Die ganzheitliche Verkehrskontrolle: Welche Punkte werden bei umfänglichen Schwerverkehrskontrollen überprüft?

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe März/2020, Seite 164

Die Zunahme des Schwerverkehrs, fehlende Parkmöglichkeiten zur Nachtzeit, der zeitliche Stress der Fahrer und der enorme Kostendruck, der in der Branche herrscht, bilden eine brisante Mischung, die auch den Kontrollbehörden nicht entgangen ist. Kontrollbeamte werden auch hinsichtlich der realen Rahmenbedingungen des Güterverkehrs geschult, damit sie bei Schwerverkehrskontrollen die Farbvarianten von Weiß und Grau bis hin zu Tiefschwarz mit sicherem Blick zu unterscheiden vermögen.

Im Verhältnis zum gewaltigen Lkw-Aufkommen im deutschen Straßennetz finden Kontrollen viel zu selten statt. Oft sagen Lkw-Fahrer an der Kontrollstelle: „Dies ist die erste Kontrolle in meinem beruflichen Leben, obwohl ich schon seit x Jahren hinterm Lenkrad sitze.”

Über 3,1 Millionen Lkw waren laut Statistik Ende 2019 in Deutschland zugelassen; wahrscheinlich ist auch eine ähnliche Anzahl von Fahrzeugen mit ausländischer Zulassung auf deutschen Straßen unterwegs.

Die rund 250 Straßenkontrolleure des Bundesamtes für Güterverkehr und die wenigen Spezialisten der Polizei in den Bundesländern wirken im Vergleich dazu wie der Tropfen auf dem heißen Stein.

Mangelnde Konsequenzen

Nicht selten hören Trainer, Fahrlehrer und Weiterbilder Sprüche wie diesen: „Ich werde doch eh nicht kontrolliert und wenn, dann ist es meist billiger, als wenn ich mich an die Vorschriften gehalten hätte.“ Die Denkweise einzelner Unternehmer geht leider so weit, dass sie Verstöße billigend in Kauf nehmen, ja sogar forcieren, um Gewinnoptimierung zu erzielen, weil sie angeblich nur so konkurrenzfähig bleiben. Zu schnelles Fahren, Überladung, Fahren ohne passende Lizenzen und Verstöße gegen die Sozialvorschriften sind die Ergebnisse dieses Denkens.

In manchen Situationen hat man als Kontrollbeamter den Eindruck, dass den Behörden durch politischen Einfluss die Hände gebunden sind oder sie den Weitblick verloren haben. So fahren in einem aktuellen Fall in Baden-Württemberg Linienbusfahrer teilweise Doppelschichten und mit Bussen, an denen „vergessen“ wurde, die Winterreifen zu montieren. Aber die Behörden reagieren nur zögerlich. In einem anderen Fall kontrollierten Verkehrspolizisten Schulbusse, stellten einige Unzulänglichkeiten fest und erwarteten von der Behörde Maßnahmen. Die aber wiegelten ab und verwiesen auf den Schulträger und dessen Verantwortung.

Und ein deutscher Lkw-Fahrer stellt bei einer Kontrolle die Frage: „Warum habt ihr mich und nicht den in Rumänien zugelassenen Lastzug angehalten, der ganz offensichtlich viel schneller war und im Überholverbot überholt hatte?” Erschreckende Antwort des Polizisten: „Von dem bekommen wir eh kein Geld, und es im Ausland einzutreiben ist schwierig …“

Verkehrskontrollen können durch elektronische Verkehrszeichen angekündigt werden (Foto: Thomas Fritz)

Anarchie?

Es ist anders geworden auf deutschen Straßen: Überholverbotsschilder oder Geschwindigkeitsbegrenzungen scheinen oft nicht einmal mehr empfehlenden Charakter zu haben. Das Parken von Lastzügen auf Pkw- oder Busstellplätzen ist fast schon normal, und die Einhaltung des Verbots, im Lastzug das gesamte Wochenende zu übernachten, wird nicht konsequent kontrolliert.

Ablauf von Kontrollen

Gerät ein Lastzug aber doch einmal in eine Schwerverkehrskontrolle, haben die einschreitenden Kontrollbeamten einen Ablaufplan, der folgende Kontrollpunkte umfasst:

  • Fahrer
  • Fahrzeug
  • Ladung
  • Unternehmen

Fahrer

Welchen ersten Eindruck vermittelt der Fahrer? Wie tritt er auf? Verhält er sich kooperativ? Wie äußert er sich zur Kontrolle? Diese Fragen entscheiden oftmals über den weiteren Verlauf einer Kontrolle. Viele Fahrer sind sich über die Tragweite ihrer unbedachten Äußerungen wie „Guten Tag Herr Oberforstrat!“ oder „Muss das jetzt sein?“ oder „Habt ihr nichts Besseres zu tun?“ nicht bewusst. Teilweise fangen die Fahrer auch an, mit dem Kontrollpersonal „Spielchen“ zu treiben: „Was wollen Sie denn jetzt von mir?“
Die gegenseitige Akzeptanz der Aufgaben und Pflichten und ein gemeinsames Abarbeiten der Kontrollpunkte wäre die ideale Lösung, um Ärger und Stress für alle Beteiligten zu vermeiden.

1. Führerschein

  • Berechtigter Besitz?
  • Im Original vorhanden?
  • Gültige Berechtigung (Klasse) für das Fahrzeug/den Zug?
  • BKF-Eintrag vorhanden und gültig?
  • Auflagen und Einschränkungen beachtet (Sehhilfe etc.)?

2. Ausweisdokument

  • Personalausweis/Pass/ggf. Ausweisersatzdokument wie Aufenthaltsgestattung etc.?
  • Im Original mitgeführt?
  • Gültigkeit? Ist ggf. ein Visa-Eintrag vorhanden?
  • Benötigt der Fahrer zusätzlich noch eine EU-Fahrerbescheinigung?

3. Fahrerkarte

  • Vorhanden, gültig und funktionstüchtig?
  • Lückenloser Nachweis über 28 Kalendertage vorhanden?
  • Liegen alternative Nachweisdokumente wie Tachoscheiben, Tageskontrollblätter oder Nachweise über berücksichtigungsfreie Tage vor?

4. Evtl. sonstige Dokumente

  • ADR-Schein erforderlich?
  • Bestimmungen des Entsendegesetzes/MiLoG eingehalten?
  • Bei Busfahrern oftmals möglich: Gesundheitszeugnis, Schankerlaubnis oder Reisegewerbekarte etc.

Kontrollieren des Fahrers

Neben dem Besitz der erforderlichen Dokumente werden in der Regel folgende Punkte geprüft:

  • Ist er momentan geeignet und in der Lage das Fahrzeug sicher zu führen (körperliche, geistige Einschränkungen, Alkohol, Drogen, Medikamente)?
  • Ist er mit dem Fahrzeug vertraut, wurde er kompetent eingewiesen?
  • Ist er sich über die Besonderheit seiner Ladung bewusst?
  • Wie war sein bisheriges Fahrverhalten?
  • Einhalten von Lenk-, Ruhe- und Arbeitszeiten/Arbeitsschutz?
  • Richtige Bedienung und Umgang mit dem eingebauten Kontrollgerät?
  • Liegen gegen ihn mögliche Fahndungsnotierungen aus dem In- oder Ausland vor (Beispiel: Unterhalt nicht bezahlt)?

Im Rahmen der Kontrolle spielen auch bestimmte Äußerungen des Fahrers immer wieder eine große Rolle. Sagt er beispielsweise, er habe seit Monaten keinen Lohn mehr erhalten, muss der Kontrollbeamte die Genehmigungsbehörde informieren, da ein Anfangsverdacht auf fehlende Leistungsfähigkeit des Unternehmens besteht.

Fahrzeug

  • Stimmen die Zulassungsbescheinigungen und die damit verbundenen Dokumente wie Umweltplakette, Maut etc.?
  • Ist das Fahrzeug betriebssicher?
  • Ist das Fahrzeug verkehrssicher?
  • Ist die vorgeschriebene Ausrüstung vorhanden, funktionstüchtig, unbeschädigt und einsatzbereit?
  • Sind alle Prüfplaketten gültig?
  • Sind alle Anbauteile zulässig, ggf. eingetragen oder ist für diese eine Betriebserlaubnis vorhanden?
  • Ist das Fahrzeug für die Ladung und diesen Transportweg geeignet?
  • Sind Auflagen, Einschränkungen, Bedingungen oder Sondergenehmigungen zu beachten?
  • Liegen bezüglich des Fahrzeugs Fahndungsnotierungen aus dem In- oder Ausland vor (Beispiel: Haftpflichtversicherung nicht bezahlt)?

Ladung

  • Sind alle erforderlichen Begleitdokumente für die Ladung vorhanden?
  • Sind alle Bedingungen rund um diesen Transport eingehalten?
  • Ist die Ladung richtig gesichert?
  • Sind zusätzliche Hinweise oder Erfordernisse für die Ladung zu beachten (Beispiel: Begleitfahrzeug, Fahr- oder Streckenverbote)?
  • Wird eine illegale Ladung befördert? Diebesgut? Wurde der auf dem Sprinter transportierte Gebraucht-Pkw möglicherweise in der vergangenen Nacht gestohlen?

Unternehmen

Alle in einer Kontrolle gewonnenen negativen Erkenntnisse über ein Unternehmen werden entsprechend den Erfordernissen an die zuständigen Aufsichtsbehörden weitergeleitet.

Wer hat gegenüber dem Fahrer welche Anordnungen wie getroffen? Hierbei rückt vielfach nicht nur der angetroffene Transportunternehmer in den Fokus, sondern oftmals auch der Auftraggeber, Hauptauftragnehmer, Unterauftragnehmer, Verlader, Fahrer- oder Frachtvermittlungsagenturen (bei Bussen auch: Reiseveranstalter). Die Verantwortlichkeit in der Beförderungskette hat auch rechtlich an Bedeutung zugelegt, wobei vielfach die Adressaten von ihrer Verantwortung der Mithaftung leider nur wenig wissen oder wissen wollen …

Nach diesen Ausführungen bietet sich für jeden BKF-Dozenten die Möglichkeit, den Kenntnisbereich Recht (2.1, 2.2, 2.3) mit weiteren Kenntnisbereichen zu kombinieren: sei es, den Fahrer zu sensibilisieren für das wirtschaftliche Umfeld der Branche, das Verhalten und Auftreten bei Kontrollen, ebenso für die gute Vorbereitung einer Fahrt, damit Kontrollen reibungslos und ohne Beanstandungen ablaufen.

Wer seine Ladung vorbildlich sichert, sein Fahrzeug in ordentlichem Zustand hält und verkehrsgerechtes Fahrverhalten an den Tag legt, hebt sich nicht nur positiv von den anderen ab, sondern bietet für die Kontrollorgane keinen Anlass des Einschreitens. Sich dafür einzusetzen, kommt nicht zuletzt der Sicherheit der Fahrer zugute.

Thomas Fritz