15.08.2018

(2425) Tatbestand Unfallflucht hat Grenzen

© FahrSchulPraxis - veröffentlicht in Ausgabe August/2018

Der Fall Frau Grün* parkte ihr Auto nach rechts schräg in eine Parklücke am Fahrbahnrand und brachte es so zum Stehen, dass es mit der hinteren Ecke der Fahrerseite an der Markierung zwischen Parkfläche und Fahrbahn und mit der Front über die Bordsteinkante hinaus in Richtung des Gehweges stand. Als ihr Auto bereits stand, parkte vor ihr Frau Weiß* rückwärts ein und streifte aus Unachtsamkeit den parkenden Wagen der Grün. Frau Grün stieg aus und stellte an beiden Fahrzeugen keine Schäden fest. Frau Weiß war anderer Ansicht, eine Schramme am Heck ihres Fahrzeugs stamme von der Kollision. Dies stritt Frau Grün mit der Bemerkung ab, der Schaden stamme nicht vom Einparken. Darauf kündigte Frau Weiß an, sie werde die Polizei rufen. Damit war Frau Grün einverstanden und setzte sich wieder ins Auto, um auf die Polizei zu warten. Frau Weiß rief jedoch nicht die Polizei, sondern machte Fotos von Autos und Kennzeichen. Auch öffnete sie immer wieder die Fah- rertür des Wagens von Frau Grün, um Druck auszuüben: Frau Grün sollte ihre Personalien angeben. Diese wollte jedoch nur der Polizei Angaben machen und fuhr nach etwa 15 Minuten Wartezeit schließlich davon. Am übernächsten Tag zeigte Frau Weiß Frau Grün wegen Fahrerflucht an.

Urteil der 1. Instanz Das Amtsgericht Hamburg-St.Georg verurteilte Frau Grün am 28. September 2016 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10 EUR und verhängte ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat. Dagegen hat die Angeklagte Berufung eingelegt.

Urteil der 2. Instanz Mit Urteil vom 17. Oktober 2016 hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St.Georg ,,aufgehoben" und dahingehend ,,neu gefasst", dass Frau Grün eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig ist und verwarnt wird. Die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10 Euro ist vorbehalten worden. Gegen dieses Urteil legte die Angeklagte Revision beim Oberlandesgericht (OLG) ein.

Urteil der 3. Instanz Das OLG Hamburg sprach Frau Grün vom Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) frei und begründete dies ausführlich. Kern der Begründung ist, dass die Pflicht des Unfallbeteiligten, durch seine Anwesenheit am Unfallort gemäß § 142 Absatz 1 Nr. 1 StGB Feststellungen zu ermöglichen, entfällt, wenn der Geschädigte darauf verzichtet, die Polizei herbeizurufen, obwohl der Unfallbeteiligte nur bereit ist, seine Personalien von der Polizei feststellen zu lassen und weitere nach § 142 Absatz 1 Nr. 1 StGB zu treffende Feststellungen nicht mehr erforderlich sind; bei dieser Sachlage hat der Geschädigte die Nichterfüllung seines Feststellungsinteresses selbst zu vertreten. Im Weiteren gab das Revisionsgericht Zweifel über das Entstehen des von Frau Weiß geltend gemachten Schadens Ausdruck.

*Namen entsprechen nicht denen der Verfahrensbeteiligten

OLG Hamburg
Beschluss vom 30.05.2017
Az. 2 Rev 35/17 - 1 Ss 39/17