Klimaneutral: Wie eine Fahrschule ihren CO2-Fußabdruck kompensiert

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juli/2021, Seite 494

Die Fahrschule SHORTCUT aus Buchen im Odenwald, Inhaber Michael Jaufmann, ist laut Urkunde der Fa. Fokus Zukunft GmbH & Co. KG seit einiger Zeit klimaneutral. Im Interview erklärt Kollege Jaufmann, wie sein Unternehmen dazu kam.

FPX:   Herr Jaufmann, wenn man von einer klimaneutralen Fahrschule hört, denkt man spontan an rein elektrisch betriebene Lehrfahrzeuge vom Moped bis zum Pkw. Auch grüner Strom aus einer Fotovoltaikanlage kommt einem in den Sinn. Ist Ihr Betrieb so ausstaffiert?

Jaufmann:   Momentan noch nicht. Fotovoltaik ist gerade in Planung und wird dieses Jahr noch installiert. Ich beziehe den Strom momentan nur aus der Steckdose, jedoch umgestellt auf grünen Strom, und zwar für Zuhause, Büro und Fahrschule. Einen rein elektrisch betriebenen Pkw (mittlerweile den 2.) habe ich seit über drei Jahren in der Fahrschule, daneben ein Schaltfahrzeug mit Benzin- und Gasverbrennung. Für die Ausbildung der Klasse AM gibt es einen Elektroroller. Die Motorräder habe ich bisher noch nicht auf elektrisch umgestellt, weil die Reichweiten momentan zu gering sind.

Die Firma Fokus Zukunft GmbH & Co. KG mit Sitz in Starnberg/Oberbayern hat Sie bezüglich einer Klima- und Nachhaltigkeitsstrategie beraten und auch den CO2-Fußabdruck ihres Betriebs erfasst. Welche „CO2-Sünden“ wurden dabei in Ihrem Betrieb entdeckt und festgehalten?

Ich bin diesbezüglich sehr gut aufgestellt und schaue, dass ich mich auch in anderen Bereichen umweltfreundlich verhalte. Zum Beispiel benutzen wir ausschließlich umweltfreundliches Papier, keine Plastikflaschen und -becher. Auch im privaten Leben gibt es viele Dinge, die man klimafreundlich umstellen kann, ohne wirkliche Einbußen. Unser CO2-Fußabdruck fiel aufs Jahr berechnet relativ gering aus. Ich habe ein Excel-Formular zugeschickt bekommen, in dem ich die Verbrauchswerte sowohl in der Fahrschule als auch im Büro angeben musste. Aufgrund dieser Aufzeichnungen wurde nach dem anerkannten Standard Greenhouse Gas Protocoll errechnet, wie viel CO2 der Fahrschulbetrieb emittiert. Die Ergebnisse waren schon sehr gut, sodass wir als logische Konsequenz zu unseren bisherigen Maßnahmen die nicht vermeidbaren Emissionen mit einem Klimaschutzprojekt ausgeglichen haben. Insgesamt wurden 56 Tonnen CO2-Emission pro Jahr ermittelt. Mit dem Kauf von Zertifikaten kann ich jetzt an anderer Stelle helfen, das Klima wieder zu verbessern. Mit den von mir erworbenen Zertifikaten wird die Wiederaufforstung und der Schutz des Regenwaldes in Brasilien gefördert.

Ging man bei der Erfassung der CO2-Lasten auch auf die Anzahl der Fahrstunden ein, die voraussichtlich im Zeitraum von zwei Jahren mit Verbrennern erteilt werden? Und auch auf die nennenswerten CO2-Emissionen, die bei der Herstellung betrieblich genutzter Einrichtungen, namentlich von Fahrzeugen, entstehen?

Selbstverständlich, das alles wurde berücksichtigt. Wie erwähnt, seit über 3 Jahren nutze ich den Audi A3 g-tron als Lehrfahrzeug mit herkömmlicher Schaltung. Dabei fahre ich zu 90 % mit Gas. Leider ist die Reichweite von 300 Kilometern nicht zu üppig. Meine Gasrechnungen und Benzinrechnungen flossen der unterschiedlichen Emission entsprechend in die CO2-Berechnung ein.

Aus der Ihnen verliehenen Urkunde geht hervor, dass Sie am 07.04.2021 die Treibhausgasemissionen Ihrer Fahrschule für die Jahre 2021 und 2022 durch den Erwerb von 112 Zertifikaten über die Firma Fokus Zukunft GmbH & Co. KG aus dem Projekt „VCS Waldschutz Brasilien” ausgeglichen haben. Wie stellt sich das Projekt „VCS Waldschutz Brasilien” in der Realität dar? Was wissen Sie darüber?

Das ist wirklich ein komplexes Thema, über das man sich anhand der sorgsam gefassten Unterlagen informieren kann. Es geht – um es einfach auszudrücken – darum, dass der aus den Zertifikaten (ein Klimaschutzzertifikat entspricht einer Tonne CO2, das vom Wald gespeichert wird) erzielte Erlös für den Waldschutz in Brasilien verwendet wird. Das heißt, dort werden neue Bäume gepflanzt und Bestände geschützt.

Wiederaufforstung ist sicher eine gute Sache, aber wenn die Rede von 112 Zertifikate ist, hört sich das nach einem ziemlichen Batzen Geld an.

In diesem Fall nicht. Je nach Projektart, Standort und Größe liegen die Kosten pro Klimaschutzzertifikat bei 3 bis 9 Euro. Ein Zertifikat für das Projekt „Waldschutz in Brasilien“ kostete mich 4,50 Euro. Es gibt unterschiedliche Projekte, die auch unterschiedlich bepreist sind. Für die 112 Zertifikate habe ich also 504 Euro bezahlt.

Ist der Aufwand für die Zertifikate steuerlich absetzbar?

Ja, es gilt als Betriebsausgabe.

Unsere Leserinnen und Leser werden sicher wissen wollen, welches Motiv Sie leitete, zwei Jahre Klimaneutralität für Ihre Fahrschule zu kaufen?

Dazu muss ich etwas ausholen: Ich interessiere mich schon seit Längerem dafür, was auf dem Markt der E-Mobilität passiert. Wir haben uns Mitte 2017 entschlossen, ein Elektrofahrzeug anzuschaffen, um eigene Erfahrungen mit dieser neuen Antriebstechnik zu machen. Nach eingehender Information haben wir im April 2018 das erste Elektrofahrzeug im Fahrschulbetrieb eingesetzt. Das Auto hat mich von Anfang an begeistert und überzeugt. Wir hatten zuvor immer Dieselfahrzeuge verwendet. Der letzte war ein Audi A5. Damals kam gerade das Thema AdBlue auf. Um eine saubere Verbrennung zu erreichen, musste man zusätzlich Harnstoff tanken. Das hat mir nicht gefallen. Deshalb erwarb ich neben dem E-Auto den A3 g-tron, der auch mit Gas läuft. Seitdem habe ich bezüglich Umweltschonung ein besseres Gefühl. Warum ich die Klimaneutralität anging? Die Zeitschrift Fahrschule gab mir im Frühjahr mit einem Bericht den Anstoß dazu, weil danach Umweltschonung bei jungen Leuten gut ankommt. Bei meinen Erkundigungen stieß ich auf die Fokus Zukunft GmbH & Co. KG. Die Zusammenarbeit mit diesem Unternehmen war von Anfang an sehr angenehm. Die Firma ist sehr gut aufgestellt und geht mit den Kunden fair um. Sie macht einen sehr seriösen Eindruck. Es handelt sich um einen Familienbetrieb, der immer weiter ausgebaut wurde. Der Chef des Unternehmens war vorher in der Gasbranche tätig und wollte nun mit Blick auf eine CO2-saubere Zukunft – auch für seine Enkel – mehr für die Umwelt tun.

Zusammengefasst: Als Einzelner etwas für die Umwelt tun zu wollen, war das Ihr Motiv?

Genau. Es war schon immer eine große Motivation für mich, Dinge anzugehen die neu und unbekannt sind. Leider werde ich dafür teilweise noch belächelt, auch von Kolleginnen und Kollegen.

Denken Sie daran, das Prädikat Klimaneutral werblich zu nutzen?

Ja. Auch ein Grund, die Klimaneutralität anzustreben, war die Annahme, dass Fahrschüler/-innen das schätzen würden. Vielleicht nicht alle, aber sicher mehr als 50 Prozent der aktuellen Kunden und zunehmend wohl auch die zukünftigen Führerscheinaspiranten. Die Klimaneutralität habe ich auch auf meiner Homepage präsentiert und dafür schon positive Feedbacks erhalten. Und eines muss uns klar sein, ohne lokale Vermeidung von CO2 geht es nicht. Die Klimaneutralität durch den Kauf von Zertifikaten ist lediglich ein wichtiger Baustein in einer ganzheitlichen Klimaschutzstrategie. Sicher gibt es einige, für die das Thema keine Bedeutung hat, aber das wird immer so sein.

Werden Sie nach Ablauf der beiden Jahre, also im Jahr 2023, erneut in diese Form der CO2-Reduktion investieren?

Nach heutigem Stand der Dinge auf jeden Fall. Ich habe mit einem Vertreter (G. Endres) von Fokus Zukunft GmbH & Co. KG darüber gesprochen, ob mein Betrieb nicht sogar den Weg zu einer klimapositiven Einstufung gehen könnte. Das wurde verneint. Es sei nicht möglich, solange der Strom nicht über die eigene Fotovoltaikanlage produziert werde. Mein nächstes Ziel ist nun, nicht nur klimaneutral, sondern klimapositiv eingestuft zu werden.

Herr Jaufmann, besten Dank für Ihre Zeit und das offene Gespräch.

Das Interview führte Gebhard L. Heiler

Michael Jaufmann - Foto: privat

Zur Person

Michael Jaufmann, 51, trat nach Abschluss der Mittelschule in eine Lehre als Bauschlosser ein. 1995 schloss er die Ausbildung zum Fahrlehrer der Klassen 3 und 1 (heute A und B) an der Verkehrspädagogischen Akademie (VPA) in Kirchheim u. Teck erfolgreich ab. Von 1995 an arbeitete Jaufmann als angestellter Fahrlehrer. Seit 2004 ist er Inhaber der Fahrschule SHORTCUT in Buchen.