Prof. Dr. jur. Dieter Müller, Bad Dürrenberg: Manipulationen bei theoretischen Fahrerlaubnisprüfungen

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Januar/2021, Seite 48

In den letzten Jahren kam es in zahlreichen Prüfstellen, die im staatlichen Auftrag theoretische Fahrerlaubnisprüfungen (§ 16 FeV) durchführten, zu Manipulationen. Dabei traten entweder Personen unter falscher Identität auf, um für eine andere Person die Prüfung abzulegen, oder die Prüflinge wurden mit Übertragungstechnik ausgestattet und ließen sich die richtigen Antworten auf die Prüfungsfragen vorsagen. Teilweise waren Fahrlehrer aktiv in diese Delikte verstrickt.

Bleibt die Manipulation unentdeckt, besteht eine Person die theoretische Prüfung, ohne den Nachweis erbracht zu haben,

  • ausreichende Kenntnisse der für das Führen von Kraftfahrzeugen maßgebenden gesetzlichen Vorschriften bewiesen zu haben,

  • mit den Gefahren des Straßenverkehrs und den zu ihrer Abwehr erforderlichen Verhaltensweisen vertraut zu sein und

  • grundlegende mechanische und technische Zusammenhänge zu kennen, die für die Straßenverkehrssicherheit von Bedeutung sind.

M. a. W. sind die betreffenden Personen ein potenzielles Sicherheitsrisiko für alle anderen Verkehrsteilnehmer.

Wenn man allerdings – wie ein Rechtsanwalt auf seiner Internetseite – derartige Manipulation als bloßes „Schummeln“ verniedlicht, wird der tiefere Sinn theoretischer Fahrerlaubnisprüfungen verkannt, nämlich zur künftigen verkehrssicheren Fahrweise der Bewerber beizutragen (siehe: „Betrug bei der theoretischen Führerscheinprüfung – legal oder illegal?“ unter: https://www.verbraucherschutz.com).

Es drängt sich folgende Frage auf: Welche Delikte werden bei den Manipulationen verwirklicht und welche Rechtsfolgen treten ein, wenn die Taten entdeckt werden?

I. Austausch von Personen

Vor dem Beginn einer jeden theoretischen Fahrerlaubnisprüfung hat sich der Sachverständige oder Prüfer gemäß § 16 III 3 FeV durch Einsicht in den Personalausweis, einen Reisepass oder ein sonstiges Ausweisdokument davon zu überzeugen, dass der Bewerber und die durch Personaldokument nachgewiesene Person übereinstimmen.

Nun ist ein Sachverständiger oder Prüfer nicht etwa – wie z. B. die Beamten der Bundespolizei oder der Landeskriminalämter in der Landespolizei der Bundesländer – speziell darin geschult, gefälschte Ausweisdokumente zu erkennen oder gar dazu berufen, ein anthropologisches Identitätsgutachten anhand eines Ausweisfotos anzufertigen. Dabei gilt nach Rechtsprechung des BGH allgemein, dass es kein standardisiertes Verfahren hinsichtlich des Vergleichs einer bestimmten Zahl morphologischer Merkmale oder Körpermaße des Täters mit den entsprechenden Merkmalen der zu beurteilenden Person gibt (BGH, Urteil vom 15.2.2005 – 1 StR 91/04, juris, auch zum Folgenden). Die morphologischen Merkmale sind nicht eindeutig bestimmbar und auch die Abschätzungen der Beweiswertigkeit sind nach der persönlichen Erfahrung eines Sachverständigen subjektiv, regelmäßig sind sogar graduelle Abweichungen zwischen einzelnen Sachverständigen möglich. Das heißt, der Identitätsabgleich vor einer theoretischen Fahrerlaubnisprüfung wird nach gutem Glauben vorgenommen, in der – manchmal trügerischen – Hoffnung, dass die beiden Personen übereinstimmen.

II. Technische Manipulationen

Es ist bereits ein etabliertes „Geschäftsmodell“ geworden, sich mit audiovisueller Übertragungstechnik ausstatten zu lassen, um derart gewappnet die theoretische Fahrerlaubnisprüfung sogar dann erfolgreich zu bestehen, wenn man nicht einmal der deutschen Sprache mächtig ist.

Das Modell funktioniert nach einschlägigen polizeilichen Erfahrungen wie folgt:

  • Man besorgt sich die Technik entweder selbst im Onlinehandel oder nimmt Kontakt zu Personen auf, die einen solchen technischen „Service“ anbieten.

  • Am Prüfungstag lässt man sich verkabeln und betritt derart vorbereitet den Prüfungsraum, während die „wissende Person“ in einem in der örtlichen Nähe parkenden Auto auf einem Laptop die auf einem Tablet zu absolvierende Prüfung verfolgt und begleitet.

  • Nach bestandener Prüfung wird das vereinbarte Honorar entrichtet und man geht wieder getrennte Wege.

Sachverständige und Prüfer sind in der letzten Zeit für das Thema sensibler geworden und achten auf z. B. außergewöhnliche Haltungen der Prüflinge, die so sitzen müssen, dass die oft an einer Brille montierte Kamera den Bildschirm des Tablets gut erfasst. Auch das Knopfloch einer Bluse wurde schon als probate Manipulationsmöglichkeit entdeckt. Diese Voraussetzung erfordert eine genaue Ausrichtung und ist manchmal mit auffälligem Hin- und Herrücken auf der Sitzgelegenheit verbunden.

III. Die potenziellen Rechtsfolgen von Manipulationen

1. Prüfungsrecht

Beide beschriebenen Wege sind illegal und stellen Täuschungsversuche dar. Sie führen im Entdeckungsfall gemäß § 18 I 1 FeV zum Nichtbestehen der Prüfung. Eine Wiederholung der Prüfung ist frühestens sechs Wochen nach dem Täuschungsversuch möglich (§ 18 I 2 FeV).

2. Strafrechtliche Bewertung einer Täuschung über die Person des Bewerbers

a) Der Straftatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung gemäß § 271 StGB


§ 271 StGB – Mittelbare Falschbeurkundung

(1) Wer bewirkt, dass Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, welche für Rechte oder Rechtsverhältnisse von Erheblichkeit sind, in öffentlichen Urkunden, Büchern, Dateien oder Registern als abgegeben oder geschehen beurkundet oder gespeichert werden, während sie überhaupt nicht oder in anderer Weise oder von einer Person in einer ihr nicht zustehenden Eigenschaft oder von einer anderen Person abgegeben oder geschehen sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft ...

Was ist der Gesetzeszweck?

Mit dieser Strafvorschrift soll die Sicherheit des Rechtsverkehrs davor geschützt werden, dass öffentliche Urkunden einen falschen Inhalt wiedergeben.

Wie begeht man eine Tathandlung?

Tathandlung ist das Bewirken einer unrichtigen Beurkundung, also des Beurkundens der personellen Identität zwischen der geprüften und der durch Ausweispapiere legitimierten Person und einem rechtmäßig zustande gekommenen Prüfungsergebnis.

Eine solche Beurkundung wird regelmäßig vorsätzlich durch die Person bewirkt, die an Stelle der zu prüfenden Person deren Stelle einnimmt und die Prüfung absolviert. Die Ergebnisse theoretischer Fahrerlaubnisprüfungen werden von Prüfstellen und Fahrerlaubnisbehörden amtlich, d. h. in einer öffentlichen Datei erfasst, weil ein Nichtbestehen gemäß § 18 I 2 FeV zur Überprüfung der Einhaltung einer Wiederholungsfrist gespeichert werden muss. Das örtliche Fahrerlaubnisregister wird in kommunaler Hand gemäß § 48 I StVG geführt und parallel bundesweit gemäß § 48 II StVG vom Kraftfahrt-Bundesamt erfasst. Es ist sehr wohl ein öffentliches Register mit Außenwirkung und besitzt nicht nur einen internen Charakter, weil beide Register regelmäßig von der Polizei über das Zentrale Auskunftssystem (ZEVIS) zum Zwecke der Überwachung des Straftatbestandes des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 StVG genutzt werden.

Was sind „Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen“?

Strafbewehrt beurkundet im Sinne des § 271 StGB sind nach Auffassung des Bundesgerichtshofes nur diejenigen Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, auf die sich der öffentliche Glaube, d. h. die „volle Beweiswirkung für und gegen jedermann“, erstreckt (BGH, Beschluss vom 30.10.2008 – 3 StR 156/08, BGHSt 53, 34-38, Rn. 19, auch zum Folgenden). Welche Angaben dies im Einzelnen sind, ist, wenn es an einer ausdrücklichen Vorschrift fehlt, den gesetzlichen Bestimmungen zu entnehmen, die für die Errichtung und den Zweck der Urkunde maßgeblich sind. Wesentliche Kriterien zur Bestimmung der Reichweite des öffentlichen Glaubens sind dabei – neben dem Beurkundungsinhalt als solchem – das Verfahren und die Umstände des Beurkundungsvorgangs sowie die Möglichkeit des die Bescheinigung ausstellenden Amtsträgers, die Richtigkeit des zu Beurkundenden zu überprüfen.

Nach diesen gesetzlichen Voraussetzungen handelt es sich bei der Prüfungsbescheinigung für die theoretische Fahrerlaubnisprüfung um eine solche öffentliche Erklärung mit Beweiskraft über die erfüllte Prüfungsvoraussetzung durch die darin namentlich genannte und mit der Person, die die Prüfungsfragen beantwortet hat, identische Person. Öffentliche Urkunden im Sinne des § 271 I StGB (wie des § 348 I StGB) sind dabei solche, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind (BGH, Urteil vom 11.1.2018 – 3 StR 378/17, Rn. 11, juris).

Was ist eine öffentliche Urkunde?

Ein Führerschein ist ebenso eine öffentliche Urkunde wie eine amtliche Bescheinigung über das Bestehen einer theoretischen Fahrerlaubnisprüfung. Diese Bescheinigung dokumentiert allerdings – im Gegensatz zum Führerschein – die Tatsache, dass die die Prüfung erfolgreich absolvierende Person die theoretische Fahrerlaubnisprüfung erfolgreich bestanden hat und damit eine Teilvoraussetzung für das Erteilen einer Fahrerlaubnis und das Aushändigen eines Führerscheins (§ 22 III, IV FeV) erfüllt hat. Ein Führerschein beweist demgegenüber zu öffentlichem Glauben lediglich, dass der darin genannte Inhaber mit der Person identisch ist, der die Verwaltungsbehörde die Fahrerlaubnis erteilt hat, und dass sie dieser die Erlaubnis erteilt hat. Dagegen erstreckt sich die Beweiswirkung nicht darauf, dass der darin genannte Inhaber die Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis erfüllt hat und ihm der Führerschein zu Recht ausgestellt worden ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.5.1999 – 5 Ss 420/98 – 24/99 I, Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht 2000, S. 177).

Die beurkundende Stelle ist die vom Staat beliehene betreffende Prüforganisation (z. B. DEKRA oder TÜV).

Ist der Versuch strafbar?

Der Versuch ist gem. § 271 IV StGB strafbar. Die Entdeckung einer personellen Ungleichheit vor Beginn der Prüfung würde gemäß § 16 III 4 FeV dazu führen, dass die Prüfung nicht durchgeführt werden darf. Das für den Versuch tatbestandlich zu fordernde unmittelbare Ansetzen zur Tatbegehung würde jedoch gemäß § 16 III 3 FeV bereits durch die Vorlage des betreffenden Ausweispapiers beim Sachverständigen oder Prüfer erfüllt sein.

b) Der Straftatbestand des Missbrauchs von Ausweispapieren gemäß § 281 StGB


§ 281 StGB – Missbrauch von Ausweispapieren

(1) Wer ein Ausweispapier, das für einen anderen ausgestellt ist, zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht, oder wer zur Täuschung im Rechtsverkehr einem anderen ein Ausweispapier überlässt, das nicht für diesen ausgestellt ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.

Indem die zu prüfende Person das Ausweispapier einer anderen Person vorlegt, um an seiner Statt die Prüfung zu absolvieren, wird das Ausweispapier gebraucht. Die beabsichtigte Täuschung im Rechtsverkehr liegt in dem Vorspiegeln einer persönlichen Identität zwischen vorlegender Person und wirklichem Ausweisinhaber.

Aus dem Wortlaut von § 281 I 1 StGB ergibt sich keine Einschränkung der Tathandlung auf besondere Formen des Gebrauchs eines Ausweispapiers (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.5.1999 – 5 Ss 420/98 – 24/99 I, NZV 2000, 177). Wie bereits das Reichsgericht – und ihm folgend der Bundesgerichtshof – überzeugend herausgearbeitet hat, gebraucht eine Urkunde, wer deren sinnliche Wahrnehmung ermöglicht, also die Urkunde zur Kenntnis der zu täuschenden Person bringt. Dies geschieht durch Vorlage des Ausweispapiers beim Sachverständigen oder Prüfer.

Diejenige Person, die sich bei der Prüfung „vertreten“ lassen will, macht sich nach der zweiten Tatalternative des Überlassens ihrer Ausweispapiere zur Täuschung im Rechtsverkehr strafbar. Auch in dieser Tatalternative ist der Versuch strafbar.

c) Die Ordnungswidrigkeit der falschen Namensangabe gemäß § 111 OWiG

Ordnungswidrig handelt gemäß § 111 I OWiG, wer u. a. einer zuständigen Behörde, einem zuständigen Amtsträger über seinen Vor-, Familien- oder Geburtsnamen eine unrichtige Angabe macht oder die Angabe verweigert. Wer das Ausweispapier einer anderen Person benutzt, macht allein dadurch eine unrichtige Angabe über seinen Namen und handelt daher vorwerfbar und vorsätzlich ordnungswidrig i.S.v. § 111 I OWiG.

Vor Verhängung der in § 111 OWiG vorgesehenen Sanktion ist stets die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens in vollem Umfang zu überprüfen. Das Auskunftsverlangen findet seine Grundlage in der Pflicht eines Sachverständigen oder Prüfers, sich gemäß § 16 III 3 FeV von der Identität des Bewerbers zu überzeugen.

Diese Ordnungswidrigkeit tritt gemäß § 21 I OWiG gegenüber tateinheitlich verwirklichten Straftaten zurück, sollte aber dennoch stets mit angezeigt werden.

3. Die strafrechtliche Bewertung einer technischen Manipulation als gemeinschaftliches Fälschen beweiserheblicher Daten gemäß § 269 StGB


§ 269 StGB – Fälschung beweiserheblicher Daten

(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr beweiserhebliche Daten so speichert oder verändert, dass bei ihrer Wahrnehmung eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde, oder derart gespeicherte oder veränderte Daten gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Wie ist der Gesetzeszweck?

Das geschützte Rechtsgut der Strafvorschrift ist die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Fahrerlaubnis. Die Vorschrift ist im Vergleich mit § 267 StGB zu interpretieren.

Was sind beweiserhebliche Daten?

Nach § 269 I StGB macht sich strafbar, wer zur Täuschung im Rechtsverkehr beweiserhebliche Daten so verändert, dass bei ihrer Wahrnehmung eine verfälschte Urkunde vorliegen würde oder wer derart veränderte Daten gebraucht (BVerwG, Urteil vom 5.12.2019 – 2 WD 29/18, Rn. 17, juris). Die Erklärung würde – in Papierform abgegeben – alle Urkundeneigenschaften (erkennbarer Aussteller, verkörperte Gedankenerklärung, Beweiseignung und -bestimmung) erfüllen. Die ausgedruckte Vorlage dieser manipulierten E-Mail wäre als Gebrauchmachen von verfälschten Daten ebenfalls strafbar.

Beweiserhebliche Daten sind neben den aufgenommenen Personendaten auch die amtlich festgestellten Ergebnisse von Fahrerlaubnisprüfungen und deren Teilprüfungsergebnisse, weil diese für die das Dokument bei der Fahrerlaubnisbehörde vorlegende Person, also den Antragsteller auf Zulassung für die praktische Fahrerlaubnisprüfung gemäß § 17 FeV, Beweiswert dafür haben, auf rechtmäßigem Wege die Voraussetzungen für den Erwerb einer Fahrerlaubnis gemäß §§ 15–18 FeV erfüllt zu haben.

Nach dem Inhalt des gespeicherten Datensatzes ist die die Prüfungsfragen tatsächlich beantwortende Person der wirkliche oder scheinbare Aussteller der Gedankenerklärung.

Eine Datenurkunde ist in Fällen wie dem vorliegenden unecht, weil nicht die unter ihrem angeblichen „Klarnamen“ auftretende Person die Erklärung, sprich: die namentlich und fachlich korrekt beantworteten Prüfungsfragen, abgegeben hat, sondern eine andere Person, die sich gerade nicht an der Erklärung festhalten lassen will, weil sie regelmäßig bereits im Besitz einer Fahrerlaubnis ist und die theoretische Prüfung nicht noch einmal ablegen muss (BGH, Beschl. vom 21.7.2020 – 5 StR 146/19, Rn. 36, juris).

Der Speicherbereich eines Tablets, auf dem die Prüfungsfragen durch die Software abgebildet werden und gelöst werden müssen, enthält ähnlich dem Speicher eines Mobiltelefons (EPROM/EEPROM) beweiserhebliche Daten im Sinne des § 269 I StGB und nicht lediglich ein Datenverarbeitungsprogramm (AG Göttingen, Urteil v. 4.5.2011 – 62 Ds 106/11, Rn. 51). Die im Rahmen einer Software zu lösenden Prüfungsfragen weisen insbesondere einen rechtlich erheblichen Inhalt auf, weil sie die Aufforderung enthalten, – im Rahmen einer Prüfungssituation zwischen dem Bewerber um eine Fahrerlaubnis und der Prüforganisation – eine theoretische Fahrerlaubnisprüfung durchzuführen, mithin eine Aufforderung zu einer Mitwirkung des Bewerbers. Die Prüfungsdaten lassen darüber hinaus jeweils einen anderen – nämlich den durch Ausweispapier ausgewiesenen Bewerber – als den tatsächlichen Aussteller erkennen und nicht diejenige Person, die die Prüfungsfragen tatsächlich beantwortet und dem Bewerber die richtigen Antworten lediglich fernmündlich übermittelt.

Eine besondere Gewährleistung der Authentizität der abgegebenen Daten verlangt § 269 StGB ebenso wenig wie § 267 StGB bei Urkunden, sodass der von § 16 FeV durch Vorlage von Ausweispapieren geforderte Identitätsnachweis für die Straftat nicht einmal erforderlich wäre.

Was bedeutet „speichern oder verändern“?

Ein Speichern oder Verändern beweiserheblicher Daten gemäß § 269 I StGB erfordert, dass beweiserhebliche Daten so manipuliert werden, dass im Falle ihrer visuellen Wahrnehmbarkeit im Sinne des § 267 StGB eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde (OLG Hamm, Beschluss vom 7.4.2020 – III-4 RVs 12/20, Rn. 32, juris).

Auch für das Abspeichern eines positiven Prüfungsergebnisses im PC der Prüforganisation bzw. nachfolgend der Fahrerlaubnisbehörde und das Versenden der Datei von der Prüforganisation oder einer Fahrschule an die Fahrerlaubnisbehörde als E-Mail-Anhang käme mangels Verkörperung allein § 269 I StGB in Betracht (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschl. vom 7.8.2018 – 2 Rev 74/18, Rn. 27, juris).

Was ist das Gebrauchmachen?

Verändert der Täter beweiserhebliche Daten und macht er von dieser Veränderung danach plangemäß Gebrauch, so ist insoweit nur von einer Tat auszugehen (BGH, Beschluss vom 21.4.2015 – 4 StR 422/14, Rn. 6, juris).

Wie muss der Täter zu seiner Tat stehen?

Der Täter muss die tatsächlichen Umstände der Tat kennen, aus denen sich die Strafbarkeit ergibt. Sowohl der Bewerber als auch die Person im Hintergrund wissen, dass sie über die Person der die Prüfung tatsächlich ablegenden Person täuschen und im Zusammenwirken ein manipuliertes Prüfungsergebnis produzieren. Somit ist direkt vorsätzliches Handeln gegeben. Dadurch, dass es beiden darauf ankommt, die Prüfung derart zu manipulieren, um eine bestandene Prüfung zu kreieren, handeln sie absichtlich.

Wie kann man zu einem Täter werden?

Mittäterschaftlich handelt, „wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die gemeinschaftliche Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint.“ (Fischer, Thomas, StGB Kommentar, 67. Aufl. 2020, § 25 StGB, Rn. 23). In diesem Sinne sind die Handlungen des Bewerbers und die Handlungen der im Hintergrund die Prüfungsaufgaben tatsächlich lösenden Person untrennbar miteinander verbunden. Beide sorgen in Arbeitsteilung für das Entstehen gefälschter beweiserheblicher Daten.

Getrennt davon zu beurteilen ist – mangels räumlich und fachlich direkter Teilnahme an der Prüfungssituation – der Tatbeitrag des Fahrlehrers, der die Idee für diese Täuschungshandlung hatte und die beiden Mittäter durch seine Vermittlung erst zueinander gebracht hat. Der betreffende Fahrlehrer handelt im Wissen um die Prüfungsmanipulation und regt diese bei den beiden Mittätern an, handelt also vorsätzlich und bereitet die vorsätzlich begangene rechtswidrige Tat der beiden Mittäter geistig vor. Damit stiftet er zu dieser Haupttat gemäß § 26 StGB an.

Wann greift eine Strafschärfung?

Ein ggf. zur Tat anstiftender Fahrlehrer und die im Hintergrund befindliche, die Prüfungsfragen tatsächlich lösende Person können, wenn sie aus diesem Zusammenwirken ein Geschäftsmodell entwickelt haben, ggf. auch den Qualifikationstatbestand des § 269 III StGB i.V.m. § 267 III Nr. 1 StGB verwirklichen.

4. Rechtsfolgen im Fahrerlaubnisrecht

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde u. a. dann die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Gemäß § 2 Abs. 5 Nr. 1 StVG ist nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer keine ausreichenden Kenntnisse der für das Führen von Kraftfahrzeugen maßgebenden gesetzlichen Vorschriften hat. Welche gesetzlichen Vorschriften maßgebend und welche Kenntnisse ausreichend sind, ergibt sich aus § 16 I, II FeV i.V. m. der Anlage 7 Teil 1 zur FeV und der Prüfungsrichtlinie (VkBl. 2002, 733). Diese Vorschriften füllen aufgrund der Ermächtigung in § 6 I Nr. 1 lit. e StVG die genannten unbestimmten Rechtsbegriffe verbindlich aus.

5. Rechtsfolgen im Fahreignungsrecht

Manipulationen bei der theoretischen Fahrerlaubnisprüfung werfen einen deutlichen Schatten auf die beteiligten Personen, die durch ihr täuschendes, immer in Mitwirkung einer anderen Person sich äußerndes Verhalten und deren charakterliche Einstellung gegenüber dem Fahrerlaubnisrecht. Die Frage der Fahreignung stellt sich bei folgenden Personenkreisen:

  • Bewerber, deren Manipulationsversuch vor einer theoretischen Prüfung aufgedeckt wird,

  • Bewerber, deren Manipulationsversuch während einer bereits begonnenen theoretischen Prüfung aufgedeckt wird,

  • Bewerber, deren Manipulationsversuch nach einer bereits abgeschlossenen theoretischen Prüfung, aber noch vor einer praktischen Prüfung aufgedeckt wird,

  • Inhaber von Fahrerlaubnissen, deren Manipulationsversuch nach einer vollständigen Prüfung und bereits erteilter Fahrerlaubnis aufgedeckt wird.

In den beschriebenen Fallvarianten und jedem der nachfolgend beschriebenen Anordnungsgründe ist die Polizei bei Tätigwerden als Strafverfolgungsbehörde dazu verpflichtet, gemäß § 2 XII StVG der Fahrerlaubnisbehörde die betreffenden Tatsachen – nach einer internen Prüfung der Erforderlichkeit im Rahmen des Fahreignungsrechts – mitzuteilen.

Hinsichtlich aller in das jeweilige Tatgeschehen involvierten Personen muss eine eigenständige Mitteilung an die Fahrerlaubnisbehörde des jeweiligen Wohnsitzes erfolgen, weil der Verdacht eines charakterlich bedingten Fahreignungsmangels gegeben ist.

Diese sind:

  • Bewerber um eine Fahrerlaubnis,

  • Inhaber einer Fahrerlaubnis,

  • bei der Täuschungshandlung mitwirkende Person,

  • anstiftende Person.

a) Die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung gemäß § 11 III Nr. 3 FeV

Jeder entdeckte Täuschungsversuch sollte der Fahrerlaubnisbehörde ebenso gemeldet werden wie nachträglich bekannt gewordene Täuschungshandlungen.

Sachverständige oder Prüfer müssen Eignungszweifel gemäß § 18 III FeV der Fahrerlaubnisbehörde bislang nur dann zwingend mitteilen, wenn sie während des Prüfungsverfahrens in Theorie- oder Praxisprüfung Zweifel erregende Tatsachen über die körperliche oder geistige Eignung eines Bewerbers festgestellt haben. Nach dieser Vorschrift könnte im Falle einer extensiven Interpretation eine mangelhafte geistige Eignung angenommen werden, wenn die manipulierte Prüfung als ein Indiz für eine geistige Überforderung des Bewerbers durch die aus seiner Sicht nicht ohne Manipulation erfolgreich zu bestehende Prüfung angesehen werden. Vor diesem Hintergrund besteht für die Fahrerlaubnisbehörde das Ermessen, gemäß § 11 III Nr. 3 FeV bei erheblichen Auffälligkeiten, die im Rahmen einer Fahrerlaubnisprüfung nach § 18 III FeV mitgeteilt worden sind, eine medizinisch-psychologische Untersuchung anzuordnen.

b) Die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung gemäß § 11 III Nr. 4 FeV

Eine weitere Möglichkeit zur Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung besteht gemäß § 11 III Nr. 4 FeV, wenn ein Verstoß gegen das Prüfungsrecht als ein erheblicher Verstoß gegen verkehrsrechtliche Vorschriften angesehen wird. Dabei zählt das Prüfungsrecht der FeV zu den verkehrsrechtlichen Vorschriften. Wenn während der Prüfung eine Täuschungshandlung vorgenommen wird, handelt es sich um den größtmöglichen Verstoß gegen das Prüfungsrecht, der in keinem Fall als unerheblich angesehen werden kann, sondern allein schon wegen der Rechtsfolge des in § 18 I 1 FeV zwingend vorgesehenen Nichtbestehens als erheblich im Sinne von § 11 III Nr. 4 FeV angesehen werden muss. Vorsichtiger äußert sich zu dieser Anordnungsmöglichkeit das VG Augsburg, das ausführt, letztlich bleibe es der Fahrerlaubnisbehörde unbenommen, aufgrund einer nachgewiesenen Manipulation in einer theoretischen Fahrerlaubnisprüfung Ermessenserwägungen dahingehend anzustellen, ob nach § 11 III Nr. 4 FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Klärung der charakterlichen Fahreignung des Antragstellers zu fordern ist (VG Augsburg, Beschluss vom 23.8.2005 – Au 3 S 05.00775, BeckRS 2005, 37460, beck-online).

c) Die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung gemäß § 11 III Nr. 6 FeV

Denkbar ist es auch, die Straftaten gemäß §§ 269, 271, 281 StGB als erhebliche Straftaten anzusehen, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stehen, weil deren immense Bedeutung für die Verkehrssicherheit durch das Fernhalten theoretisch nicht befähigter Personen von einer aktiven Verkehrsteilnahme als Kraftfahrzeugführer auf der Hand liegt, sodass auch aufgrund dieser Alternative eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet werden könnte.

6. Rechtsfolgen im Fahrlehrerrecht

Polizei, Prüfungsorganisation und Fahrerlaubnisbehörde sollten bei Kenntnisnahme von Manipulationsversuchen jede für sich eine Mitteilung an die nach Landesrecht gemäß § 51 I FahrlG zuständige Überwachungsbehörde übersenden. Dies gilt unabhängig von dem Verdacht, ob ein Fahrlehrer in den Manipulationsversuch persönlich involviert ist, genau deshalb, weil Fahrlehrer ggf. zumindest einen Beitrag zur sachlichen Aufklärung des Manipulationsversuchs leisten können. Besteht der Verdacht, dass ein Fahrlehrer in ein strafbares Verhalten involviert ist, dürfte zusätzlich der Verdacht mangelhafter Zuverlässigkeit gemäß § 2 I Nr. 4 FahrlG bestehen, der amtlich überprüft werden muss, um bei erwiesener Unzuverlässigkeit die Fahrlehrerlaubnis gemäß § 14 II 1 FahrlG zu widerrufen.

7. Fazit

Die beschriebenen möglichen Rechtsfolgen nach Manipulationen bei der theoretischen Fahrerlaubnisprüfung sind noch nicht in der Rechtsprechung der Strafgerichte wiederzufinden. Vielleicht halten die Strafrichter die hier vorgestellten Sanktionsmöglichkeiten auch für juristisch abwegig. In diesem Fall ist der Gesetzgeber gefragt, eine stimmige Strafrechtsnorm für dieses unbestritten vorhandene Deliktfeld zu schaffen, damit die entdeckten Täter eine adäquate strafrechtliche Sanktion für ihr Fehlverhalten fürchten müssen und so hoffentlich auch eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Täter einträte.

Für das Fahreignungsrecht können die hier beschriebenen Anordnungsmöglichkeiten bereits aktuell genutzt werden, da die Tatbestände der FeV den Fahrerlaubnisbehörden wesentlich mehr Entscheidungsspielraum belassen, als dies im Strafrecht der Fall ist.

In jedem Fall müssen Sachverständige, Prüfer, aber auch Fahrlehrer zukünftig weiterhin sehr aufmerksam ihre Klientel beobachten; denn es befinden sich noch einige bislang unentdeckte schwarze Schafe darunter, die, würde man sie einfach gewähren lassen, den Straßenverkehr bestimmt nicht sicherer werden lassen, wenn sie nach einer nur mittels Manipulation bestandenen Fahrerlaubnisprüfung auf den Straßen unterwegs sind.