Das aktuelle Kontrollgeschehen: Lkw- und Buskontrollen in Zeiten von COVID-19

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juni/2020, Seite 336

Nicht für jede berufliche Tätigkeit besteht die Möglichkeit, diese während der immer noch anhaltenden Pandemie ins Home-Office zu verlegen. Das mussten sicherlich auch einige Fahrlehrer und Weiterbilder erfahren, als sie den Versuch starteten, die BKF-Weiterbildung online anzubieten. Auch für die Kontrollbeamten der Verkehrsüberwachung sowie die Lkw- und Busfahrer in der gewerblichen Beförderung ist Home-Office keine Alternative. Beide begegnen sich auch zu Coronazeiten live bei Kontrollen im Straßenverkehr.

Lob für die Fahrer

Der dabei grundsätzlich gebotene Abstand musste infolge der Ansteckungsgefahr zwangsläufig deutlich erhöht werden. Schon wegen des Eigenschutzes sollte jeder Kontrollbeamte und jeder Fahrer die Corona-Hygienevorschriften strikt einhalten. Aus Sicht der Kontrollbehörden kann dem Großteil der Fahrer ein sattes Lob ausgesprochen werden. Als systemrelevante Kräfte arbeiten sie unter teilweise grenzwertigen Bedingungen und geben ihr Bestes. Und bei Kontrollen verhalten sie sich sehr pflichtbewusst: gebührender Abstand, Mundschutzmaske und vereinzelt steht in der Fahrerkabine auch ein Desinfektionsmittel bereit. Das ist vorbildlich und sicherlich auch zukunftsweisend.

Arbeitgeberpflichten

Doch auch die Arbeitgeber haben Pflichten zu erfüllen, indem sie die Fahrer über die neuen Gefahren am Arbeitsplatz aufklären und sensibilisieren. Zudem sind den Arbeitnehmern die entsprechenden Hilfsmittel zur Gewährleistung der Sicherheit am Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Nach der bisherigen Erfahrung besteht hier teilweise Optimierungsbedarf, der mit einer Beratung durch Kräfte der Aus- und Weiterbildung gefördert werden kann.

Ignoranz und Überheblichkeit

Neben vielen positiven Erfahrungen aus den momentan wieder ansteigenden Kontrollen des Schwerverkehrs gibt es leider auch Negativbeispiele. Nicht Unwissenheit oder Leichtfertigkeit im Umgang mit den aufgestellten Regeln, sondern vielmehr Ignoranz, Überheblichkeit und Desinteresse sind hier zu erwähnen. Dabei denkt man spontan an das BKF-Modul Image und Verhalten, durch das dem Fahrer eine Achtung gebietende Verhaltensweise vermittelt werden soll.

Kontrollen und Unfälle

Manche Fahrer kommen dem Kontrollbeamten deutlich zu nahe und verursachen ein vermeidbares Risiko, das teilweise noch durch ihre „feuchte Aussprache“ gesteigert wird. Dieses Risiko besteht insbesondere auch bei der Aufnahme von Verkehrsunfällen, bei Rettungsaktionen und Erste-Hilfe-Maßnahmen. So mussten beispielsweise am 13.05.2020 nach einem Verkehrsunfall auf der A24 nahe Wittenburg die eingesetzten sechs Polizeibeamten und die anwesenden Feuerwehrkräfte vorübergehend in Quarantäne gehen, da bei einem der Unfallbeteiligten der dringende Verdacht auf eine Corona-Infektion bestand. Bei dem 49-jährigen ukrainischen Lkw-Fahrer wurden erste Symptome und Fieber festgestellt. Ein mulmiges Gefühl für die Rettungskräfte und deren Angehörige, zugleich eine personelle Herausforderung für die Einsatzleitstellen, die nun neue Kräfte aktivieren mussten. Es gab zwar am gleichen Tag schon eine erste Entwarnung, aber das erlösende Untersuchungsergebnis ließ auf sich warten.

Rettungskräfte wissen um ihr erhöhtes Risiko der Ansteckung. Sie wissen nicht, ob Verletzte durch COVID-19 infiziert sind. Eine „Ausweispflicht“ dafür gibt es nicht. Zudem geht es bei schweren Verkehrsunfällen oder lebensrettenden Maßnahmen um jede Sekunde. Da kann ein Retter nicht lange überlegen, ob er sich etwa anstecken könnte. Pflichtgemäßes Handeln und COVID-19-Vorsicht sind beim behördlichen Einschreiten oft sehr schwer vereinbar. Das erleben Polizeibeamte immer wieder.

Beispiele

Zwei Beispiele aus den vergangenen Tagen verdeutlichen dies.

⇒ Bei einem Verkehrsunfall in Siegen wurde beim beteiligten Lkw-Fahrer deutlicher Alkoholeinfluss festgestellt. Neben dem erforderlichen „Alkotest“ vor Ort, der eine Unterschreitung des gebotenen Abstandes und Verzicht auf Mundschutzmaske erforderte, wurde der Proband mit polizeilichem Geleit zur ärztlichen Blutentnahme geführt. Da die Beeinflussung über 2.0 Promille lag, war zudem eine wegbegleitende Unterstützung erforderlich.

⇒ Den alkoholischen Tagesrekord hält allerdings ein 43-jähriger Lkw-Fahrer von der Schwäbischen Alb, der bei seiner Fahrt mit dem Lkw gleich mehrere Unfälle verursachte und jedes Mal Unfallflucht beging. Kurz nach eingeleiteter Fahndung konnte er in der Ortsmitte von Hayingen dingfest gemacht werden. Mit seinem über 3.0 Promille festgestellten Alkoholwert musste auch er auf dem Weg zur Blutentnahme begleitet werden, was das Gefahrenpotential der Ansteckung für die Beamten deutlich erhöhte.

⇒ Bei einer Lkw-Kontrolle in Neuss und bei einer Großkontrolle des Schwerverkehrs auf der A5 bei Mannheim wurden neben den Blutproben auch Urin-Proben erforderlich, da bei den kontrollierten Fahrern insgesamt vier Mal der Einfluss von Drogen erkannt wurde. Auch hier war für die Einsatzkräfte der persönliche Eigenschutz nach den bestehenden Hygienevorschriften nur sehr schwer zu verwirklichen, was den jeweils Beschuldigten völlig gleichgültig war.
Doch Letzteres ist derzeit auch ein auffälliges Phänomen bei Pkw-Lenkern. Bei den täglichen Kontrollen werden vermehrt Fahrzeuglenker angetroffen, die unter dem Einfluss von Drogen stehen oder vor der Fahrt merklich dem Alkohol zugesprochen haben; und das auch schon in den Vormittagsstunden und tagsüber.

⇒ Ignoranz und Dreistigkeit sind die Stichworte zum Ergebnis einer Kontrolle auf einer Autobahn in Baden-Württemberg. Die Kontrollbeamten staunten nicht schlecht, als ein vollbesetzter Reisekleinbus an ihnen vorbeifuhr, obwohl touristische Fahrten derzeit durch die Corona-Verordnung strikt untersagt sind. Die anschließende Kontrolle versetzte die Beamten in noch größeres Staunen, denn der Bus kam aus Serbien und war unbehelligt durch halb Europa gefahren, obwohl die Fahrgäste eng nebeneinander saßen und von Hygieneschutz offensichtlich noch nichts gehört hatten. Die Untersagung der Weiterfahrt ließ sich in diesem Fall aber auch anders begründen, denn das ausführende Unternehmen hatte für die gewerbliche Fahrt keine Konzession und die Fahraktivitäten des Fahrers waren auch nicht zweifelsfrei feststellbar. Mehrere tausend Euro Kaution und der verordnete Stopp waren die Folge.

TISPOL

Im Rahmen von TISPOL wurden in den vergangenen Tagen auch in Deutschland wieder punktuelle Großkontrollen im Schwerverkehr durchgeführt. TISPOL steht für Traffic Informations System Police (europaweiter Informationsaustausch der Verkehrspolizeien). TISPOL unterstützt den internationalen Erfahrungsaustausch der Kontrollorgane. Zeitlich abgestimmte Kontrollwochen sind schon seit Jahren üblich und wurden aktuell nicht aufgrund der anhaltenden Pandemie abgesagt.

⇒ So waren am 13.05.2020 im Stadtgebiet Hamburg 83 Lastzüge in der polizeilichen Kontrolle. Nahezu jedes Fahrzeug musste beanstandet werden. Während die Fahrer hier den persönlichen Hygieneschutz und die Abstandsregeln größtenteils einhielten, waren ihnen die Beachtung anderer Vorschriften offensichtlich nicht wichtig. Überladungen, technische Mängel und Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeitbestimmungen waren bei dieser Aktion vermehrt festzustellen. Ein moldawischer Lkw-Fahrer hatte zudem keine gültige Fahrerlaubnis, und ein irischer Lastzuglenker hatte seinen Geschwindigkeitsbegrenzer auf 116 km/h „hochgedreht“, damit es auf den derzeit wenig frequentierten Autobahnen etwas schneller geht.

⇒ Ein ähnliches Bild bot sich bei zwei Großkontrollen im Raum Karlsruhe. Schwerpunkt war das Durchfahrtsverbot für den Schwerverkehr. Viele Fahrer hatten diese Beschilderung wohl nur als informativ und nicht beachtenswert eingestuft. Daneben zeigten die Kontrollen ähnliche Ergebnisse wie in Hamburg. Keine ordnungsgemäße Ladungssicherung; fehlender Sicherheitsgurt des Fahrers oder das übliche Handy am Steuer waren dabei die geringeren Verstöße. Auch hier wurde bei einem Fahrer Drogenkonsum festgestellt, und ein anderer Lkw-Fahrer hatte keine Fahrerlaubnis. Neben 23 Verstößen gegen die Sozialvorschriften wurde bei neun Lkw-Fahrern „Fahren ohne eingelegte Fahrerkarte“ festgestellt. Erstaunlich war auch hier, dass der Corona-Virus für respektvolles Abstandsverhalten sorgte. Doch den erfolgten Anzeigen aufgrund massiver Lenkzeitüberschreitungen und des Fahrens ohne Fahrerkarte brachten die Fahrer wenig Verständnis entgegen.

Auch wenn aktuell Präsenzschulungen unter Auflagen wieder möglich sind, darf man nicht zu euphorisch den Schutz herunterfahren. Das kleine Virus wird uns sicherlich noch eine ganze Weile begleiten und erfordert weiterhin bewusstes Handeln. Die Hygiene steht dabei ganz weit oben. Auch das muss nun im Rahmen von Seminaren und der BKF-Weiterbildung den Teilnehmern intensiv vermittelt werden.

Bleiben Sie weiterhin gesund.

Thomas Fritz