UPDATE: Das Aus des Verbrenners verschieben?
Das Aus des Verbrenners verschieben?
Am 3. März 2023 hat das EU-Parlament mit großer Mehrheit beschlossen, dass ab dem 1. Januar 2035 neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge zum Verkehr auf öffentlichen Straßen nur noch zugelassen werden, wenn sie emissionsfrei fahren. Der Beschluss kursiert umgangssprachlich als „Aus für den Verbrenner“.
Doch so simpel ist es nicht: Denn sofern neue Verbrenner-Autos ausschließlich mit emissionsfreiem Kraftstoff angetrieben werden, dürfen sie auch nach dem 01.01.2035 für den Verkehr zugelassen werden. Aber weil solche Kraftstoffe teuer sind und teuer bleiben werden, wird die Anzahl der Zulassungen schadstofffrei betriebener Verbrenner ab Stichtag 01.01.2035 eher gering sein. Deshalb läuft die Entwicklung in der Masse auf rein elektrisch betriebene Pkw und leichte Nutzfahrzeuge (BEV*) hinaus.
Der EU-Beschluss ist ein zentraler Bestandteil der Europäischen Klimapolitik, welche die verkehrsbedingten Emissionen bis 2030 um 55 % im Vergleich zu 2021 senken und bis 2050 vollständige Klimaneutralität erzielen soll.
Nun werden in letzter Zeit immer häufiger Stimmen gehört, die von einer Aussetzung des EU-Beschlusses, mindestens aber von einer Verschiebung des Stichtages reden. Für die Begründungen werden unterschiedliche Szenarien bemüht:
- Die notwendige Ladeinfrastruktur werde 2035 für eine massive Zunahme von rein elektrisch angetriebenen Autos nicht ausreichend ausgebaut sein.
- Es werde zu wenig Strom geben, um so viele E-Autos zu betreiben.
- Die deutsche Automobilindustrie werde wegen des verhältnismäßig raschen Aus‘ des Verbrenners in ihrer Existenz bedroht.
- Viele Menschen in Deutschland seien gar nicht bereit, vom Verbrenner auf ein E-Auto umzusteigen.
Politiker, die solches Zeug verzapfen, sollte man rasch abwählen. Funktionäre der Wirtschaft, die so argumentieren, stellen sich selbst ein Bein. Denn der Beschluss der EU
a) ist für die Umwelt dringend notwendig und
b) garantiert Planungssicherheit, und das gerade ist es doch, was die Wirtschaft von der Politik immer wieder verlangt.
Im Übrigen sind Argumente der Verbrenner-Lobby leicht zu widerlegen:
a) Der Ausbau der Ladeinfrastruktur geht rasch voran. Wird das jetzige Tempo beibehalten, wovon auszugehen ist, wird 2035 auch das letzte Dorf mit Schnellladesäulen versorgt sein.
b) Strom wird im Überfluss zur Verfügung stehen, weil die Windkraftanlagen des Nordens schon heute mehr Strom erzeugen als gebraucht wird und weil immer mehr Haushalte auf andere erneuerbare Energien umsteigen.
c) Die deutsche Automobilindustrie steht seit einigen Jahren im Transformationsprozess vom Verbrenner zum BEV, ein Zurück wird es nicht geben, weshalb jede weitere Verzögerung ein schwerer Fehler wäre.
d) Die Menschen steigen auf das E-Auto um, sobald es zu vernünftigen Preisen zu haben ist, und das wird kommen.
Akzeptanz und Respekt für sorgsam vorbereitete parlamentarische Entscheidungen dürfen in einer intakten Demokratie nicht irgendwelchen Partikularinteressen weichen.
In der Diskussion um das Aus des Verbrenners wird oft auch vergessen, dass Europa am 1. Januar 2035 mit einem riesigen Bestand an Verbrennern daherkommen wird, die auch in der neuen Ära der gesetzlich bestimmten Klimaneutralität des Verkehrs noch lange benutzt werden dürfen. GLH
* BEV bedeutet „Battery Electric Vehicle“ und ist die international verwendete Abkürzung für rein batteriebetriebene Fahrzeuge.