EDITORIAL: Motorradfahrer im Stau

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juni/2020, Seite 309

Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V.Liebe Leserinnen und Leser,

wer kennt sie nicht, die im Web viralen Fotos und YouTube-Videos von Autofahrern, die im Stau über die Standspur zur nächsten Ausfahrt fahren oder in der Rettungsgasse nassforsch Einsatzfahrzeugen folgen. Noch unverantwortlicher ist Wenden, um dem Stau gegen die Fahrtrichtung zu entkommen.

Deshalb war es aus meiner Sicht richtig, dass der Verordnungsgeber mit der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften und der damit einhergehenden Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung ab 28. April 2020 die Sanktionen für diese gefährlichen Manöver deutlich verschärft hat. Immerhin drohen neuerdings – auch ohne konkrete Gefährdung oder Behinderung eines Rettungsfahrzeugs – 200 € Bußgeld, zwei Punkte in Flensburg und ein einmonatiges Fahrverbot. Bei einer Behinderung, Gefährdung oder Sachbeschädigung werden sogar bis zu 320 € fällig.

So weit so gut. Aber viele von uns sind auch beruflich oder privat mit dem Motorrad unterwegs. Und wer schon einmal bei brütender Sommerhitze oder strömendem Regen mit dem Moped im Stau gekocht, geduscht oder gefrostet wurde, weiß um die Versuchung, sich langsam und mit aller gebotenen Vorsicht zwischen den stehenden und meist auch bereitwillig platzmachenden Autos hindurchzumogeln. Aber wenn dafür nun ein Fahrverbot droht, muss das gut überlegt sein.

Wäre es nicht an der Zeit, dass alle mit einem Herz fürs Motorrad gemeinsam beim BMVI anklopfen, um für Biker – verhaltenes Tempo und besondere Sorgfalt vorausgesetzt – eine Ausnahme vom strengen Verbot der Nutzung der Rettungsgasse zu erreichen?
Fragen kostet ja bekanntlich nichts …

In diesem Sinne grüße ich Sie sehr herzlich
Ihr
Jochen Klima

Foto: Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V.