Gerichtsurteile

"Wer Recht hat, muss nicht 
immer auch sein Recht bekommen".

Diese Weisheit ist allgemein bekannt. Bevor man sich auf einen aufwendigen Rechtsstreit einlässt, können ähnlich gelagerte Fälle nachgelesen werden.

Deshalb veröffentlichen wir regelmäßig in unserer Fachzeitschrift FahrSchulPraxis interessante Gerichtsurteile aus dem Juristischen Literatur-Pressedienst (jlp), der Deutschen Anwaltshotline (www.deutsche-anwaltshotline.de), dem D.A.S. Presseservice und den juristischen Info-Portalen www.kostenlose-urteile.de sowie www.rechtsindex.de, die wir hier an dieser Stelle auch den Besuchern unserer Internetpräsenz gerne zur Verfügung stellen.

Das Urteil:

(2423) Stop-and-go an der Autobahnanschlussstelle - Vorfahrtregelung außer Kraft?

© FahrSchulPraxis - veröffentlicht in Ausgabe Juli/2018

Der Fall Ein 45 Jahre alter BMW-Fahrer wollte im Mai 2017 mit seinem Pkw vom Rasthof Siegerland in die Autobahn A 45 in Fahrtrichtung Frankfurt am Main einfahren. Auf der Autobahn staute sich der Verkehr. Vor dem Betroffenen fuhr ein weiterer Pkw, dem es gelang, in eine Lücke zwischen zwei Sattelzügen auf den rechten Fahrstreifen der durchgehenden Fahrbahn zu fahren. Der Pkw musste dann wegen eines vor ihm stehenden Sattelzuges anhalten. Der BMW-Fahrer konnte deshalb nicht vollständig auf die Fahrbahn wechseln und blieb schräg zwischen dem Einfädelungsstreifen und dem rechten Fahrstreifen der Autobahn stehen. Beim Anfahren übersah ihn der nachfolgende Sattelzug. Es kam zum Zusammenstoß beider Fahrzeuge, ohne dass Personenschaden entstand. 

Das Urteil In dem gegen den BMW-Fahrer geführten Bußgeldverfahren hat das Amtsgericht Siegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Nichtbeachtung der Vorfahrt des durchgehenden Verkehrs – Verstoß gegen § 18 Abs. 3 StVO – zu einer Geldbuße von 110 Euro verurteilt. Der Betroffene sei, so das Amtsgericht, wartepflichtig gewesen. Er habe seinen „Überholvorgang” zu einem Zeitpunkt begonnen, zu dem er nicht mit Sicherheit habe sagen können, dass er ihn vollständig beenden können würde. Damit habe er das „Überholen” des vorfahrtberechtigten Sattelzuges erzwingen wollen, eine vorherige Verständigung mit dem Fahrer dieses Sattelzuges habe nicht stattgefunden.

OLG weist die Sache zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts zurück an Amtsgericht: keine Fahrbewegung – keine Vorfahrt   Die Rechtsbeschwerde des BMW-Fahrers gegen das erstinstanzliche Urteil war vorläufig erfolgreich. Nach der Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts hat das Oberlandesgericht Hamm die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Die bisherigen Feststellungen ergäben keinen Verstoß gegen § 18 Absatz 3 StVO, so das Gericht. Das Amtsgericht gehe zwar zutreffend davon aus, dass der auf eine Autobahn Einfahrende das Vorfahrtrecht des fließenden Verkehrs zu beachten habe, und zwar auch dann, wenn zähfließender Verkehr oder staubedingt „Stop-and-go-Verkehr” herrsche. Wie schon die gesetzliche Formulierung „Vorfahrt” zeige, müsse allerdings ein Mindestmaß an Bewegung im Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn der Autobahn herrschen, da ansonsten nicht von einer „Fahrt” gesprochen werden könne. Stehe der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn, gebe es keine „Vorfahrt”, die Vorrang haben könne. Der Fall ist nicht abgeschlossen. Ein neues Urteil des Amtsgerichts steht noch aus.

Oberlandesgericht Hamm
Beschluss vom 03.05.2018
Az. 4 RBs 117/18

Quelle: IWW / GLH

Zurück