30.03.2023© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe März 2023, Seite 118

UPDATE: Dichter und Denker - oder was? / Wenn einer von der Bierbank stürzt ... / Lösegeld / Und die Moral aus diesen Geschichten?

Dichter und Denker – oder was?

Schon vor 200 Jahren hieß es, die Deutschen seien ein Volk der Dichter und Denker. Eine überschwängliche Charakterisierung. Und was sind wir heute? Ein sattes Volk von Nörglern und Prozesshanseln? Auch übertrieben! Aber ein Stück Wahrheit steckt in beidem, besonders im Letzteren. GLH

 

Wenn einer von der Bierbank stürzt …

Karl Selix (Name geändert) stürzte in einem Münchener Biergarten von einer Bierbank, auf der neben ihm auch seine Lebensgefährtin und seine Tochter saßen. Über den Grad der alkoholischen Beeinflussung der drei steht im Prozessbericht nichts. Zu ihren Gunsten nehmen wir an, sie seien nüchtern gewesen. Als die Tochter aufstand, fiel die Bierbank plötzlich nach hinten um. Selix traf beim Sturz auf einen Baum, wobei er Abschürfungen am Ober- und Unterarm und eine Prellung am Ellbogen erlitt. Vor Gericht trug er vor, er habe sich drei Wochen in ambulante ärztliche Behandlung begeben müssen und insgesamt vier Wochen starke Schmerzen gehabt. Bei so schwerwiegenden Verletzungen braucht man einen Schuldigen, der Schmerzensgeld und die Arztkosten zahlt. Also klagt man vor dem Amtsgericht München gegen den Wirt auf Zahlung von 1.049,46 € für Arztkosten (Frage: War Selix nicht krankenversichert?) und 500 € Schmerzensgeld, insgesamt also 1.549,46 €. Grund der Klage: Der Wirt habe durch unsachgemäßes Aufstellen der Bierbank seine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Trotz Fotos vom Unglücksort konnte Selix den Beweis für diese Behauptung nicht erbringen. Dementsprechend wies das Amtsgericht München die Klage in vollem Umfang ab. Es ist durchaus möglich, dass Selix in Berufung geht und somit die Justiz weiterhin mit seinem Biergartensturz beschäftigen wird. GLH

 

Lösegeld

Ein Schlamper schmiss seinen gemieteten E-Roller auf die Garageneinfahrt eines alten Grantlers und ließ ihn dort auch liegen. Wahrscheinlich war der Akku leer. Der Grantler nahm den Roller kurzerhand in Geiselhaft. Für die Herausgabe verlangte er vom Vermieter des Rollers 35 € Lösegeld. Das 25 Kilogramm schwere Ding habe seine Einfahrt blockiert. Ihm sei nichts anderes übriggeblieben als den Roller wegzuräumen. Auch einen Brief an den Vermieter habe er schreiben müssen. Diesen Aufwand wolle er entschädigt wissen. Als sich der Rollervermieter weigerte, das Lösegeld zu bezahlen, ging der Grantler vor Gericht. Doch statt des Lösegeldes erhielt er eine Strafanzeige und eine Verwarnung des Amtsgerichts Düsseldorf samt Androhung von 3.000 € Geldstrafe wegen versuchter Nötigung. Er hätte, so der Richter, die Blockade seiner Einfahrt durch zur Seite setzen des Rollers leicht beheben können. Auf Anraten des Richters zog der Grantler seinen Einspruch gegen den Strafbefehl zurück und muss nun als Auflage 200 € an eine gemeinnützige Organisation zahlen. GLH

 

Und die Moral aus diesen Geschichten?

Neben zahlreichen bei Gerichten anhängigen Nachbarschaftsstreitigkeiten, die bei weniger Ignoranz und Borniertheit oft außergerichtlich geklärt werden könnten, gibt es im Zivilrecht massenhaft Fälle unangemessener Anrufung der Gerichte. Wer nach Justizreform ruft, sollte sich auch Gedanken über eine leichtere Abweisung von Klagen mit geringer Substanz machen und die mediatorische Aufgabe der Anwälte entsprechend normieren wollen. GLH


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