Online-Learning: Freiburger Fahrschule prescht vor

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe März/2021, Seite 196

Fernunterricht, Cyber-Learning, E-Learning, Online-Learning, Blended Learning sind Begriffe, die das Bildungswesen auf allen Ebenen durchgeistern, und zwar nicht erst seit Corona. Doch die Pandemie treibt die Idee des Lernens am Computer geradezu viral voran. Fahrschulen, bisher streng zur Erteilung von Unterricht „nur in ortsfesten Räumen“ verpflichtet, dürfen für die Vermittlung des Stoffs der theoretischen Fahrausbildung unter bestimmten Voraussetzungen während der Dauer der Coronakrise nun auch Online-Unterricht anbieten.

Einer der Pioniere des Online-Lernens für Fahrschüler/-innen ist Sascha Fiek, Fahrlehrer für alle Klassen und Geschäftsführer der Academy Fahrschule Fiek GmbH in Freiburg. Wir haben mit ihm über die pädagogische und technische Organisation seines innovativen Projekts gesprochen und ihn zu seinen bisher gewonnenen Erfahrungen, Erkenntnissen und seinen Vorstellungen zur Zukunft des E-Lernens befragt.

FPX: Herr Fiek, Sie haben es zwar nicht erfunden, aber in der Fahrschulbranche gelten Sie als ein Protagonist für das E-Learning. Seit wann werden Ihre Fahrschüler via Internet unterrichtet?

Sascha Fiek: Ich möchte mich nicht mit falschen Lorbeeren schmücken. Ich weiß, es gibt viele Kolleginnen und Kollegen in Baden-Württemberg, die vielleicht sogar früher als wir damit angefangen haben. Tatsächlich haben wir uns bereits im ersten Lockdown intensiv mit der Möglichkeit des Online-Unterrichts beschäftigt und diesen vorbereitet. Deswegen war es jetzt im zweiten Lockdown möglich, relativ früh zu beginnen. Der erste Online-Unterricht unserer Fahrschule fand am 14. Januar 2021 statt und ist jetzt dauerhaft etabliert.

Wie läuft Ihr Projekt?

Überraschend gut. Ich hatte mit mehr Hürden gerechnet. Man kann sagen, alle Unterrichte haben funktioniert. Freilich gab es den einen oder anderen technischen Ausfall. Wir mussten etwas nachjustieren, auch technisch, aber unterm Strich sind alle Beteiligten sehr zufrieden. Es ist eine große Begeisterung zu spüren, sowohl auf Seiten der Lehrenden als auch der Fahrschüler/-innen.

Welchen technischen Voraussetzungen bedurfte es seitens Ihres Betriebes und welchen seitens der Fahrschüler/-innen, um online unterrichten zu können?

Uns ging es vor allem darum, die Fahrschüler/-innen von großen Anforderungen freizuhalten: Sie sollten nichts installieren müssen, keine eigene App oder Ähnliches. Das war eine Voraussetzung. Das schafften wir mit einer rein browserbasierten Lösung und haben als Unterrichtssoftware den BigBlueButton verwendet, der sich uns besonders wegen der datenschutzrechtlichen Seite anbot. Wir hatten uns schon während des ersten Lockdowns mit der Frage befasst, mit welcher Plattform man wohl am besten arbeitet. Dabei erschien uns die Open-Source-Plattform aus datenschutzrechtlicher Sicht als die für uns beste Lösung. Die einzurichten, das räume ich ein, ist nicht ganz einfach. Dafür haben wir eine hervorragende IT-Betreuung im Unternehmen, die für uns eigene Server einrichtete. Sicherlich ist das so nicht jedermanns Sache. Inzwischen gibt es auch andere technische Lösungen wie Zoom oder GoToMeeting, die manche Fahrschulen nutzen.

Gab es technische und elektronische Hindernisse?

Ja, durchaus. Besonders am Anfang erfuhren wir, dass der Zugang technisch nicht ganz einfach lief. Da musste man wieder updaten, den Server neu installieren, die Netzwerktechnik verbessern usw. Da ist im Hintergrund schon einiges zu tun gewesen. Aber ich möchte hier niemand Bange machen. Die Installation ist mit Standardplattformen sicherlich einfacher. Wir haben da vieles selbst gestrickt. Das war es wohl, was zu Hindernissen führte. Wenn man auf bewährte Dienstleister setzt, geht das sicher problemloser.

Waren kostspielige Investitionen erforderlich?

Ich antworte zunächst mal mit einem Jein. Fahrschulen können sehr kostengünstige Lösungen umsetzen. Da fallen dreistellige Beträge an, mit denen man schon recht weit kommen kann. Wir haben aus dem Anspruch heraus, etwas richtig Gutes zu kreieren, ein paar tausend Euro in die Hand genommen. Aber das ist kein Muss, sondern mehr dem Umstand geschuldet, dass ich erreichen wollte, eine Art kleines Studio zu haben, in dem man unser Vorhaben sehr gut umsetzen kann.

Ist das Unterrichten vor Kamera und Mikrofon dasselbe wie vor einer realen Klasse? Können Fahrlehrer/-innen das per se, also ohne vorherige Einweisung?

Im ersten Moment ist es für alle ungewohnt. Ich habe selbst online unterrichtet und meine Eindrücke und Erfahrungen an viele unserer Fahrlehrer weitergereicht, die sich gerne darauf einließen, es auch auszuprobieren. – Im ersten Moment ungewohnt, aber schon nach kurzer Zeit zeigte sich: Fahrlehrer kommen schnell damit klar, auf diese Art zu unterrichten. Natürlich hat man am Anfang ein bisschen Manschetten, gewisse Sorgen, und es ist erst mal komisch, in eine Kamera reinzuschauen und die Klasse quasi auf einem großen Bildschirm vor sich zu haben. Aber es hat sich gezeigt, dass es bei allen Kollegen nach kurzer Anfangsphase begonnen hat sich einzuspielen. Inzwischen bekomme ich die Rückmeldung, wonach es für viele schon ganz normal geworden ist, auf diese Art und Weise zu unterrichten.

Ob Fahrlehrer/-innen das von sich aus können? Wir haben alle intensiv begleitet, wir waren meistens zu zweit oder zu dritt vor Ort, um zu unterstützen. Mir war wichtig, von Anfang an immer zwei Unterrichtende zu haben, die das jeweilige Pensum in einem gemeinsamen Arbeitsprozess meistern. Besonders am Berufsanfang stehende Fahrlehrer/-innen, die erstmalig online unterrichten, sollten immer jemanden an der Seite haben, der sie unterstützt. Das ist meiner Meinung nach sehr wichtig.

Wie haben die Fahrschüler/-innen das E-Learning angenommen?

Für die Fahrschüler/-innen war das wahrscheinlich die leichteste Übung, weil sie das durch die zahlreichen Unterrichte, die sie selbst in der Schule oder an der Universität erleben, schon gewohnt sind. Für sie ist E-Learning bereits Standard geworden, insofern war es für sie nichts Besonderes. Schön ist es, dass wir z.T. sehr positive Rückmeldungen bekommen haben. Ein Student hat uns mitgeteilt, dass er sehr viel Unterricht an der Universität online genieße, unserer aber der Beste sei, den er je erlebt habe. Das hat uns sehr gefreut.

Wie viel Prozent Ihrer Fahrschüler/-innen machen mit?

Die Interaktion im Unterricht ist sehr stark. Das heißt, die Schüler/-innen sind sehr aktiv. Man spürt auch eine gewisse Euphorie auf beiden Seiten. Sowohl für die Fahrlehrer als auch für die Schüler/-innen ist es eine neue Welt. Alle sind sehr bemüht, es gut auf die Reihe zu bringen. Viele Fahrlehrer koppeln mir zurück, dass die Schüler/-innen online sogar aktiver dabei sind als im Präsenzunterricht.

Ist nach Ihrer bisherigen Erfahrung das Maß der Lehrer-Schüler-Interaktion etwa gleich wie im Präsenzunterricht, geringer oder stärker?

Am Anfang war es sogar stärker, die Interaktion war intensiver zwischen Lehrer und Schüler/-innen. Das wird sich sicher wieder ein wenig nivellieren. Wir haben hier bewusst mit zwei Lehrern gearbeitet, das heißt, es gab eine Interaktion zwischen einem Fahrlehrer und einem Co-Fahrlehrer. Das hat die ganze Sache sehr intensiviert. Man hat von unterschiedlichen Seiten Fragen gestellt, das hat die Schüler/-innen sicher sehr stark motiviert, das war interessant für sie. Deswegen war der Austausch tatsächlich intensiver, als man es gewöhnlich im Präsenzunterricht erlebt.

Verfügt Ihr Programm über zuverlässige Kontrollfunktionen? Wer hat wann, woran und wie oft teilgenommen?

Da muss man das Thema Datenschutz einbeziehen. Bei Kontrollfunktionen bin ich immer etwas vorsichtig. Wir machen keine automatisierten Aufzeichnungen oder Ähnliches. Das wäre aus Datenschutzgründen sicher nicht zulässig. Es wird aber während des gesamten Unterrichts kontrolliert, wer dabei ist. Das heißt, die Kameras sind nur für die Unterrichtenden sichtbar. Wir sehen, wer vor der Kamera wie interagiert mit uns. Wir sind zu zweit im Raum. Das heißt, mindestens ein Fahrlehrer ist immer dabei, der auf den Schirm schaut und sieht, wer ist anwesend, wer ist aktiv, wer macht mit. Insofern haben wir während des gesamten Unterrichts Kontrolle darüber, wer vor dem Bildschirm sitzt. Ob am Ende des Tages auch jeder Schüler/jede Schülerin tatsächlich den Unterricht intensiv verfolgt, kann auch keine noch so ausgeklügelte Kontrollfunktion überwachen, das gilt auch für den Präsenzunterricht. Auch da kann ein Schüler/eine Schülerin einen interessiert anschauen und trotzdem über etwas ganz anderes nachdenken. Also wir können nur schauen: Sind sie anwesend, machen sie mit. Wir versuchen sie zur Interaktion zu bewegen. Das funktioniert auch gut. Mehr Kontrolle brauchen wir an dieser Stelle sicher nicht.

Und wie wird der Lernstand überprüft?

Wir machen, wie im normalen Unterricht, auch Lernzielkontrollen. Wir stellen Rückfragen. Es gibt auch ein Umfragetool, mit dem wir gezielt Fragen stellen, um herauszufinden, wer in der Gruppe welche Antworten gibt. Zudem besteht die Möglichkeit, mit Arbeitsblättern zu arbeiten und Feedbacks einzuholen – z.T. über Emojis, die eingeblendet werden. Sie sehen, es sind eine ganze Reihe von Feedbackmitteln vorhanden, die eine Lernzielkontrolle ermöglichen. Zusätzlich gibt es die üblichen Funktionen der Unterrichtssoftware, die parallel eingesetzt wird. Bei uns ist es das „Professional“ vom Vogel-Verlag, in das ebenfalls viele Lernzielkontrollen eingebaut sind. Auch die werden selbstverständlich genutzt.

Gibt es erste Prüfungsergebnisse, die auf Unterschiede zwischen Online-Geschulten und Teilnehmenden am Präsenzunterricht hindeuten?

Das wäre zum heutigen Zeitpunkt noch zu früh. Wir haben mit dem Online-Unterricht erst am 14. Januar angefangen. Da sind zwar einige dabei, die bereits zwei, drei Online-Unterrichte besucht haben und dann in die Theorieprüfung gehen, aber es wäre zu früh, daran etwas ablesen zu wollen.

Wie, Herr Fiek, wird nach Ihrer Meinung theoretischer Fahrschulunterricht in Zukunft erteilt werden: streng nach Präsenzregiment, nur noch Online oder eher in einer Mischung aus beidem?

Ich denke, es wird vielfältiger werden, wir werden uns breiter aufstellen in den Fahrschulen. Es wird unterschiedliche Formen geben: Präsenz wird es nach wie vor geben, die macht auch ihren Sinn. Es wird Onlineanteile geben und sicherlich auch hybride Anteile. Darauf haben wir uns explizit vorbereitet, dass man sowohl Schüler/-innen im Raum als auch online unterrichtet. Dafür wird man zwei Fahrlehrer einsetzen müssen. Und dann werden auch Blended-Learning-Formen eine Rolle spielen. Ich denke, es tut unserer Branche gut, wenn wir die in der Pandemie gegebene Situation, ausschließlich Online-Unterricht erteilen zu dürfen, für die Analyse nutzen: Wo ist Online-Unterricht sinnvoll einsetzbar, wo brauchen wir Präsenz, wo machen wir Mischformen? Das wird dazu führen, dass in der Fahrschulbranche der Theorieunterricht vielfältiger und bunter werden wird – und vielleicht sogar besser.

Vielen Dank für Ihre erhellenden Ausführungen.

Das Interview führte Gebhard L. Heiler.

Foto: privat

Zur Person

Sascha Fiek, 46, trat nach Studium, Staatsexamen und Erwerb der Fahrlehrerlaubnisse für alle Klassen 2005 in den elterlichen Betrieb, die ACADEMY Fahrschule Fiek GmbH in Freiburg, ein. Fiek ist verheiratet und Vater eines Sohnes. Kommunalpolitisch engagiert er sich seit 2009 für die FDP als Stadtrat in Freiburg.