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Ausbildungsvertrag: Kündigungsgründe der Fahrschule
© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe November/2021, Seite 706
Unzufriedene Fahrschüler können den Ausbildungsvertrag jederzeit kündigen. Wie aber ist es, wenn die Fahrschule einen missliebigen Fahrschüler loswerden will? Kann auch sie den Vertrag ohne Weiteres kündigen?
In Deutschland herrscht Vertragsfreiheit. Niemand ist gezwungen, einen Vertrag abzuschließen. Das gilt auch für Fahrschulen. Ein von einer Fahrschule nicht angenommener Führerscheinaspirant ist nicht unangemessen benachteiligt, denn er kann sich eine andere Fahrschule aussuchen. Grenzen der Ablehnung eines Kunden setzt lediglich das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes. Gemäß Artikel 21 darf niemand wegen seines Geschlechts, seiner Hautfarbe, seiner ethnischen Herkunft, seiner Religion etc. benachteiligt werden.
§ 249 BGB – Pacta sunt servanda
Kommt zwischen zwei Parteien ein Vertrag zustande, ist dieser für beide Seiten bindend. Das ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB § 249 – Leistung nach Treu und Glauben) geregelt. Der Grundsatz Pacta sunt servanda (auf Deutsch: Verträge müssen eingehalten werden) ist eine der wichtigsten Regeln des öffentlichen und privaten Rechts. Beide Vertragspartner müssen sich darauf verlassen können, dass sich der andere an den Vertrag hält. Der Fahrschüler hat somit ein Anrecht, von der Fahrschule ausgebildet zu werden, und im Gegenzug muss die Fahrschule für ihre Leistung bezahlt werden.
Vertragsende durch Fristablauf
Allerdings gilt diese Verpflichtung nicht für unbestimmte Zeit. Es ist zulässig, einen Vertrag auf eine bestimmte Zeitdauer zu begrenzen. Dies kann in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) geregelt werden. Gemäß Ziffer 1 der von der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V. (BVF) empfohlenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Fahrschulen endet der Vertrag – auch ohne bestandene Fahrerlaubnisprüfung – in jedem Fall nach Ablauf eines Jahres. Auch eine Begrenzung auf nur sechs Monate ist weit verbreitet. Aber Achtung: Wird nach Ablauf dieser Frist mit dem Kunden kein neuer Ausbildungsvertrag – z. B. mit höheren Ausbildungsentgelten – geschlossen und die Ausbildung einfach fortgesetzt, verlängert sich der alte Vertrag mit den bisherigen Konditionen automatisch (konkludent) um ein weiteres Jahr bzw. um weitere 6 Monate.
Kündigung durch den Fahrschüler
Wie erwähnt, kann der Kunde den Ausbildungsvertrag jederzeit kündigen. Die Kündigung muss in Textform – also per Post oder E-Mail erfolgen. Ein Anruf bei der Fahrschule oder eine Mitteilung per WhatsApp erfüllen diese Pflicht nicht.
Ausbildungsnachweis ist Pflicht
In § 6 Absatz 2 FahrschAusbO heißt es: „Wird die Ausbildung nicht abgeschlossen oder wechselt der Fahrschüler die Fahrschule, sind dem Fahrschüler die absolvierten Ausbildungsteile mit dem Ausbildungsnachweis zu bestätigen.“
Das ist ein klarer Rechtsanspruch. Selbst wenn der Kunde noch offene Rechnungen bei der Fahrschule hat, ist es nicht zulässig, den Ausbildungsnachweis zurückzuhalten oder den geschuldeten Betrag durch Übersendung des Ausbildungsnachweises per Nachnahme zu erheben.
Merke: Die Verweigerung des Ausbildungsnachweises ist eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit. Gemäß Ziffer 32 des Baden-Württembergischen Bußgeld- und Maßnahmenkatalogs Fahrlehrerrecht droht neben einem Bußgeld von bis zu 1.000 € auch eine Meldung der Behörde an das Fahrlehrerregister.
Anspruch auf Teilerstattung des Grundbetrags
Gemäß § 32 FahrlG ist der Grundbetrag das pauschalierte Entgelt für die allgemeinen Aufwendungen des Fahrschulbetriebs, einschließlich des gesamten theoretischen Unterrichts. Deshalb steht einem Fahrschüler, dessen theoretische Ausbildung zum Zeitpunkt seiner Kündigung noch nicht abgeschlossen war, eine teilweise Erstattung des Grundbetrags zu. Dazu heißt es in Ziffer 6 (Entgelte bei Vertragskündigung) der von der BVF empfohlenen AGB:
Wird der Ausbildungsvertrag gekündigt, so hat die Fahrschule Anspruch auf das Entgelt für die erbrachten Fahrstunden und eine etwa erfolgte Vorstellung zur Prüfung.
Kündigt die Fahrschule aus wichtigem Grund oder der Fahrschüler, ohne durch ein vertragswidriges Verhalten der Fahrschule veranlasst zu sein (siehe Ziff. 5), steht der Fahrschule folgendes Entgelt zu:
a) 1/5 des Grundbetrages, wenn die Kündigung nach Vertragsschluss mit der Fahrschule, aber vor Beginn der Ausbildung erfolgt;
b) 2/5 des Grundbetrages, wenn die Kündigung nach Beginn der theoretischen Ausbildung, aber vor der Absolvierung eines Drittels der für die beantragten Klassen vorgeschriebenen theoretischen Mindestunterrichtseinheiten erfolgt;
c) 3/5 des Grundbetrages, wenn die Kündigung nach der Absolvierung eines Drittels, aber vor dem Abschluss von zwei Dritteln der für die beantragten Klassen vorgeschriebenen theoretischen Mindestunterrichtseinheiten erfolgt;
d) 4/5 des Grundbetrages, wenn die Kündigung nach der Absolvierung von zwei Dritteln der für die beantragten Klassen vorgeschriebenen theoretischen Mindestunterrichtseinheiten erfolgt, aber vor deren Abschluss;
e) der volle Grundbetrag, wenn die Kündigung nach dem Abschluss der theoretischen Ausbildung erfolgt.
Kündigung des Ausbildungsvertrags durch die Fahrschule
Auch die Fahrschule darf einen Ausbildungsvertrag kündigen. Dabei muss man jedoch zwei Fallkonstellationen unterscheiden:
1. Kündigung aus wichtigem Grund
Es gibt drei Gründe, aus denen der Fahrschule die Fortsetzung der Ausbildung nicht zugemutet werden muss. Das ist in Ziffer 5 der AGB (Kündigung des Vertrags) geregelt. Dort heißt es:
Der Ausbildungsvertrag kann vom Fahrschüler jederzeit, von der Fahrschule nur aus wichtigem Grund gekündigt werden: Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn der Fahrschüler
a) trotz Aufforderung und ohne triftigen Grund nicht innerhalb von 4 Wochen seit Vertragsabschluss mit der Ausbildung beginnt oder er diese um mehr als 3 Monate ohne triftigen Grund unterbricht,
b) den theoretischen oder den praktischen Teil der Fahrerlaubnisprüfung nach jeweils zweimaliger Wiederholung nicht bestanden hat,
c) wiederholt oder gröblich gegen Weisungen oder Anordnungen des Fahrlehrers verstößt.
In diesen drei Fällen kann sich die Fahrschule problemlos vom Kunden trennen. Selbstverständlich gelten auch dann die oben erwähnten Regelungen für eine teilweise Rückerstattung des Grundbetrags.
2. Kündigung ohne wichtigen Grund
Dabei ist folgender Passus am Ende von Ziffer 6 der AGB zu beachten:
Kündigt die Fahrschule ohne wichtigen Grund, oder kündigt der Fahrschüler, weil er durch ein vertragswidriges Verhalten der Fahrschule dazu veranlasst wurde, steht der Fahrschule der Grundbetrag nicht zu. Eine Vorauszahlung ist zurückzuerstatten.
Will die Fahrschule einen missliebigen Kunden loswerden, kann sie also grundsätzlich auch ohne wichtigen Grund kündigen. Ein Wehrmutstropfen ist dabei die dem Verbraucherschutz geschuldete Regelung, dass in diesem Fall der Grundbetrag ohne Wenn und Aber vollständig zurückbezahlt werden muss.
Das gilt auch dann, wenn der Kunde die theoretische Ausbildung bereits vollständig durchlaufen oder sogar schon die Theorieprüfung bestanden hat. Der Kunde muss nun eine andere Fahrschule suchen und dort im Regelfall erneut einen Grundbetrag entrichten. Hintergrund ist, dass das BGB Regelungen verbietet, die den Kunden einseitig benachteiligt. Deshalb darf ihm die zweimalige Zahlung des Grundbetrags nicht zugemutet werden.
Schließung der Fahrschule wegen Betriebsaufgabe
In jüngster Zeit werden immer wieder einmal Fahrschulen geschlossen, weil der Inhaber sich zur Ruhe setzen will und keinen Nachfolger gefunden hat. Teilt er seinen noch nicht fertig ausgebildeten Kunden die Schließung mit und fordert sie auf, sich eine andere Fahrschule zu suchen, handelt es sich rechtlich um den Bruch des mit den Kunden geschlossenen Ausbildungsvertrags. Auch dieses vertragswidrige Verhalten der Fahrschule hat Anspruch auf Rückzahlung des Grundbetrags zur Folge. Der angehende Pensionär tut deshalb gut daran, sich proaktiv um die Suche nach einer Fahrschule zu kümmern, bei der seine Kunden – möglichst zu den bisherigen Konditionen und ohne einen Grundbetrag entrichten zu müssen – ihre Ausbildung fortsetzen können.
Jochen Klima