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353 EDITORIAL: Anfang 2021 eine neue Automatik-Regelung
358 UPDATE: 130 auf Autobahnen? / Europäische Fahrlehrer Assoziation e. V. (EFA)
362 Geschäftsbericht 2019/2020 des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V. (PDF)
377 Überbrückungshilfe: Antrag schon gestellt?
378 Corona-Soforthilfe: Sind Rückforderungen zu erwarten?
380 Konjunkturprogramm der Bundesregierung: Zeitweilige Senkung der Mehrwertsteuer
384 BMVI: Neue Automatik-Regelung in Sicht
388 Ampel aus und Stoppschild: Einmal oder zweimal halten?
390 Neue Wege in der Fahrausbildung: Digitale Lernformen und Präsenzunterricht
394 Corona: Geänderte Hygienevorgaben für Fahrschulen - Deutliche Lockerungen
396 Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg: Anpassung der Corona-Regelungen
398 Fortbildung beim Fahrlehrerverband Baden-Württemberg: Es geht wieder los - doch limitiert
410 Gerichtsurteile: (2476) Tempoverstoß - Nachfahrmessung auf der Autobahn / (2477) Unfalltod von zwei Motorradfahrern - OLG ordnet Anklageerhebung an / (2478) Des Zwergpudels Unfall
Neue Wege in der Fahrausbildung: Digitale Lernformen und Präsenzunterricht
© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juli/2020, Seite 390
Der Corona-Lockdown setzte die Fahrschulen unter gewaltigen wirtschaftlichen Druck. Ein Teil der Branche suchte nach rascher Milderung. Dabei sollte ein auf gängigen Videokonferenz-Diensten basierter „Online-Unterricht“ helfen. In der gegebenen Lage ein verständliches Handeln. Doch dieser Not-Unterricht durfte nicht im Handumdrehen zum Ersatz für Präsenzunterricht werden.
Der Corona-Lockdown ist vorbei, die Fahrschulen dürfen wieder arbeiten, und die Nachfrage stieg sogleich deutlich an. Indes, die während des Lockdowns verstärkt gestellte Frage nach der Nützlichkeit digitaler Lernformen in der Fahrausbildung ist damit nicht vom Tisch. Im Gegenteil, jetzt ist die Zeit mit Besonnenheit über neue Wege in der Fahrausbildung nachzudenken. Den Präsenzunterricht in der Fahrschule durch digitales Fernlernen zu ersetzen, wäre aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht vertretbar. Nur im direkten Schüler-Lehrer-Austausch lassen sich umweltschonendes Fahren und realistisches Einschätzen und Vermeiden von Gefahren nachhaltig vermitteln.
Digitales Lernen ist längst Realität
Formen des digitalisierten Lernens gibt es in der Fahrausbildung schon lange. Fahrschüler nutzen die vielfältigen Angebote von Lernsoftware, um sich auf die theoretische Prüfung vorzubereiten. Fahrlehreranwärter berichten aus ihren Ausbildungsfahrschulen, dass Fahrlehrer ihre Fahrschüler anleiten, den Theoriestoff zu Hause auf digitalen Plattformen nachzuarbeiten. Doch sie berichten auch, dass die Arbeitsergebnisse der Fahrschüler in der Regel nicht nachbesprochen oder im Theorieunterricht berücksichtigt werden. Das zeigt: Das Kombinieren von digitalen Lernformen und Präsenzunterricht steckt noch im Anfangsstadium.
Begriffe sortieren
Um über die Digitalisierung des Theorieunterrichts in Fahrschulen zielführend diskutieren zu können, hilft es, die in diesem Zusammenhang häufig verwendeten Begriffe Online-Unterricht, Blended Learning und E-Learning gegeneinander abzugrenzen.
Online-Unterricht
Darunter wird häufig ein herkömmlicher Unterricht verstanden, der Schülern per Videokonferenz vermittelt wird. Voraussetzung ist, dass alle Schüler über eine stabile Internetverbindung, einen PC, ein Tablet oder ein Smartphone sowie eine entsprechende Software verfügen. Mit allen Beteiligten müssen vor Beginn Verhaltensregeln besprochen werden. Oft müssen anfangs auch technische Probleme gelöst werden. Die Kommunikation in Videokonferenzen mit zahlreichen Beteiligten ist nicht gerade einfach. Es fehlen der persönliche Kontakt und damit Möglichkeiten der nonverbalen Kommunikation. Bildschirm und Kamera entfremden sozusagen die Unterrichtssituation für die Beteiligten. Auch die Präsentation der Lehrenden und ihrer Umgebung vor der Kamera will gelernt sein. Schließlich muss sich die Struktur eines solchen Online-Unterrichts deutlich von der des Präsenzunterrichts unterscheiden. Um die Lernmotivation bei den Fahrschülern zu erhalten, dürfen nur zeitlich sehr begrenzte Lerneinheiten angesetzt werden, die nach kurzen Informationsinhalten immer wieder durch Nachfragesequenzen unterbrochen werden. Eine 90-minütige Unterrichtssequenz ist angesichts der Bedingungen des Fahrschulunterrichts definitiv zu lang.
Blended Learning
Völlig anders geartet sind die Formen des „Blended Learning“. Basierend auf den Inhalten und Ergebnissen des Präsenzunterrichts und den dabei erworbenen Kenntnissen werden für die Lernenden Arbeitsaufgaben in digitalisierter Form erstellt und zur Nachbereitung, Vertiefung oder Anwendung bereitgestellt. Auf diese Weise ist es möglich, die Inhalte von Lehrbüchern zur Vor- oder Nachbereitung von Theorieunterrichten zu nutzen. Auch für die Vorbereitung von praktischen Fahrstunden gibt es solche Anwendungen. Schulen, Hochschulen und andere Bildungseinrichtungen verwenden diese Formen des angeleiteten Lernens schon länger. Die Entwicklung von didaktischen Konzepten für diese Unterrichtsform schreitet voran. Auch in der Fahrlehrerausbildung sollen die Fahrlehrerausbildungsstätten diesen Weg gehen, um die Lernfortschritte ihrer Fahrlehreranwärter zu fördern und zu sichern.
E-Learning
schließlich basiert auf spezieller Lernprogramm-Software, die die individuelle Lerngeschwindigkeit und die individuellen Lernschwierigkeiten der Lernenden berücksichtigt. Formen des E-Learning eignen sich deshalb besonders für die Aneignung von Wissensinhalten. Die digitalen Trainingsprogramme zur Vorbereitung auf die theoretische Fahrerlaubnisprüfung sind klassische Beispiele für diese Form digitalisierten Lernens.
Bildungseinrichtungen und Unternehmen setzen die Möglichkeiten digitaler Lernformen schon länger ein und nutzen die Vorteile aller drei Instrumente. Den Fahrlehrerausbildungsstätten in Baden-Württemberg wurden diese digitalen Unterrichtsmethoden allerdings untersagt, obwohl der Rahmenplan für die Fahrlehrerausbildung fordert, die Kompetenzen der zukünftigen Fahrlehrer im Bereich von Blended Learning und E-Learning zu stärken. Dadurch könnte sich die Nutzung digitaler Lernformen auch in den Fahrschulen verzögern.
Reform der Fahrschüler-Ausbildungsordnung
Die dringend notwendige Reform der Fahrschüler-Ausbildungsordnung muss alle genannten Möglichkeiten digitalen Lernens berücksichtigen. Eine Verlagerung reiner Wissensinhalte auf digitale Plattformen ist möglich. Ebenso die Ergänzung der fahrpraktischen Ausbildung durch geeignete Fahrsimulatoren. Der Präsenzunterricht in der Fahrschule, der den direkten persönlichen Kontakt zu erfahrenen Fahrlehrern und Mitschülern sichert, muss erhalten bleiben. Nur so können verhaltensleitende persönliche Sichtweisen von Fahranfängern hinterfragt und weiterentwickelt werden.
Insbesondere das digitalisierte Lernen unter Anleitung des Fahrlehrers im Sinne von Blended Learning ist wünschenswert, um die Vorbereitung von Fahranfängern sinnvoll weiterzuentwickeln. Dazu bedarf es didaktischer Handreichungen für die Fahrlehrer zur Gestaltung von Blended-Learning-Kursen und für den Umgang mit digitalen Lernplattformen. Und bei der Nutzung von Plattformen für interaktiven Live-Unterricht bedarf es sehr gründlicher Vorbereitung auf Seiten der Fahrlehrer, aber auch der Fahrschüler. Jetzt sind wir alle gefordert, um gemeinsam einen sinnvollen Weg in die digitale Zukunft von Unterricht zu finden.
Rolf Dautel-Haußmann
Anmerkung: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text auf die gleichzeitige Verwendung weiblicher und männlicher Sprachformen verzichtet und das generische Maskulinum verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
Rolf Dautel-Haußmann ist Erziehungswissenschaftler und Fahrlehrer aller Klassen; seit vielen Jahren ist er tätig als Geschäftsführer der renommierten vpa Verkehrsfachschule GmbH in Kirchheim unter Teck (Foto: © vpa)