizin erstellt. Der behandelnde Arzt darf nicht der gutachtende Arzt sein. Bei Bewerbern für die Führerscheinklassen der Gruppe 2 sind generell Voruntersuchungen notwendig.

Verstöße gegen das Fahrverbot

An Epilepsie Erkrankte, die trotz mangelnder Fahreignung ein Fahrzeug führen und einen Unfall verursachen, haben – wie im Fall des Würzburger Todesfahrers – mit erheblichen straf- und haftungsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen.

Ralf Nicolai