15.03.2019

(2440) Falschparker weggeschoben und beschädigt - Schadenersatz?

Der Fall   Kläger Gustav E. (Name geändert, Red.) fuhr im Dezember 2017 am frühen Abend mit einem älteren automatikgetriebenen VW-Sharan samt Anhänger zur Corneliusstraße in München, um dort einen Schrank abzuholen, den er über eBay-Kleinanzeigen gekauft hatte. Da unklar war, ob er das Fahrzeuggespann im Hof werde wenden können, hielt er zunächst vor der Einfahrt; die Fahrbahn ist an dieser Stelle Teil einer Feuerwehrzufahrtszone mit absolutem Haltverbot. Das Auto mit Anhänger versperrte die Zufahrt zum Hof vollständig. Gustav verließ zusammen mit seinem Helfer das Auto, um den Verkäufer des Schrankes zu treffen. Seine siebenjährige Tochter blieb allein im Auto zurück. In jenem Hof befinden sich Garagen. Ein Mieter wollte zu seiner Garage fahren. Er stieg aus, um den Fahrer des behindernden Fahrzeugs zu bitten zur Seite zu fahren. Doch im Sharan war kein Fahrer, die Tür des Fahrzeugs war nicht verschlossen. Der Mieter gab an, die Tochter des Klägers nach dem Fahrer gefragt zu haben, die habe aber nicht gewusst, wann der Vater zurückkomme. Um das Hindernis zu beseitigen, stellte der Mieter das Automatikgetriebe des Sharan von P auf N, und schob das Fahrzeug samt Anhänger nach vorn und so zur Seite der Einfahrt. Dort zog er dann die Handbremse an. Der Zündschlüssel des klägerischen Fahrzeugs steckte zu dieser Zeit nicht im Schloss. Danach parkte er sein Fahrzeug in seiner Garage.

Klage   Gustav kam nach eigener Einschätzung etwa drei Minuten nach dem Abstellen seines Fahrzeugs zurück. Danach habe er beim Weiterfahren bemerkt, dass das bis dahin intakte Getriebe durch das Schalten bei abgezogenem Zündschlüssel beschädigt worden sei. Für Reparatur und Mietwagen habe er 1.332,94 Euro bezahlen müssen. Er erhob deshalb Klage auf Schadenersatz gegen den Garagenmieter.

Das Urteil   Das Amtsgericht München entschied, dass der Schadenersatzanspruch unbegründet ist. In Betracht kommt als Anspruchsgrund nur eine Schadenersatzpflicht aufgrund einer verbotenen Handlung. Diese würde aber ein Verschulden voraussetzen, also die Vorwerfbarkeit und damit die Widerrechtlichkeit des als schadensbegründend geltend gemachten Verhaltens. Schon hieran fehle es. Das Verhalten des Beklagten sei durch besitzrechtliche Selbsthilfe gedeckt und deswegen nicht widerrechtlich. Gustav habe den Beklagten durch die Verhinderung der Zufahrt in dessen Besitzrecht an seiner Garage gestört und sei deswegen zur Beendigung der Störung verpflichtet. Diese Beseitigung habe der Beklagte selbst vornehmen dürfen, und zwar mit Gewalt (§ 865 BGB). Zwar unterliege auch das Selbsthilferecht Schranken des Übermaßverbotes, sodass bei geringfügigen Störungen nicht uneingeschränkt Gewalt angewendet werden dürfe. Dass das Verstellen des Schalthebels eines Automatikgetriebes, ohne dass der Zündschlüssel stecke, zu einer Beschädigung des Getriebes führe, sei (sofern das tatsächlich zutreffe) jedenfalls nicht so offensichtlich, dass sich dies jedermann aufdränge. Das Verhalten des Beklagten sei nur fahrlässig gewesen. Aufgrund der berechtigten Reaktion auf eine Besitzstörung verliere aber das Verhalten in diesem Umfang seine Vorwerfbarkeit. Der Beklagte habe das fremde Auto öffnen, den Schalthebel auf Fahrt umschalten und das Auto wegschieben dürfen, da nicht für jeden offensichtlich sei, dass das Auto dadurch beschädigt werden würde.

Abwarten nicht erforderlich   Entgegen der Auffassung des Klägers Gustav E. musste der Garagenmieter auch nicht abwarten. Nur wenn ersichtlich sei, dass die Störung sofort behoben werde, also der gestörte Besitzer mit der Beseitigung der Störung nicht schneller sein würde als der Störer, wäre ein ,,Abwarten" zu fordern. Unstrittig sei, dass für den Beklagten nicht zu ersehen war, wann der Kläger zum Auto zurückkommen würde. Auch etwa eine sofortige Erreichbarkeit über eine Handynummer sei nicht auf einem Zettel hinter der Windschutzscheibe sichtbar vermerkt.

Amtsgericht München
- Urteil vom 13.06.2018 - Az. 132 C 2617/18