Kein Aprilscherz: Freigabe von Cannabis
Am 1. April 2024 trat das Konsum-Cannabis-Gesetz (KCanG) in Kraft. Nun ist der Besitz von Cannabis und das Rauchen des Krauts in der Öffentlichkeit erlaubt. Das gilt nicht für Minderjährige. Dennoch könnten mitunter auch unsere Fahrschüler/-innen der Droge habhaft werden und bekifft zur Fahrschule / Fahrstunde kommen.
Eine Klärung bekannter Begriffe:
- Cannabis = wissenschaftliche Bezeichnung der Hanfpflanze,
- Marihuana = getrocknete Blüten bzw. Blätter der weiblichen Hanfpflanze,
- Haschisch = Cannabis-Harz.
Welche Wirkung hat Cannabis?
Die psychoaktive Wirkung von Cannabis geht von Tetrahydrocannabinol (THC) aus. THC kann Euphorie, Entspannung und veränderte Wahrnehmung hervorrufen. Darüber hinaus dienen Cannabinoide folgenden Zwecken:
- Entspannung und Schmerzlinderung, z.B. bei chronischen Erkrankungen,
- sie können entzündungshemmend wirken,
- manche verwenden Cannabis zur Angst- und Stressbewältigung,
- sie können auch bei Schlafproblemen helfen.
Wie wird der Stoff konsumiert?
Hierzu gibt es mehrere legale Möglichkeiten:
- Inhalativ: z.B. Rauchen oder Verdampfen (Vaporisieren) von Cannabis,
- Sublingual: z.B. Tropfen oder Sprays (unter der Zunge),
- Oral: z.B. Essbares mit Cannabis, Kekse, Tinkturen oder Öle,
- Topisch (Äußerlich): z.B. Cremes oder Salben (auf die Haut aufgetragen).
Anbau, Besitz und Konsum von Cannabis
Das Gesetz erlaubt Erwachsenen den Besitz und den Anbau von Cannabis in begrenzten Mengen für den Eigenbedarf. Zulässig ist außerdem der Konsum von Cannabis, also bspw. das Rauchen eines Joints in der Öffentlichkeit. Verboten ist der Konsum in unmittelbarer Gegenwart von unter 18-Jährigen sowie in Sichtweite von Schulen und Kindertagesstätten und vor 20.00 Uhr in Fußgängerzonen.
Was gilt im Straßenverkehr?
Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a StVG: Fahren unter dem Einfluss von Cannabis ist eine Ordnungswidrigkeit. Hierbei gilt bislang der von der Rechtsprechung definierte Grenzwert von 1,0 Nanogramm (ng) THC pro Milliliter (ml) Blutserum.
Ausnahme: Medizinisches Cannabis:
§ 24 a StVG greift nicht, wenn die nachgewiesene Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt. Dazu muss ein von der Fahrerlaubnisbehörde angeordnetes Gutachten vorliegen. Außerdem muss bei einer Verkehrskontrolle das Rezept vorgelegt werden können.
Die erlaubte Einnahme von medizinischem Cannabis bietet jedoch keinen Schutz vor der behördlichen Anordnung einer MPU oder vor dem Entzug der Fahrerlaubnis bei Ahndung einer Verkehrsgefährdung oder nach einem verschuldeten Unfall.
Straftat gemäß § 315c StGB
Wer unter dem Einfluss von Drogen ein Fahrzeug nicht sicher führen kann und dabei andere gefährdet, begeht eine Straftat.
Können Konsumenten die Grenze der Fahrtüchtigkeit erkennen?
Im Gegensatz zur Droge Alkohol ist beim Konsum von Cannabis offensichtlich keine klare Aussage möglich, wann der Grenzwert von 1 ng/ml erreicht ist. In der Literatur ist dazu folgendes zu finden: Nach dem Rauchen eines Joints aus einem Drittelgramm Cannabis (THC-Gehalt 10%) ist in den meisten Fällen mehrere Stunden nach dem Konsum noch deutlich mehr als 1 ng/ml THC im Blut nachweisbar.
Künftige Rechtslage?
Die vom BMDV eingesetzte Expertengruppe hat vor kurzem die Festlegung eines Grenzwertes von 3,5 ng/ml vorgeschlagen. Es hieß, dieser Wert
- sei in seinen Auswirkungen vergleichbar mit einem Blutalkoholwert von etwa 0,2 Promille,
- liege unterhalb der Schwelle, an der ein allgemeines Unfallrisiko beginne und
- werde im Regelfall ca. 8 Stunden nach dem Rauchen eines Joints wieder unterschritten.
Dieser Wert wird von zahlreichen Verkehrssicherheits-Experten als erheblich zu hoch angesehen. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass vor allem ein Mischkonsum von Alkohol und Cannabis zu einem hohen Gefährdungspotential führt. Deshalb wird auch ein Verbot des Mischkonsums als sinnvoll erachtet.
Gibt es praktikable Testmöglichkeiten?
- Nur eine Blutentnahme ergibt präzise quantitative Aussagen über den THC-Gehalt pro ml Blut,
- im Handel käufliche Tests (z.B. Speicheltest) zeigen lediglich zurückliegenden THC-Konsum an, sagen aber nichts zum erreichten THC-Blutwert,
- Spucktest: Einen – eher unappetitlichen – Test verwenden offensichtlich manche Polizeibeamte: Sie verlangen von Kontrollierten, „auf die Straße zu spucken“. Es heißt, wer bekifft sei, habe einen sehr trockenen Mund und sei dazu nicht in der Lage. Somit sei dies ein einigermaßen sicheres Indiz für unlängst erfolgten Konsum.
Was können Fahrschulen tun?
Wie können wir verhindern, dass Kunden bekifft zum Theorieunterricht oder zur Fahrstunde kommen? Ein Patentrezept gibt es dafür nicht. Fahrschulen können aber
- ihr Hausrecht nutzen und ein klares Verbot des Konsums von Cannabis in und vor ihren Räumen sowie bei Fahrstunden aussprechen,
- eindeutig klarstellen, dass Schüler, die bekifft zur Fahrstunde kommen, sofort nach Hause geschickt werden und die Fahrstunde bezahlen müssen,
- die klare Regel aufstellen: Wer am Wochenende gekifft hat, bekommt am Montag keine Fahrstunde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ob Sie mit diesen Tipps verhindern können, dass ein bekiffter Fahrschüler in Ihr Auto steigt, ist fraglich. Der Gesetzgeber hat mit der Freigabe von Cannabis unsere tägliche Arbeit nicht leichter gemacht.
Jochen Klima
© Foto: irinaevva-Canva
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