02.01.2025Archiv© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Dezember 2024, Seite 686

Tipps für Fahrschulen in unsicheren Zeiten: Kostenkontrolle, Flexibilität und Einsatz von Simulatoren

Den negativen Strömungen aus Politik und Wirtschaft kann sich die Fahrschulbranche nicht entziehen. Gleichwohl besteht kein Grund zur Resignation, denn das Auto bleibt auch künftig Fortbewegungsmittel Nummer eins. Allerdings gilt es, besonders jetzt, ein paar wichtige Verhaltensregeln zu beherzigen. FPX-Redakteurin Isabella Finsterwalder sprach dazu mit Jörg-Michael Satz, Präsident von MOVING International Road Safety Association e.V.

 

FPX: Nicht nur die Nachricht aus dem Volkswagen Konzern, wonach mehrere Werke geschlossen und Zehntausende Beschäftigte entlassen werden sollen, hat wie eine Bombe eingeschlagen. Zuvor kamen auch von den Automobilzulieferern immer neue Hiobsbotschaften – so stellen Bosch, Continental und ZF Tausende von Arbeitsplätzen zur Disposition. Im europäischen Vergleich steht Deutschland auch insgesamt schlechter als die meisten anderen Länder da. Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Situation?

 

Jörg-Michael Satz: Die gegenwärtige Situation beurteile ich klar als eine ernste strukturelle Krise. Dass laut VDA bis 2035 bis zu 190.000 Arbeitsplätze in der Branche wegfallen könnten, macht uns klar, wie ernst die Situation ist und dass wir uns mit voller Kraft dem Strukturwandel widmen müssen. All diese Zahlen zeigen, dass die Krise weit über Einzelunternehmen hinausgeht und das gesamte wirtschaftliche Umfeld betrifft. Im europäischen Vergleich steht Deutschland zunehmend unter Druck, was seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Wir können hier nicht länger den Kopf in den Sand stecken.

 

Worauf hat sich die Fahrschulbranche einzustellen?

 

Die Fahrschulbranche könnte die negativen Auswirkungen der unsicheren Wirtschaftslage zu spüren bekommen, wenn sinkende Kaufkraft und finanzielle Engpässe dazu führen, dass weniger Menschen den Führerscheinerwerb anstreben. Dies hätte Auswirkungen auf alle Führerscheinklassen und würde die Nachfrage senken. Eine mögliche Antwort liegt in der verstärkten Nutzung von Digitalisierung und modernen Ausbildungsmethoden, wie Fahrsimulatoren, um effizienter zu arbeiten und flexibel auf die veränderten Bedingungen zu reagieren. Zudem müssen Fahrschulen schneller als bislang ihren Fuhrpark den neuen Rahmenbedingungen anpassen und den Umstieg auf die Elektromobilität forcieren.

 

Bereits Ludwig Erhard, der Vater der Sozialen Marktwirtschaft, konstatierte seinerzeit „Wirtschaften ist zu 50 Prozent Psychologie“. Wie beurteilen Sie ganz allgemein die weitere Kaufbereitschaft der Kunden und die Investitionsneigung der Unternehmer?

 

Die wirtschaftliche Unsicherheit, verstärkt durch politische Instabilitäten, wie das Scheitern der Ampel, die Wahl von Donald Trump oder auch internationale Konflikte, führt dazu, dass viele Menschen abwarten und Investitionen aufschieben. Diese Zurückhaltung wirkt sich direkt auf die Kaufbereitschaft der Konsumenten, aber auch auf die Investitionsneigung der Unternehmen aus, was zu einer insgesamt verhaltenen Stimmung führt. Das Vertrauen der Verbraucher und Unternehmen spielt dabei eine entscheidende Rolle. Wenn Unsicherheiten vorherrschen, wie aktuell durch politische und wirtschaftliche Turbulenzen, spiegelt sich dies sofort im Verhalten der Marktteilnehmer wider und beeinflusst die gesamte Wirtschaft.

 

Wie wirkt sich diese Situation konkret auf die Bereitschaft der Menschen aus, einen Führerschein zu erwerben? Und wie auf die Bereitschaft der Fahrschulen, weiter in Fuhrpark und Fachkräfte zu investieren?

 

Die Bereitschaft, einen Führerschein zu erwerben, wird durch Kosten, Inflationsängste und die wirtschaftliche Unsicherheit negativ beeinflusst. Wer nicht zwingend auf den Führerschein angewiesen ist, verschiebt häufiger als früher den Fahrerlaubniserwerb auf der persönlichen Zeitachse. Dies gilt besonders auch im Bereich der Motorradklassen, bei denen stärker der Freizeitcharakter als die Transportnotwendigkeit im Vordergrund steht. Angesichts des auch in der Fahrschulbranche auf absehbare Zeit herrschenden Fachkräftemangels werden Fahrschulen auch weiter in die Ausbildung und Gewinnung neuer Lehrkräfte investieren. Dies gilt ebenso für den Bereich des Büros, da die administrativen Aufgaben immer vielfältiger werden. Eine besondere Herausforderung stellen die Investitionen in den Fuhrpark dar. Dieser muss und wird kontinuierlich erneuert, jedoch gibt es zahlreiche unbekannte Variablen. Zum einen sinkt die Zahl der verfügbaren fahrschultauglichen Automodelle mit Schaltgetriebe, zum anderen steigt der Bedarf an Automatik- und Elektroausbildung. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit schaffen will, einen großen Anteil der Ausbildung auf Schaltfahrzeugen im Rahmen der sogenannten B197-Ausbildung (Kombination aus Schalt- und Automatikausbildung) auf Fahrsimulatoren zuzulassen. Vorgestellt wurde der aktuelle Stand der Novelle zur Fahrschulausbildung auf einer BMDV Informationsveranstaltung im Oktober 2024. Als Datum für ein mögliches Inkrafttreten der Novelle wurde der 1. Februar 2026 genannt. Ob der angedachte zeitliche Ablauf angesichts der aktuellen politischen Situation eingehalten werden kann, wird sich zeigen. Somit müssen die Fahrschulen auf die anstehenden Investitionen kurzfristig und dennoch weitsichtig reagieren.

 

Wie wird sich die Erwerbsquote bei Führerscheinen in den kommenden Jahren Ihrer Meinung nach entwickeln?

 

Die Erwerbsquote für Führerscheine wird in den nächsten Jahren vermutlich stark von den finanziellen Möglichkeiten, Prioritäten der Menschen und natürlich vom Wohnort abhängen. Aus verschiedenen früheren Studien wissen wir, dass das Auto für den Großteil der Bevölkerung unverzichtbar ist – vor allem für die Menschen auf dem Land. Für einige bleibt der Führerschein ein Muss, sei es aus beruflichen Gründen oder weil er für sie Unabhängigkeit bedeutet. Andere könnten sich jedoch vor allem wegen der Kosten und der unsicheren wirtschaftlichen Lage dazu entscheiden, den Erwerb zu verschieben oder ganz darauf zu verzichten.

Laut unserer repräsentativen Trendstudie (Fahrschülerbefragung) 2024 benötigen 56 Prozent der Befragten (Altersgruppe zwischen 16 und 25 Jahren, die aktuell bzw. in den vergangenen 18 Monaten einen Führerschein Klasse B gemacht haben) den Führerschein Klasse B aus beruflichen Gründen. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer gab an, dass sie durch den Führerschein flexibler und selbstständiger sind. Auf lange Sicht gehen wir daher davon aus, dass der Anteil der Führerscheininhaber weiter hoch sein wird.

 

Welchen Rat geben Sie der Branche, um gestärkt den aktuellen Herausforderungen, wie zurückgehender Kaufkraft und -bereitschaft, dem Fahrerlehrermangel und zunehmend kostenintensiver Fuhrparks, zu begegnen?

 

In schwierigen Zeiten ist es besonders wichtig, dass die Fahrschulbranche auf eine strikte Kostenkontrolle setzt und flexibel bleibt. Das bedeutet: Fahrschulen müssen Fixkosten, allen voran Personalkosten, die nach wie vor den größten Kostenblock in der Fahrschule bilden, und Fahrzeugkosten – beispielsweise können Leasingkosten bei Fahrschulen mit großem Fahrzeugpark und nicht ausgelasteten Fahrzeugen die Liquidität stark gefährden –, aber auch Raummiete, Energiekosten oder Versicherungen, stets im Blick behalten. Darüber hinaus gilt es, Schulden zu vermeiden und finananzielle Rücklagen zu bilden.

Auch für kleinere Fahrschulen ist es entscheidend, ihre Ressourcen möglichst effizient einzusetzen. Größere Fahrschulen können überlegen, wie sich durch neue Geschäftsfelder zusätzliche Einnahmequellen erschließen lassen. Der Einsatz von Simulatoren ist eine empfehlenswerte Maßnahme, um Kosten zu senken und die Ausbildung effizienter zu gestalten. Die jüngste Studie des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA) zur Leistungsfähigkeit von Fahrsimulatoren bestätigt, dass diese Schaltkompetenzen effektiv vermitteln. Außerdem können dadurch bis zu 564 Euro pro Ausbildungsgang eingespart werden. Damit mehr Schüler die Theorieprüfung bestehen, ist es zudem sinnvoll, eine Vorprüfung absolvieren zu lassen. Das hat nachweislich einen sehr positiven Effekt und kann von der Fahrschule werbewirksam eingesetzt werden.

 

Welche konkreten Maßnahmen sollten Fahrschulen dabei im Blick behalten? Ein Rückgang der Ausbildungsverträge um mehr als 20 % im dritten Quartal 2024 gegenüber dem Vorjahresquartal jedenfalls wäre ein Grund, das bisherige unternehmerische Handeln einer strengen Überprüfung zu unterziehen …

 

Konkret würde ich den Fahrschulen empfehlen:

Ausbildungsfahrzeuge länger nutzen: Es könnte sinnvoll sein, Ausbildungsfahrzeuge über den üblichen Zyklus hinaus einzusetzen, vor allem wenn die Beschaffung neuer Fahrzeuge teuer oder schwierig ist. Das muss aber gut abgewogen werden, auch was Wartungskosten und vertragliche Bedingungen angeht.

Werbeaktivitäten verstärken: Eine gezielte Verstärkung der Werbemaßnahmen kann in wirtschaftlich angespannten Zeiten hilfreich sein. Die Werbung sollte dabei jedoch klar auf die Bedürfnisse potenzieller Kunden zugeschnitten sein und über ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis verfügen, damit eine optimale Wirkung erzielt wird.

Preissenkungen überlegen: Hier sollte man vorsichtig sein. Eine Preissenkung kann kurzfristig helfen, mehr Fahrschüler anzulocken. Sie sollte jedoch gut durchgerechnet werden, um sicherzustellen, dass die Fahrschule finanziell nicht ins Straucheln gerät. Denn nur wenn die Senkung langfristig sinnvoll ist, kann dies eine angemessene Maßnahme darstellen. Viele Fahrschulen sind heute indes bereits unterfinanziert und die Renditeerwartungen äußerst gering. Insofern kann eine Preissenkung für viele Fahrschulen zu einer echten Existenzbedrohung werden.

Strenge Kosten-Nutzen-Kontrolle: Eine strikte Kostenkontrolle sollte für jede Fahrschule selbstverständlich sein. Dies ist besonders wichtig in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit, um unvorhergesehene Kosten zu minimieren und finanzielle Stabilität zu gewährleisten.

Personalabbau: Unsere im Januar 2024 durchgeführte repräsentative MOVING Umfrage hat ergeben, dass rund die Hälfte der Fahrschulen mindestens einen Fahrlehrer sucht. Da Fahrlehrer ohnehin knapp sind, wäre die Kündigung eines Fahrlehrers nur im äußersten Fall eine Option. Wenn die Nachfrage allerdings deutlich einbrechen sollte, beispielsweise bei einem Rückgang der Ausbildungszahlen um mehr als 20 Prozent, könnte es notwendig sein, die Personalsituation neu zu bewerten.

 

In Ihrer Branchenaussicht für 2024 zeichneten Sie nicht nur ein positives Stimmungsbild für dieses Jahr, auch beim Blick auf 2025 bestätigte sich der positive Eindruck bzw. die gute Stimmung – wenngleich unter etwas moderateren Vorzeichen. Bleiben Sie bei Ihrer Einschätzung Stand heute für das kommende Jahr?

 

Diese Frage werden wir im Januar 2025 im Rahmen der jährlichen Umfrage erneut stellen. Ja, meine Einschätzung für 2025 bleibt moderat positiv. Obwohl es wirtschaftliche Herausforderungen gibt, bieten die Digitalisierung und moderne Lernmethoden, wie der Einsatz von Simulatoren, die Möglichkeit, effizienter und kostengünstiger zu arbeiten. Die positive Stimmung in der Branche ist unter anderem auch von der jeweiligen Betriebsgröße abhängig: Kleine Fahrschulen mit Ein-Mann-Betrieb sind inzwischen oftmals besser ausgelastet als große Fahrschulen.

Darüber hinaus sind folgende Aspekte in die Betrachtung mit einzubeziehen: Eine im Januar 2024 durchgeführte MOVING Umfrage hat ergeben, dass jede zweite Fahrschule mit Vollauslastung im Bereich der Führerscheinklasse B rechnet. Wir wissen zudem, dass 30 Prozent aller befragten Fahrschulen seit 2022 Rekrutierungsmaßnahmen ergriffen haben, um neue Fahrschüler und Fahrschülerinnen zu gewinnen. Zwischenzeitlich ist uns zudem bekannt, dass rund 1.000 Fahrlehrer und Fahrlehrerinnen in den Fahrschulen weniger gesucht werden. Trotzdem ist es hier immer sinnvoll, den Arbeitgeberservice der Bundesagentur für Arbeit zu nutzen und dort regelmäßig die offenen Stellen für Fahrlehrer und Fahrlehrerinnen zu melden. Dadurch wird öffentlichkeitswirksam herausgestellt, dass es diesen Beruf gibt, der Branche jedoch laut unserer repräsentativen MOVING Umfrage von Januar 2024 rund 11.000 Fahrlehrer und Fahrlehrerinnen fehlen.

Insgesamt gehe ich davon aus, dass die Fahrschulen bei weiter insgesamt stabilen Verhältnissen etwas negativer als zu Anfang dieses Jahres in die Zukunft schauen werden. Im kommenden Frühling, wenn die neuen Umfrageergebnisse ausgewertet sind, wissen wir mehr.

 

Laut der jüngst vom BMDV vorgestellten Mobilitätsprognose 2040 wird der Verkehr insgesamt wachsen – am stärksten der Schienenverkehr mit 60 Prozent auf dann rund 163,4 Milliarden Personenkilometer. Auch beim Luftverkehr wird ein Plus von 30 Prozent auf dann 66 Milliarden Personenkilometer erwartet. Dagegen zeichnet sich beim Autoverkehr bis 2040 ein Rückgang der Verkehrsleistung um ein Prozent auf 907 Milliarden Personenkilometer ab. Damit geht der Anteil des motorisierten Individualverkehrs zwar zurück, gleichwohl bleibt das Auto mit rund zwei Dritteln die dominierende Fortbewegungsart der Menschen. Ist das für die Fahrschulbranche nicht eine positive Nachricht, die motivieren sollte?

 

Klar, die Tatsache, dass das Auto auch in Zukunft das dominierende Verkehrsmittel bleiben wird, ist eine positive Nachricht für die Fahrschulbranche. Laut der 15. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes Destatis wird sich die Zahl der 18- bis 25-Jährigen in Deutschland bis zum Jahr 2070 kaum verändern. Die Anzahl der potenziellen Fahrschüler bleibt uns also nahezu auf dem Niveau der vergangenen Jahre erhalten. Da das Auto weiter eine tragende Rolle in der Gesellschaft spielen und das Interesse – aus rationalen oder emotionalen Gründen – nach Führerscheinen bestehen wird, ist diese Entwicklung für die Fahrschulbranche gut.

 

Wir haben es mit einer nicht zu leugnenden Überalterung der Gesellschaft zu tun. Daher werden aus Politik und Wirtschaft zunehmend Rückmeldefahrten für ältere Menschen gefordert – zunächst auf freiwilliger Basis. Welche Chancen, aber auch Risiken sind mit dieser möglichen Erweiterung des Portfolios einer Fahrschule Ihrer Ansicht nach für die Branche verbunden?

 

Das BMDV unterstützt die Initiative des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) zur Förderung von Rückmeldefahrten für ältere Autofahrer. Diese Fahrten sind freiwillig und richten sich an Personen ab 75 Jahren, um ihre Fahrkompetenz zu überprüfen und zu erhalten. Die Teilnahme erfolgt dabei auf Eigeninitiative – ohne behördliche Verpflichtung. Aktuell werden in diesem Bereich Programme entwickelt, ausprobiert und evaluiert, um passgenaue Angebote für Senioren und Seniorinnen am Markt zu platzieren. Sie sollen auf eine hohe Akzeptanz treffen und zugleich von den Kosten her tragbar bleiben. Dabei sind zahlreiche einzelne Kriterien zu berücksichtigen: Finden die Fahrten in einem Fahrschulfahrzeug statt oder in dem der Probandinnen und Probanden? Was sind vor Ort geeignete Strecken? Wie gestalten sich die Haftungsfragen? Wird das Feedback angenommen? U.v.m. Natürlich muss auch geklärt werden, wie verfahren wird, wenn ein Fahrlehrer aus seiner Perspektive zu der Auffassung gelangt, dass die Fahrtauglichkeit insgesamt in Frage zu stellen ist. Dabei ist zu bedenken, dass Fahrlehrer in diesem Land für die Ausbildung zuständig sind, nicht dagegen für die Begutachtung der Fahrtauglichkeit. Hier braucht es auch künftig eine klare Abgrenzung.

Grundsätzlich denke ich, dass solche Rückmeldefahrten für die Fahrschulen eine wertvolle Ergänzung des Angebots darstellen können. Sie bieten nicht nur eine zusätzliche Einnahmequelle, sondern tragen auch in erheblichem Maß zur Verkehrssicherheit bei. In Zeiten des Fahrlehrermangels könnten solche zusätzlichen Aufgaben die Fahrschulen gleichwohl überlasten. Im Übrigen können die für Rückmeldefahrten erforderlichen Kompetenzen und Kapazitäten vermutlich nur nach und nach aufgebaut werden.

 

Apropos, Erweiterung des Portfolios einer Fahrschule: Welche neuen Geschäftsfelder sehen Sie für die Fahrschule mit Blick auf ein künftig sinnvoll orchestriertes Mobilitätssystem für mehr Klima- und Umweltschutz? Die Fahrschule als Experte für Mobilitätsfragen? ... als Experte für unterschiedliche Antriebstechnologien? ... als Experte für Fahrerassistenzsysteme (FAS) und das autonome Fahren?

 

Den Fahrschulen stehen zahlreiche Einsatzgebiete für neue Angebote zur Verfügung. Ich denke hierbei beispielsweise an Kurse zu energiesparender Fahrweise, zur Einführung und Anleitung in die Bedienung neuer Fahrzeuge bzw. deren FAS, Auffrischungskurse für Menschen, die lange von ihrem Führerschein keinen Gebrauch gemacht haben oder unter Ängsten leiden, oder auch den Umgang und die Nutzung von Elektrofahrzeugen. Auch der Umgang mit hochautomatisierten Fahrzeugen, bei denen, wie im Level 3, Fahrzeug und Fahrer abwechselnd die Kontrolle innehaben, muss trainiert werden. Fahrschulen könnten darüber hinaus gegebenenfalls auch mit Kindergärten oder Grundschulen zusammenarbeiten, um den Kleinen Verkehrsthemen früh näherzubringen und damit Teil der frühkindlichen Verkehrserziehung zu werden. Fahrschulen können sich somit als Experten in Mobilitätsfragen an vielen Stellen neu positionieren und umfassende Beratungen anbieten, die über das reine Fahren hinausgehen und auch Mobilitätslösungen für den Alltag umfassen.

 

Wie beurteilen Sie das Thema Digitalisierung und vor allem KI für die Fahrschulbranche? Sind dadurch signifikante Kostenreduzierungseffekte und/oder Ertragssteigerungen möglich, die in wirtschaftlich angespannten Zeiten einen Ausgleich verschaffen?

 

Digitalisierung und Künstliche Intelligenz bieten der Branche in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld große Chancen. Vollständig digitalisierte Abläufe und der Einsatz von Simulatoren könnten die Kosten senken und gleichzeitig modernste Lernmethoden bereitstellen. Die Digitalisierung erleichtert darüber hinaus die Verwaltung und kann eine erhebliche Effizienzsteigerung bewirken. So lassen sich zeitintensive Prozesse optimieren sowie hoffentlich der bestehende Bürokratieaufwand reduzieren. Wir wissen, dass inzwischen mehr als 95 Prozent der Fahrschulen Enterprise Ressource Planning (ERP)-Systeme zur Verwaltung der wichtigsten Geschäftsprozesse nutzen.

 

Angenommen Sie hätten als Wirtschaftsminister die Fäden in der Hand: Wie würden Sie entscheiden, um die Wirtschaft und besonders die Fahrschulbranche wieder flott zu machen?

 

Ob ich aufgrund der aktuellen politischen Situation Wirtschaftsminister sein möchte, ist eine andere Frage. Aber Spaß beiseite: Ich würde die Förderung der Digitalisierung und den verstärkten Einsatz von Simulatoren unterstützen, um die Kosten der Ausbildung zu senken und die Effizienz zu steigern. Zudem wären Programme zur Gewinnung und Ausbildung neuer Fahrlehrer/-innen essenziell, um dem bestehenden Mangel entgegenzuwirken. Steuerliche Anreize und Subventionen für innovative Ausbildungstechnologien könnten ebenfalls helfen. Last, but not least gilt es, verlässliche und attraktive Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu schaffen.

 

MOVING International Road Safety Association e.V. auf einen Blick

MOVING ist eine Interessenvereinigung europäischer Verkehrsverlage und Unternehmungen, die im Bereich der Fahrerlaubnisausbildung tätig sind. Die Arbeitsschwerpunkte liegen in der Förderung von Erziehung und Bildung, Unfallverhütung, Verkehrssicherheit, -schulung und -erziehung nebst der damit verbundenen professionellen Fahrerlaubnisausbildung sowie -prüfung in Europa und weltweit. MOVING ist Mitglied der International Commission for Driver Testing (CIECA), des European Transport Safety Council (ETSC) und der Europäischen Charta für Verkehrssicherheit.

 


 

Interview

Jörg-Michael Satz

Jörg-Michael Satz ist seit 2015 Präsident, zuvor Vizepräsident, der MOVING International Road Safety Association e.V. in Berlin und im regelmäßigen Austausch mit Entscheidungsträgern auf Bundes- und EU-Ebene. Darüber hinaus ist Satz seit 2002 Dozent am Deutschen Verkehrspädagogischen Institut Frankfurt a.M. GmbH sowie bei der DVPI Gesellschaft für Verkehrspädagogik mbH in Hamburg. Er veröffentlicht regelmäßig Fachberichte, darunter den MOVING Branchenreport für Fahrschulen, und ist aktiv an der Gestaltung der Verkehrssicherheitsbranche beteiligt. In seiner Freizeit segelt Satz leidenschaftlich und engagiert sich ehrenamtlich als Vorsitzender der Hamburger Yachthafen-Gemeinschaft e.V.

 

(Foto: Jörg-Michael Satz privat)

 


 

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