EDITORIAL: Fahren ohne Fahrerlaubnis?

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Oktober/2021, Seite 645

Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V.Liebe Leserinnen und Leser,

der Vorfall führte in der Fahrlehrerschaft des Landes zu zahlreichen Diskussionen: Ein Kollege bildete auf der Autobahn einen BE-Fahrschüler aus. Das Erscheinungsbild des Gespanns war neutral, führte weder eine Werbeaufschrift noch ein amtliches Fahrschulschild. Die Fahrzeugkombination geriet ins Visier einer Polizeikontrolle. Der Fahrer konnte keinen Führerschein vorweisen, und der Fahrlehrer hatte seinen Fahrlehrerschein nicht zur Hand. Obwohl das Fahrzeug über Doppelpedale verfügte und der Fahrlehrerschein kurz danach vorgelegt wurde, ermittelten die Polizeibeamten gegen den Fahrschüler wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Eine Nachfrage bei der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde hatte ergeben, dass dort zum Zeitpunkt der Kontrolle weder ein Fahrerlaubnisantrag eingegangen war noch ein Prüfauftrag vorlag.

Die für die Begleitung von Fahrschülern maßgebliche Bestimmung ist § 2 Absatz 15 StVG:

„Wer zur Ausbildung, zur Ablegung der Prüfung oder zur Begutachtung der Eignung oder Befähigung ein Kraftfahrzeug auf öffentlichen Straßen führt, muss dabei von einem Fahrlehrer oder einem Fahrlehreranwärter im Sinne des Fahrlehrergesetzes begleitet werden. Bei den Fahrten nach Satz 1 sowie bei der Hin- und Rückfahrt zu oder von einer Prüfung oder einer Begutachtung gilt im Sinne dieses Gesetzes der Fahrlehrer oder der Fahrlehreranwärter als Führer des Kraftfahrzeugs, wenn der Kraftfahrzeugführer keine entsprechende Fahrerlaubnis besitzt.“

Über den Beginn der praktischen Ausbildung ist da nichts gesagt. Aus der Nachfrage der Polizei bei der Führerscheinbehörde ist nicht zwingend zu folgern, dass die Fahrschule immer erst dann mit der praktischen Ausbildung beginnen darf, wenn die zuständige Behörde den Antrag geprüft und festgestellt hat, dass der Bewerber geeignet ist, eine Fahrerlaubnis zu erwerben. Das könnte dauern und würde den Erwerb einer Fahrerlaubnis oft unnötig lange hinziehen.

Jugendliche wollen oft am liebsten gleich am Tag nach der Anmeldung mit den Fahrstunden beginnen. Da sollte man sie etwas bremsen, jedenfalls, wie der geschilderte Fall zeigt, bis sie ihren Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis bei der Behörde eingereicht haben. Das schützt die Fahrschule auch vor den Komplikationen, die dann eintreten, wenn ein Fahrschüler es versäumt hat, den Antrag zu stellen.

Oh ja, und vielleicht wäre der Kollege gar nicht kontrolliert worden, wenn das Gespann das amtliche Schild FAHRSCHULE geführt hätte.

In diesem Sinne grüße ich Sie sehr herzlich
Ihr
Jochen Klima

Foto: Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V.