
EDITORIAL: Mogeln bei Führerscheinkosten?
Liebe Leserinnen und Leser,
das Thema Führerscheinkosten ist derzeit ein Dauerbrenner in den Medien. Überschriften wie „4.500 € oder mehr für den Führerschein“ sind Schlagzeilen der Medien und führen in die Irre. Fakt ist – und diese Zahlen sind belastbar –, dass der Führerschein der Klasse B (Stand März 2025) in der Bundesrepublik durchschnittlich 3.228 € und in Baden-Württemberg durchschnittlich 3.403 € kostet. Lediglich bei 5 Prozent der Bewerber schlagen mehr als 4.000 € zu Buche: Es gibt eben Bewerber, die überdurchschnittlich viele Fahrstunden und Prüfungsversuche benötigen. Für Aufsehen sorgt derzeit der Vorschlag, das in Österreich praktizierte Modell zu übernehmen: die Eltern, also Laien, zur Fahrausbildung heranzuziehen. Dagegen spricht u.a., dass in Deutschland der Verkehr viel dichter und komplexer ist. Vor allem aber geht es um pädagogische Kompetenz. Eltern sind keine ausgebildeten Fahrlehrer. Gute Ausbildung verlangt mehr als Fahrpraxis. Sie verlangt von Eltern besondere Fähigkeiten wie didaktisches Können, methodisches Unterrichten und sicheres Eingreifen in kritischen Verkehrssituationen. Hinzu kommt der Fahrstil der Eltern, der für Fahranfänger oft nicht beispielhaft sein sollte. Nach dem österreichischen Modell müssen die Eltern:
- vor der Fahrerlaubnisprüfung während mehrerer von einer Fahrschule erteilten Fahrstunden Beifahrer/-innen sein,
- die Neulinge nach bestandener Prüfung im öffentlichen Straßenverkehr während 3.000 Kilometer begleiten und den Ablauf dokumentieren.
Haben Eltern die notwendige Zeit und Lust für ein solches Engagement?
Die Einführung des österreichischen Modells wäre in puncto Einsparungen Augenwischerei. Denn die obligatorischen Begleitkilometer verursachen Fahrzeugkosten, und der Zeitaufwand der Begleitenden ist enorm. Auch die obligatorische Teilnahme an einem Sicherheitstraining und das drei bis neun Monate nach der Prüfung vorgeschriebene Gruppengespräch bei einem Verkehrspsychologen gibt es nicht zum Nulltarif. Und wer trägt die erheblichen Bürokratiekosten für Organisation, Durchführung und Überwachung des komplexen Modells? Die Steuerzahler?
Anstelle eines Systemwechsels hin zu einem neuen Bürokratiemonster wäre es deshalb erheblich sinnvoller, das in Deutschland bewährte Ausbildungssystem und dessen Qualität zu optimieren. Schlüssel zur Kostensenkung sind – darin besteht Einigkeit – u.a. eine verbesserte Struktur der Ausbildung, bessere inhaltliche Verzahnung zwischen Theorie und Praxis sowie regelmäßige, verbindliche Lernstandskontrollen. Und nicht zuletzt müsste auch kritisch untersucht werden, ob für eine ergebnisorientierte praktische Prüfung der Klasse B tatsächlich 55 Minuten erforderlich sind.
In diesem Sinne grüße ich Sie sehr herzlich
Ihr
Jochen Klima
Foto: Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V.
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