(2474) Das Vorfahrtrecht erstreckt sich auf gesamte Fahrbahnbreite
Der Fall Auf einer Kreuzung kam es zwischen zwei Fahrzeugen zu einem Verkehrsunfall. Die Pkw-Fahrerin Johanna Flexio (Name geändert, Red.) wollte nach rechts in eine Vorfahrtstraße einbiegen. Zur gleichen Zeit entschied sich die auf der Vorfahrtstraße befindliche Pkw-Fahrerin Helga Recta (Name geändert, Red.), die vor ihr wartenden Fahrzeuge links zu überholen. Unter Missachtung der durchgehenden Linie (Fahrstreifenbegrenzung und Fahrbahnbegrenzung) und einer Sperrfläche überholte Recta mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h die Fahrzeugkolonne unter Ausnutzung eines Teils der Fahrbahnfläche für den Gegenverkehr. Im Kreuzungsbereich kam es schließlich zur Kollision mit dem Fahrzeug der rechts abbiegenden Flexio. Die überholende Pkw-Fahrerin Recta klagte schließlich auf Zahlung von Schadenersatz vor dem Landgericht.
Urteil der 1. Instanz Das Landgericht München II wies die Klage mit Urteil vom 1. März 2018, Az. 14 O 3325/16, ab.
Berufung Dagegen legte die Klägerin Recta Berufung beim OLG ein.
Urteil der 2. Instanz Das Oberlandesgericht München entschied zum Teil zu Gunsten der Klägerin Recta und hob die Entscheidung des Landgerichts auf. Der Klägerin stehe unter Beachtung eines hälftigen Mithaftungsanteils ein Anspruch auf Schadenersatz zu.
Begründung Der Beklagten Flexio sei nach Ansicht des Oberlandesgerichts ein Vorfahrtverstoß zur Last zu legen. Das Vorfahrtrecht der Klägerin Recta habe sich auf die gesamte Fahrbahnbreite erstreckt und sei nicht durch deren verkehrswidriges Überholen entfallen. Andererseits habe die Beklagte Flexio darauf vertrauen dürfen, dass bei einer ununterbrochenen Mittellinie nicht unter Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn überholt werde. Die Klägerin Recta hingegen habe verbotswidrig unter Überfahren der ununterbrochenen Mittellinie und der Sperrfläche die wartende Fahrzeugkolonne überholt, weshalb auch ihr Mitschuld am Unfall anzulasten sei.
Oberlandesgericht München
- Urteil vom 15.03.2019 -
Az. 10 U 2655/18