EDITORIAL: Demo ja, aber gewaltfrei
Liebe Leserinnen und Leser,
das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht zu demonstrieren sind grundgesetzlich garantierte Bestandteile unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Jede Bürgerin und jeder Bürger dieser Republik kann jederzeit sagen, was ihm nicht passt und auch eine Demonstration anmelden. Allerdings muss auch klar sein, dass das Recht des anderen, eine völlig konträre Meinung zu haben, ebenfalls zu respektieren ist.
In der letzten Ausgabe der FahrSchulPraxis erschien ein Bericht über das zunehmend rücksichtslose und aggressive Verhalten im Straßenverkehr. Aggression und Gewalt sind neuerdings auch Begleiterscheinungen, wenn bei Veranstaltungen oder Demonstrationen die Vertreter unterschiedlicher Meinungen aufeinanderprallen. Mich hat das nicht hinnehmbare Verhalten jener, die Anfang Januar dafür sorgten, dass Bundeswirtschaftsminister Habeck bei der Heimfahrt aus dem privaten Urlaub auf der Hallig Hooge die Fähre in Schlüttsiel nicht verlassen konnte, sehr nachdenklich gemacht. Gleiches gilt im Fall der 20-jährigen Bäuerin in Böblingen, die bei dem höchst eindrucksvollen Bauernprotest einen Polizeibeamten, der sie an der Weiterfahrt hindern wollte, mit ihrem Traktor einfach vor sich herschob und erst durch einen quergestellten Streifenwagen gestoppt werden konnte. Zum Glück ist in beiden Fällen nichts Schlimmeres passiert.
Wo Gewalt und Nötigung anstelle von Diskussion und Kompromiss die Richtung bestimmen, geht es mit der Demokratie steil bergab. Der an Weihnachten verstorbene ehemalige Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble sagte einmal, dass Demokratie auf der Bereitschaft beruhe, andere Meinungen zu akzeptieren, auch wenn sie der eigenen widersprechen. Es gehe darum, anzuerkennen, dass am Ende nicht entscheidend ist, was ich denke, sondern was die Mehrheit entscheidet. Deshalb sei Demokratie ein anspruchsvolles Modell des Zusammenlebens. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, er hatte recht. Deshalb kann auch Gewalt keine Lösung sein, weder bei Demonstrationen noch im Straßenverkehr oder wo auch immer. Bei der Ausbildung im Straßenverkehr ist es für Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer wichtig, den jungen Fahrerinnen und Fahrern den hohen Wert des aggressionsfreien Miteinanders zu vermitteln.
In diesem Sinne grüße ich Sie sehr herzlich
Ihr
Jochen Klima
Foto: Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V.
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