15.11.2022

(2559) 22 km/h zu viel - vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung?

Der Fall   In einer Augustnacht 2021 überschritt ein Autofahrer auf einer Autobahn in Rheinland-Pfalz die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 22 km/h. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit war aufgrund einer Baustelle herabgesetzt worden.

Urteil 1. Instanz   Das Amtsgericht Kaiserslautern verurteilte den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 140 EUR. Nach Meinung des Amtsgerichts habe der Betroffene aufgrund der sensorischen Eindrücke, des Motorengeräusches, der Fahrzeugvibration und der Schnelligkeit der Änderung der Umgebung die Geschwindigkeitsüberschreitung erkannt und sie billigend in Kauf genommen. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

Urteil 2. Instanz   Das OLG Zweibrücken entschied zu Gunsten des Betroffenen. Die Begründung des Amtsgerichts zum Vorsatzvorwurf sei nicht tragfähig. Zwar könne bei einer Übertretung von mindestens 40 % der angeordneten Höchstgeschwindigkeit davon ausgegangen werden, dass der Betroffene die Überschreitung kennt. Bei einer solchen erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung könne in der Regel davon ausgegangen werden, dass der Fahrer anhand der Motorengeräusche, der sonstigen Fahrgeräusche, der Fahrzeugvibration und der Schnelligkeit der Änderung der Umgebung zuverlässig einschätzen kann, dass er die erlaubte und ihm bekannte zulässige Höchstgeschwindigkeit wesentlich überschreitet. Der Betroffene habe hier die zugelassene Höchstgeschwindigkeit um ca. 37 % überschritten. Hinzu komme, so das Oberlandesgericht, dass eine vergleichsweise niedrige Übertretung von 22 km/h nicht ohne Weiteres erkennbar sei. Die sensorisch wahrnehmbaren Merkmale eines zu schnellen Fahrens fallen umso geringer aus, je geringer der Abstand zwischen zugelassener und tatsächlicher Geschwindigkeit ausfällt. So sei eine Differenz zwischen erlaubten 100 km/h und tatsächlich gefahrenen 140 km/h für den Fahrer weit deutlicher erkennbar als eine Differenz zwischen 60 km/h und 84 km/h, obwohl das relative Maß der Überschreitung jeweils gleich ist. Dies gelte erst recht innerhalb einer Baustelle, bei der aufgrund von Fahrbahnunebenheiten auch bei Einhaltung der erlaubten Geschwindigkeit regelmäßig mit höheren Fahrgeräuschen zu rechnen ist.

Oberlandesgericht Zweibrücken
- Beschluss vom 11.07.2022 -
Az. 1 OWi 2 SsBs 39/22