Zweiradausbildung in Fahrschulen: Erfolgreich in die neue Motorradsaison

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe März/2022, Seite 132

Mit den ersten Sonnenstrahlen wächst bei „alten Hasen“ wieder die Lust aufs Biken. Aber auch der ein oder andere Beobachter der Szene bekommt zu dieser Jahreszeit Appetit auf einen Motorradführerschein. Jahreszeitengerecht rückt damit für Fahrschulen die Zielgruppe der Motorradfahrer wieder in den Fokus. Nachfolgend geben FPX und ihre Experten aktuelle Tipps in Sachen Zweiradausbildung für Motorradfahrschulen – aus der Praxis für die Praxis.

Der Markt für Motorräder ist gut aufgestellt und bleibt dynamisch, obgleich 2021 – nach einem zuvor „fetten“ Jahr – ein leichtes Einknicken nicht zu übersehen war. Vor allem die weibliche Klientel kommt immer mehr auf den Geschmack. Aber auch insgesamt ist die Mischung von Herstellern und Marken auf dem Zweiradmarkt mehr denn je bunt und lebendig. So gesellen sich laut Fahrschulexperte und Kenner der Motorradszene Marcus Pollermann zu den bereits bekannten Marken aus Europa und Japan zunehmend neue, aber auch wieder auferstandene und in China produzierte Marken hinzu. Beispielsweise werden Moto Morini und Benelli mit italienischem Know-how jetzt in China produziert. Rein chinesischer Provenienz dagegen ist der Neuzugang der Marke CFMoto. Dass die in China gefertigten Allround-Motorräder relativ preiswert daherkommen, ist nicht überraschend.

Insgesamt zeigt sich ein klarer Trend hin zu tourentauglichen leichten Mittelklassemaschinen zwischen 80 und 100 PS, sei es die BMW F 900 XR, Yamaha Tracer 7 und 9 oder Triumph Tiger Sport 660. Doch auch Reise-Enduros werden laut Pollermann nicht aus der Mode kommen. Hier gebe es zudem immer mehr Auswahl in allen Leistungsklassen.

ifz: „Hervorragende Fahrschulausbildung“

Bestnoten für ihre Ausbildung in Deutschland, vor allem im internationalen Vergleich, vergibt das renommierte Institut für Zweiradsicherheit e.V. (ifz) den deutschen Fahrschulen. Matthias Haasper, Leiter des ifz: „Wir können von einer hervorragenden Fahrschulausbildung in Deutschland sprechen. Dazu haben wir es mit einer Ausbildungslandschaft zu tun, die sich kontinuierlich verändert und weiterentwickelt.“ So hätten die jüngsten Änderungen im Führerscheinrecht neuen Zielgruppen ermöglicht, auf das motorisierte Zweirad auf- und umzusteigen, etwa mit Blick auf „B196“. Den Fahrschulen sei dabei eine große Verantwortung übertragen worden. Haasper: „Wir bauen auf die engagierten und qualifizierten Motorradausbilder und ihre professionelle Einschätzung, entscheiden zu können, wann der Aspirant allein in die ‚freie Wildbahn’ darf. Ein noch sehr flüchtiger und oberflächlicher Blick auf die Entwicklung der Verunglücktenzahlen in diesen Bereichen lässt darauf schließen, dass dies bislang gut gelingt.“

Bereits vor 10 Jahren hat das ifz eine Studie zur Fahrschulausbildung der Klasse A veröffentlicht. Die Studie zeigte seinerzeit auf, dass es zahlreiche engagierte Motorradausbildende in Deutschland gibt, die hervorragende Arbeit leisten, aber eben auch einen gewissen Anteil, der hier weniger hervorragend abschneidet. Schließlich bestehe die größte Herausforderung im Alltag der Fahrschulausbildung darin, „mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, mit Engagement und Professionalität sowie neuesten Erkenntnissen sichere Motorradfahrende in den Straßenverkehr zu entlassen“.

„Der Austausch von Wissen und Meinungen ist unbezahlbar“

Mit Blick auf das aktuelle Jahr liegt Marcus Pollermann das Thema Schulung und Fortbildung von Motorradfahrschülern sehr am Herzen. So wünscht er sich, dass sich die Fahrlehrer mehr denn je fortbilden. „Der Austausch des Wissens und der Meinungen ist bei diesen Fortbildungen einfach unbezahlbar“, ist Pollermann überzeugt. Allerdings seien es immer dieselben, die sich regelmäßig weiterbilden. Eine Minderheit, die es dringend nötig habe, halte sich dagegen fern. Schade sei es laut Pollermann zudem, dass gute Fahrlehrer oft nicht mehr Klasse A ausbilden möchten. Der Grund liegt für ihn auf der Hand: „Die Guten wollen ausbilden – nicht nur verkaufen! Und eine gute Ausbildung kostet nun mal Geld, aber das wollen viele Fahrschüler nicht hören.“ So liege beispielsweise der Preis für den Klasse-A1-Führerschein bei 2.700 Euro. „Wenn ich das am Telefon sage, wird oft aufgelegt“, so Pollermann, denn es gebe immer noch Fahrschulen, die den A1 für 1.500 Euro anbieten. Das entspreche keiner seriösen Kalkulation für eine sichere und nachhaltige Motorradausbildung. Hohe Qualität der Unterrichtenden verlange gerechten Lohn, hinzu kommen deutlich gestiegene Anschaffungspreise für Motorräder, für professionelle Funkanlagen und Schutzkleidung, das alles addiert schließe Dumpingpreise aus.

Motorradkleidung: top

Schaut man sich den Markt für Motorradbekleidung in diesem Jahr an, so bleiben nach Überzeugung von Marcus Pollermann „keine Wünsche offen“. Beispiel 1: Helme. Grundsätzlich werden diese jetzt immer öfter mit integrierten Kommunikationssystemen angeboten oder lassen sich einfach nachrüsten. Zwar werden sie kaum leichter, dafür jedoch aerodynamischer und damit zumindest ab einer gewissen Geschwindigkeit leichter. Immer beliebter wird zudem der Klapphelm mit zunehmend auffälligerem und extravaganterem Design – jedoch zu „ansehnlichen Preisen“. Beispiel 2: Klamotten. Hier liegen Jacken und Kombis mit integriertem Airbag ganz oben in der Käufergunst. Pollermann: „Wer es leichter möchte, kann sich Jeans, Jeanshemden oder Hoodies mit Kevlar-Gewebe und Protektoren kaufen. Damit ist die Jugend auch auf dem A1-Moped bestens angezogen. Allerdings hat hohe Qualität auch ihren Preis.“

Gute und bequeme Motorradkleidung ist für sicheres Motorradfahren unerlässlich - © BMW

Positiver Trend bei der Zweiradsicherheit

Der langfristige Trend in Sachen Zweiradsicherheit ist laut ifz-Leiter Haasper grundsätzlich positiv – und das vor allem, wenn gleichzeitig der wachsende Fahrzeugbestand berücksichtigt werde. „Etwa 4,5 Millionen Motorrad- und Rollerfahrende sind es mittlerweile, die auf unseren Straßen unterwegs sind. Nehmen wir die Gruppe der Kleinkrafträder hinzu, sprechen wir sogar von mehr als 6 Millionen Fahrerinnen und Fahrern motorisierter Zweiräder insgesamt. Und diese Zahlen nehmen erfreulicherweise bei einer rückläufigen Entwicklung der Verunglücktenzahlen im langfristigen Trend kontinuierlich zu.“ In den vergangenen 20 Jahren seien die Getötetenzahlen um nahezu die Hälfte zurückgegangen, in den vergangenen 5 Jahren um mehr als 20 %“, berichtet Haasper. Dieser positive Trend werde sich vermutlich fortsetzen. Jüngste Studienergebnisse des ifz zeigen ein entsprechendes Bild verantwortungsbewusster Verkehrsteilnehmer, deren Sicherheitsbewusstsein sich auf einem hohen Niveau befinde. Aber nicht nur bei den Fahrenden selbst, auch auf den meisten sicherheitsrelevanten Gebieten tue sich etwas, betont Haasper. So arbeiten die Motorradhersteller kontinuierlich daran, die mehr als hilfreichen Fahrerassistenzsysteme weiterzuentwickeln und zu optimieren. Der ifz-Leiter verweist beispielsweise auf den Abstandsregeltempomat (ACC=Adaptive Cruise Control), der seit dem vergangenen Jahr auch den Bereich des motorisierten Zweirads erobert. Auf dem Gebiet der Konnektivität werde ebenfalls weiter geforscht und entwickelt, um in Zukunft die Sicherheitspotenziale dieser Innovation auszuschöpfen. Stichwort: Rechtzeitige Erkennung! Wie Haasper hervorhebt, haben darüber hinaus Bestrebungen rund um einen motorradfreundlichen Straßenbau die Verbesserung der Verkehrsumwelt im Visier. Dabei verweist der ifz-Leiter auf das im vergangenen Jahr unter Beteiligung des ifz aktualisierte und veröffentlichte Merkblatt zur Verbesserung der Straßeninfrastruktur für Motorradfahrende (MVMot). Matthias Haasper: „Erneut wird das Merkblatt vielen Entscheidern im straßenbaulichen Bereich gute Dienste leisten und damit der Sicherheit vieler Motorradfahrerinnen und -fahrer Rechnung tragen. Schließlich sollen die Unfallzahlen dadurch weiter gesenkt und die Unfallfolgen verringert werden.“

Interview mit Motorradreferent Marcus Pollermann: „Billig und gut geht nicht“

FPX: Der Motorradmarkt wird angebotsseitig immer vielfältiger. Was bedeutet das für den Markt in Sachen Preise, Qualität und Wettbewerb? Können europäische und japanische Marken gegenüber China weiter mithalten?

Marcus Pollermann: Ich denke nicht, dass Europa, Japan oder Amerika etwas zu befürchten haben, denn die stehen gut da, was Angebot und Qualität betrifft. Die chinesischen Produkte werden wohl immer besser. Wie es hier jedoch mit Ersatzteilen aussieht, bleibt abzuwarten. Die Preise sind natürlich sehr verlockend.

Wie kann der Motorradfahrlehrer der großen Verantwortung, die mit einem Motorradführerschein für den Fahrer verbunden ist, gerecht werden?

Wenn ein Fahrlehrer selbst viel Motorrad fährt, dann kann er auch viele Dinge rund ums Motorradfahren gut und überzeugend vermitteln. Er sollte zudem auch seine Fahrschüler möglichst oft selbst mit dem Motorrad begleiten, denn so kann er vom Motorrad aus per Funkverbindung Situationen besser erklären. Nicht zu vergessen, der Fahrlehrer sollte stets mit kompletter, sicherer Schutzkleidung Vorbild sein. Überdies sollte klar sein, dass man einen Fahrschüler nicht durch zu lange Fahrten am Stück überfordert. Oft sind Fahrschüler nach einer Überlandfahrt von 135 Minuten „platt“ und nicht mehr aufnahmefähig.

Umgekehrt gefragt: Wie kann die Fahrschule auch ihre Pkw-Fahrschüler für Motorradfahrer stärker sensibilisieren, damit sich diese in die meist schwächeren Verkehrsteilnehmer besser hineinversetzen können?

Da gibt es für mich wenige, jedoch einprägende Fakten – allen voran die Beschleunigung. Auf die Frage, wie lange ein leistungsstarkes Motorrad von 0 auf 100 Stundenkilometer braucht, kommen viele Antworten. Aber die wenigsten wissen, dass es nur knapp 3 Sekunden sind. Und welches Auto hält da mit? Außerdem sehr einprägsam: Wie lange ist der 1. Gang bei einem Motorrad im Vergleich zum Auto? Beim Auto sind es 40 bis 60 km/h, bei einem leistungsstarken Motorrad etwa 150 km/h. Aus rund 50 Metern Entfernung kann man zudem nicht erkennen, ob es eine 125er oder eine 1000er ist. Auch ist oft nicht bekannt, dass der Gewichtsunterschied dieser beiden Zweiräder bei nur etwa 50 Kilogramm liegt.

Für Motorradneulinge ist es oft schwierig herauszufinden, welche Fahrschule die richtige für sie ist. Welche Kriterien zeichnen Ihrer Ansicht nach gute Motorradfahrschulen aus?

Der Fahrlehrer sollte Motorradfahrer sein und nicht ein Motorradfahrlehrer, der nur im Auto begleitet. Nur wer selbst fährt, kann einschätzen, wie sich Hitze, Nässe und Kälte auf dem Motorrad anfühlen – im Auto läuft schließlich die Sitzheizung, während der Motorradfahrschüler friert … Auch sollte der Fahrlehrer Erfahrung mit den unterschiedlichen Bekleidungsstücken und Helmen haben. Überhaupt: Mit dem Motorrad begleiten, das kommt beim Kunden sehr gut an.

Das mögen Motorradfahrschüler: wenn sie vom Fahrlehrer mit dem Motorrad begleitet werden - © ifz

Wie wird sich die Nachfrage nach Motorradführerscheinen für die einzelnen Klassen entwickeln?

Das ist immer sehr unterschiedlich. Aus der Erfahrung meiner Fahrschule kann ich nur sagen: Es läuft leider sehr viel über den Preis. Aber billig und gut geht nicht.

Das Institut für Zweiradsicherheit e.V. zur Zielgruppe der Motorradfahrenden

Der gewisse Unterschied

Die Inhalte der Fahrschulausbildung sind laut ifz-Leiter Matthias Haasper so aufgebaut, dass sie möglichst alle Altersgruppen ansprechen und berücksichtigen. Ein Schwerpunkt werde jedoch klar auf die jüngeren Fahrenden gelegt. Damit einhergehend werden Risiken von Jugendlichen und der Erstkontakt mit dem motorisierten Straßenverkehr stärker in den Vordergrund gerückt. „Sich um die älteren Motorradfahrenden ‚zu kümmern’, scheint aus unserer Sicht nicht zwingend die Aufgabe der Fahrschulen zu sein. Hier kommen die deutschlandweit zahlreich angebotenen Motorradtrainingsmöglichkeiten zum Tragen, die überwiegend von den älteren Fahrenden angenommen werden.“ Überhaupt seien ältere Fahrende nicht nur gegenüber Fahrtrainings aufgeschlossener, sondern sie interessieren sich auch mehr für das Thema Sicherheit, was sich beispielsweise auch bei der Ausstattung widerspiegele. Mit zunehmendem Alter wird das Interesse an Sicherheitsfeatures eben wichtiger, bringt es Haasper auf den Punkt: „Fahrzeugspezifische Sicherheitskomponenten haben bei Fahrenden der Altersklasse der Über-50-Jährigen einen mehr als doppelt so großen Einfluss beim Kauf des Motorrads als bei den Unter-20-Jährigen. Mit zunehmendem Alter steigt auch insgesamt das Risiko- und Sicherheitsbewusstsein deutlich an. Unsere eigenen Studien sowie Aussagen weiterer Untersuchungen belegen diese Tendenzen einer altersspezifischen Risikowahrnehmung.“

So oder so sollte eine Fahrschule über alle Fahrzeugklassen hinweg ihre Kundschaft gleichbehandeln, zeigt sich Haasper zudem klar überzeugt. Gleichwohl sieht der ifz-Leiter geschlechterspezifische Stärken und Schwächen, die sich auch im Rahmen der Führerscheinausbildung widerspiegeln. Mit Blick auf die Zweiradsicherheit seien es vor allem zwei zentrale Punkte, die Fahrschulen beherzigen und umsetzen sollten. Zum einen gehe es um die Auswahl der Fahrerausstattung. Hierbei sei es wichtig, auch kleinere Größen mit ins Sortiment zu nehmen. Ein sicherer Sitz der jeweiligen Bekleidungskomponente sei schließlich entscheidend. Von der klassischen „Einheitsgröße“, die jeder Fahrschüler nutzen muss, rät Haasper daher dringend ab. Zum anderen müsse das Ausbildungsfahrzeug zur Körpergröße passen, um gerade für Anfänger ein sicheres Handling zu gewährleisten. „Die meisten Fahrschulen berücksichtigen dies bereits und stellen unterschiedliche Fahrzeuge zur Verfügung, die unterschiedliche Körpergrößen berücksichtigen“, lobt der ifz-Leiter das insgesamt hohe Qualitätsniveau der Motorradfahrschulen.

Isabella Finsterwalder