15.12.2019

(2459) Ist Rasen bei dringender Notdurft gerechtfertigt?

Der Fall Ein Motorradfahrer wurde in der Innenstadt mit 52 km/h über Limit geblitzt. Die flotte Fahrt brachte ihm ein Bußgeld von 280 EUR und zwei Monate Fahrverbot ein. Die Ahndung war nach Meinung des bis dahin straßenverkehrsrechtlich unbescholtenen Motorradfahrers ungerecht, weshalb er vor dem Amtsgericht gegen die Entscheidung der Bußgeldstelle klagte. Er begründete das hohe Tempo mit heftigen Magenkrämpfen und dem dringenden Bedürfnis, eine Notdurft verrichten zu müssen. Deshalb habe er mit hoher Geschwindigkeit eine nahe gelegene Toilette erreichen wollen. Er habe sich nicht in die Hose machen wollen.

Erste Instanz   Das Amtsgericht Schwedt/Oder hob wegen der Ausnahmesituation das Fahrverbot auf. Es hielt die Tat mit Verhängung einer Geldbuße in Höhe des Regelsatzes als ausreichend geahndet. Doch die Staatsanwaltschaft Neuruppin machte da nicht mit, weil ihr die Begründung des Amtsgerichts, auf das Fahrverbot zu verzichten, zu schwach war.

Zweite Instanz   Damit landete der Fall beim Oberlandesgericht Brandenburg, das die Entscheidung des Amtsgerichts aufhob. Nach Auffassung des OLG ist für die Annahme eines rechtfertigenden Notstands ein strenger Beurteilungsmaßstab anzulegen. Hierbei sei zu prüfen, ob das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiege. Das Amtsgericht habe nicht ausreichend geprüft, ob tatsächlich eine Ausnahmesituation vorgelegen habe. Die Angaben des Motorradfahrers hätten nicht ungeprüft übernommen werden dürfen. Es sei auch nicht festgestellt worden, wann und wo der Mann losgefahren und wie lange er bereits unterwegs gewesen sei. Es müsse geprüft werden, ob es ihm bereits vor Fahrtantritt oder während der Fahrt zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre, zur Toilette zu gehen. Der Mann sei in der Innenstadt unterwegs gewesen, die über gastronomische Einrichtungen, wie z. B. Fastfood-Ketten oder Tankstellen verfüge. Eine dieser Einrichtungen hätte der Mann aufsuchen können, um seine Notdurft zu verrichten. Auch hierzu gebe es vom Amtsgericht keine Feststellungen. Der Senat machte von der nach § 79 Absatz 6 OWiG gegebenen Möglichkeit Gebrauch und verwies die Sache zurück an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Schwedt/Oder.

OLG Brandenburg
- Beschluss vom 25.02.2019 -
Az. (1 B) 53 Ss-OWi 41/19 (45/19), 1 Ss-OWi 45/19