15.07.2018

(2422) Motorradfahrer überholt überholende Motorradfahrerin - Unfall

© FahrSchulPraxis - veröffentlicht in Ausgabe Juli/2018

Der Fall Auf einer Bundesstraße überholte eine Motorradfahrerin einen Pkw. Ein noch schnellerer Motorradfahrer schickte sich an, die Motorradfahrerin zu überholen. Der überholende Motorradfahrer fuhr weiter außen auf der Gegenfahrbahn und kam auf den Seitenstreifen, verlor dabei die Kontrolle und stürzte. Zwar kam es zu keiner Berührung zwischen den Motorrädern. Jedoch warf der gestürzte Motorradfahrer der Motorradfahrerin vor, plötzlich nach links ausgeschert zu sein, sodass er habe ausweichen müssen. Die Motorradfahrerin stritt ein solches Verhalten ab. Der gestürzte Motorradfahrer erhob schließlich Klage auf Zahlung von Schadensersatz.

Landgericht gibt Schadensersatzklage zu 50 Prozent statt, OLG weist ab   Während das Landgericht Paderborn der Schadensersatzklage unter Zugrundelegung einer hälftigen Schadensteilung stattgab, wies sie das Oberlandesgericht Hamm vollständig ab. Seiner Ansicht nach könne die Betriebsgefahr des Motorrads der Beklagten nicht dem Unfall zugerechnet werden. Denn es habe sich nicht feststellen lassen, dass die Fahrweise der Beklagten auf den Unfall hingewirkt habe. Der vom Kläger behauptete Unfallhergang habe nicht bewiesen werden können. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Revision des Klägers.

Das Urteil Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung des Oberlandesgerichts. Zwar sei ein Schaden bereits dann gemäß § 7 Absatz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) ,,bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich von einem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahren ausgewirkt haben (Gefährdungshaftung). Allerdings reiche die bloße Anwesenheit eines im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle für eine Haftung nicht aus. Insbesondere bei einem sogenannten ,,Unfall ohne Berührung" sei daher Voraussetzung, dass über die bloße Anwesenheit hinaus das Fahrverhalten des Fahrers in irgendeiner Art und Weise das Fahrmanöver des Unfallgegners beeinflusst habe. Es müsse also eine kritische Verkehrslage entstehen. Daran habe es hier gefehlt. Allein durch den Überholvorgang der Beklagten sei keine kritische Verkehrslage entstanden, so der Bundesgerichtshof. Diese sei frühestens dann entstanden, als der Kläger sich gleichzeitig mit der Beklagten auf die Gegenfahrbahn begab. Dies könne der Beklagten aber nicht zugrechnet werden. Denn es stelle keine typische Gefahr eines Überholvorgangs dar, dass rückwärtiger Verkehr diesen seinerseits zum Überholen in zweiter Reihe nutze und dabei ins Schlingern gerate. Allein der Überholvorgang der Beklagten reiche also nicht aus, um eine im Rahmen des § 7 Ab- satz 1 StVG relevante Ursächlichkeit ihrer Fahrweise für den Unfall zu bejahen. Wäre dies anders, könne auch der Fahrer des überholten Pkw mitverantwortlich gemacht werden.

Bundesgerichtshof
Urteil vom 22.11.2016
Az. VI ZR 533/15

Quelle: www.kostenlose-urteile.de / GLH