15.06.2018

(2421) Bus fährt an - eine Gehbehinderte stürzt

© FahrSchulPraxis - veröffentlicht in Ausgabe Juni/2018

Der Fall Eine gebehinderte Frau bestieg einen Linienbus ohne erkennbare Probleme und ohne fremde Hilfe. Beim Einstieg zeigte sie ihren Schwerbehindertenausweis vor, ohne den Busfahrer um weitere Rücksichtnahme zu bitten. Sie nahm nicht den unmittelbar hinter dem Fahrer befindlichen Sitzplatz für Schwerbehinderte ein, sondern ging durch den Bus, um sich auf einen Sitzplatz in der Nähe des ersten Ausstiegs zu setzen. Bevor die Frau sich hingesetzt hatte, fuhr der Bus an. Die Klägerin stürzte und zog sich einen Oberschenkelbruch zu. Wegen der erlittenen Verletzungen klagte sie gegen den Fahrer und das Busunternehmen auf Schadenersatz. Sie verlangte unter anderem ein Schmerzensgeld in Höhe von 11.500 EUR und den Ausgleich eines Haushaltsführungsschadens von circa 4.000 EUR. Dabei machte sie geltend, der Busfahrer hätte allein aufgrund des vorgezeigten Schwerbehindertenausweises mit dem Anfahren warten müssen, bis sie einen Sitzplatz eingenommen gehabt hätte. Das Landgericht Bochum wies die Klage ab. 

Das Urteil In der Berufungsverhandlung bestätigte der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Beschlüssen vom 13.12.2017 und 28.02.2018 (Az. 11 U 57/17 OLG Hamm) das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bochum vom 21.03.2017 (Az. 8 O 23/17 LG Bochum). Die Klägerin musste sich sagen lassen, ein Fahrgast habe sich unmittelbar nach dem Zusteigen in eine Straßenbahn oder einen Linienbus einen sicheren Stand oder einen Sitzplatz sowie sicheren Halt zu verschaffen. Werde dies gerade in dem Zeitraum des besonders gefahrenträchtigen Anfahrens versäumt, treffe den Fahrgast ein erhebliches Mitverschulden, hinter das die Betriebsgefahr des Verkehrsmittels regelmäßig zurücktrete. Ein Verschulden des Busfahrers sei nicht festzustellen. Von einem Busfahrer, der auf andere Verkehrsteilnehmer und äußere Fahrtsignale zu achten habe, sei nicht zu verlangen, dass er zugestiegene Fahrgäste besonders im Blick behalte. Eine solche Verpflichtung sei nur ausnahmsweise gegeben, wenn für den Busfahrer eine schwerwiegende Behinderung des Fahrgastes erkennbar sei.

Oberlandesgericht Hamm
Beschluss vom 28.02.2018
Az. 11 U 57/17

Quelle: rechtsindex.de/GLH