Studie Mobilität und Verkehr: Das Auto ist klarer Favorit

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe November/2021, Seite 736

Es gibt nicht die eine Mobilitätslösung. Vielmehr erfordern unterschiedliche Lebensorte und -formen, also die verschiedenen Lebensrealitäten und Wünsche der Menschen, jeweils andere Arten von Mobilität. Dennoch steht laut der jüngsten Allensbach-Studie im Auftrag des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) für die Mehrheit fest, dass man mit keinem Verkehrsmittel so unabhängig und flexibel ist wie mit dem Auto.

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Mit Blick auf die Einstellung der Bevölkerung zur Mobilität stehen Schlagworte wie Unabhängigkeit, Flexibilität, öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV), Schnelligkeit oder Sicherheit im Fokus. Das Auto steht dabei für die Mehrheit klar im Zentrum ihrer Mobilitätsbedürfnisse. So sind 76 Prozent der Ansicht, dass man mit dem Auto am unabhängigsten und flexibelsten ist. Die Hälfte aller Befragten ist überdies überzeugt, dass sie ohne Auto nicht oder nur schwer das gewohnte Leben führen kann. Und jeder Dritte sagt, dass er sich in keinem anderen Verkehrsmittel so sicher fühlt wie im eigenen Auto.

Faktoren wie Schnelligkeit und Zeitersparnis spielen bei vielen eine große Rolle. Daher plädieren weitere 43 Prozent der Befragten für eine bessere Vernetzung der verschiedenen Verkehrsmittel.
Angesichts der vielfältigen Anforderungen im Alltag, wie Arbeit, Einkauf oder Familienaktivitäten, sind nach dem Auto als Liebling Nummer 1 (76 %) das Fahrrad (49 %) und der ÖPNV (42 %) für die Befragten die unverzichtbarsten Verkehrsmittel. Weitere 23 Prozent können zudem nicht auf die Nutzung regionaler oder überregionaler Züge verzichten.

Auto: praktischer und schneller

Die Mehrheit bevorzugt das Auto, weil es vor allem praktischer ist und schneller geht als mit anderen Verkehrsmitteln. Die Einschätzung zur Bedeutung der einzelnen Verkehrsträger unterscheidet sich allerdings deutlich zwischen Stadt und Land. Während die Bewohner ländlicher Regionen das Auto überdurchschnittlich oft für ihren privaten Alltag als unverzichtbar einstufen, sind es bei Städtern der ÖPNV oder das Fahrrad. Dennoch ist selbst in Großstädten das Auto der Liebling der Bürger, so die Studie. Damit ist der Stellenwert des Autos in sämtlichen privaten und beruflichen Lebensbereichen immens hoch. So halten Menschen, die über ein Auto im eigenen Haushalt verfügen, es schlichtweg für unverzichtbar (61 %). Weitere 22 Prozent könnten nur sehr schwer darauf verzichten. Auch mit Blick auf die verschiedenen Bevölkerungsgruppen würde es der Mehrheit schwerfallen, auf ihr Auto zu verzichten: Dieser Meinung schließen sich überdurchschnittlich oft Personen mittleren Alters, Bewohner des ländlichen Raums und vor allem die, die oft mit ihrem Auto unterwegs sind, an. Dagegen für überproportional verzichtbar mit Blick auf den persönlichen Gebrauch halten jüngere Menschen das Auto. So könnten 22 Prozent der unter 30-Jährigen ohne Weiteres auf ein Auto verzichten.

Ausbau und Optimierung der Infrastruktur gefordert

Betrachtet man die verkehrspolitischen Prioritäten der Bevölkerung, so sehen 74 Prozent die Entwicklung der städtischen Verkehrsinfrastruktur zu einem kostengünstigeren öffentlichen Nahverkehr als besonders wichtig sowie 62 Prozent dessen Ausbau. Dagegen halten lediglich 29 Prozent der Befragten den Ausbau des Straßennetzes für vordringlich. Ganz oben auf der Agenda der Bevölkerung stehen zudem besser aufeinander abgestimmte Ampelschaltungen, der Ausbau der Fahrradwege sowie eine Verbesserung der Park & Ride-Angebote. Den Ausbau von Ladestationen für Elektroautos in Städten erachten vier von zehn Bürgern als vordringlich. Wenig Unterstützung bekommen dagegen Maßnahmen, die den Autoverkehr in den Innenstädten reduzieren oder ihn ganz aus den Städten verbannen sollen.

Insgesamt zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung:
Für die generelle Einführung von Tempo-30-Zonen sprechen sich 24 Prozent der Großstadtbewohner, jedoch nur 9 Prozent der Landbevölkerung aus. Während sich Großstädter ihre Stadt tendenziell als Lebens- und Erholungsraum ohne störenden Autoverkehr wünschen, nutzen Bewohner des ländlichen Raums die Städte dagegen vor allem, um dort zu arbeiten oder ihre Freizeit zu verbringen. Daher wünscht sich diese Gruppe im Gegensatz zu den Städtern beispielsweise auch ungleich mehr ausreichend Parkmöglichkeiten und einen möglichst staufreien Zugang zu den Innenstädten. Mit dem derzeitigen Zustand der Verkehrsinfrastruktur in ihrer näheren Umgebung herrscht demgegenüber Einigkeit bei Stadt- und Landbewohnern: Die große Mehrheit der Bürger bewertet diesen positiv, nämlich rund drei Viertel der Bevölkerung sind mit dem Zustand des Straßenverkehrs bei sich vor Ort zufrieden oder sehr zufrieden, während nur gut jeder Fünfte eine negative Bilanz zieht.

Unzureichende Ladeinfrastruktur bremst Elektromobilität

Kritisch äußert sich dagegen die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung mit Blick auf den unbefriedigenden Zustand bei Ladestationen, der am häufigsten als Vorbehalt gegen die Elektromobilität genannt wird. Daneben halten viele die Reichweite der Autos für zu gering (59 %) und weitere 53 Prozent den Ladevorgang für zu zeitraubend. Entsprechend der genannten Vorbehalte ist die Bereitschaft der Bevölkerung, sich ein Elektroauto anzuschaffen, nicht groß. So rangieren reine Elektrofahrzeuge bei der Anschaffung neuer Autos lediglich auf Rang vier. Jeder Dritte plant die Anschaffung eines Benziners, weitere 9 Prozent eines Dieselfahrzeuges. Damit dominieren nach wie vor Autos mit Verbrennungsmotoren die Kaufpläne der Menschen. Entsprechend spricht sich die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Forderung aus, ab 2030 keine neuen Autos mehr mit Benzin- oder Dieselmotoren zuzulassen. Aufgeschlossen für ein Verbot von Benzinern und Dieselfahrzeugen zeigen sich dagegen die unter 30-Jährigen. Insgesamt werden laut VDA angesichts der vielfältigen Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung Angebote benötigt, die den Kriterien Flexibilität und Schnelligkeit genügen. Daher sollte sich die mobilitätspolitische Debatte stärker mit verbesserten Rahmenbedingungen, vor allem für den ÖPNV und die Infrastruktur, beschäftigen. Beschränkungen der individuellen Mobilität ohne adäquate Alternativen gingen an den Bedürfnissen der Bürger vorbei, so das Resümee der Studie.

Isabella Finsterwalder

 

Interview mit Prof. Dr. Stefan Bratzel

Entemotionalisiert – das neue Verhältnis junger Menschen zum Auto

FPX: Junge Menschen stehen dem Thema Auto heute ganz anders gegenüber als frühere Generationen. Wie äußert sich das?

Prof. Bratzel:   Schon seit Jahren stellen wir eine gewisse „Entemotionalisierung“ sowohl der Autonutzung als auch des Autokaufs fest. Die jüngere Generation ist mit dem Auto deutlich weniger emotional verbunden und hat stattdessen ein rationaleres Verhältnis zum Fahrzeug, begreift es eher als Mittel zum Zweck. Viele fahren zwar noch gerne, und gerade auf dem Land sind sie auf das Auto angewiesen, aber es gibt nicht mehr diesen starken emotionalen Bezug. So machen junge Menschen den Führerschein oft später und besitzen nicht unbedingt ein eigenes Auto. Gleichzeitig sehen wir aufgrund der Pandemie, dass dennoch auch bei jüngeren Leuten das Thema „Auto als Schutzraum“ eine größere Bedeutung erhalten hat. Daher erleben wir im Moment pandemiebedingt eine wieder gestärkte Verbindung zum Auto. Ob dies allerdings von Dauer sein wird, lässt sich derzeit nicht sagen.

Lassen sich bezüglich der Entemotionalisierung Unterschiede zwischen Stadt und Land ausmachen?

Das Phänomen ist in Städten sehr viel stärker ausgeprägt – das haben wir auch empirisch festgestellt. Grund dafür ist das Vorhandensein guter Alternativen zum privaten Auto. In ländlichen Gebieten, wo man auf das Auto angewiesen ist, ist die Bindung hingegen noch viel stärker.

Woraus resultiert die geänderte Einstellung der Jugend zum Auto?

Grundsätzlich konnten wir keine generelle, aktive Ablehnung des Autos an sich feststellen, eher eine Gleichgültigkeit oder Entemotionalisierung. Das Auto wurde in der Rangordnung der Wünsche schlichtweg überholt von anderen Dingen und Aktivitäten. Bei jungen Menschen haben beispielsweise Smartphones, Urlaubsreisen, eine eigene oder größere Wohnung und generell Freizeitaktivitäten oft eine höhere Priorität als ein eigenes Auto.

 
Foto: privat

Prof. Dr. Stefan Bratzel ist Gründer und Direktor des unabhängigen Forschungsinstituts Center of Automotive Management (CAM) und Dozent und Studiengangsleiter für Automotive Management an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach

 

Was können Fahrschulen tun, um den Jugendlichen dennoch die Mobilität per Pkw schmackhaft zu machen?

Momentan kann man bei der Pandemie ansetzen: Man ist flexibel und unabhängig von anderen Verkehrsmitteln. Dazu braucht man nicht unbedingt ein eigenes Auto, aber ein Führerschein kann wichtig sein. Auch der Klimaschutz wird jungen Leuten immer wichtiger. Hier sollten Fahrschulen eher früher als später das Thema Elektromobilität in den Mittelpunkt rücken und mit den eigenen Schulungsfahrzeugen zumindest lokal emissionsfrei unterwegs sein.

Die geänderte Sicht der Jugend aufs Auto beflügelt ja auch neuartige Mobilitäts- und Finanzierungskonzepte. Sehen Sie dabei Autoabos, Mobilitätsflatrates und Co. als Gewinner dieses Wandels?

Ja, definitiv! Die jüngeren Generationen sind generell affiner für Abo-Modelle – seien es Spotify und andere Apps oder eben Autoabos – als unsere älteren Generationen, die lieber einmalig für etwas bezahlen. Die Abos ermöglichen viel Flexibilität und werden entsprechend in dieser Gruppe stärker nachgefragt.

Wird sich die Rolle der Fahrschulen mit Blick auf die Fahrausbildung Jugendlicher Ihrer Meinung nach grundsätzlich ändern?

Klimaschutz und Nachhaltigkeit werden wichtiger werden. Hier ist vorstellbar, dass die Fahrschulen die Rolle übernehmen, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie moderne, umwelt- und klimafreundliche Mobilität aussehen kann – und zwar das Auto als Teil eines intermodalen Systems zu begreifen. Also nicht nur ausschließlich das Auto zu nutzen, sondern es mit Park & Ride, ÖPNV und anderen Mobilitätssystemen zu kombinieren und integrieren. Dazu gehört auch, dass man nicht unbedingt ein Fahrzeug besitzt, sondern auf Carsharing, Autoabos und andere Modelle zurückgreifen kann.