(2614) Fahrzeughalterhaftung bei passiv unbeteiligtem Fahrzeug bei Kettenauffahrunfall
Der Fall Im August 2018 kam es auf einer Autobahn in Niedersachsen zu einem Kettenauffahrunfall infolge eines Staus. Dabei fuhr einem VW Golf ein von hinten kommendes Fahrzeug auf. Der VW Golf wurde daraufhin auf einen vor ihm stehenden Seat Ibiza geschoben. Im VW Golf saß als Beifahrer ein zweijähriges Kind. Dieses wurde bei dem Unfall schwer verletzt und klagte unter anderem gegen den Halter des Seat Ibiza und dessen Haftpflichtversicherung auf Zahlung von Schadensersatz. Urteil 1. Instanz Das Landgericht Hannover wies die Klage ab. Es sah eine Fahrzeughalterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG für nicht gegeben, da der Unfall nicht bei Betrieb des Seat Ibiza entstanden sei. Dagegen richtete sich die Berufung des Klägers. Urteil 2. Instanz Das Oberlandesgericht Celle entschied zu Gunsten des Klägers. Ihm stehe gegen die Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Der Unfall sei bei dem Betrieb des Seat entstanden, so dass die Gefährdungshaftung des § 7 Abs. 1 StVG greife. Das Fahrzeug habe seiner Fortbewegungs- und Transportfunktion als Verkehrsmittel gedient als sich der Unfall ereignete. Es habe insofern im Sinne einer Mitursächlichkeit durch seinen Betrieb zu dem Unfallgeschehen beigetragen. Begründungen Soweit die Beklagten anführten, dass der Unfall nichts mit der spezifischen Gefährdung eines Fahrzeugs zu tun habe, folgte das Oberlandesgericht dem nicht. Die Gefährdungshaftung des § 7 StVG ziele gerade darauf ab, das Gefahrenpotential zu erfassen, das entsteht, wenn sich Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr bewegen. Geradezu typische risikoreiche Situationen entstehen auf Autobahnen, auf denen viele Verkehrsteilnehmer ihre Fahrzeuge mit hohen Geschwindigkeiten fahren. Entsteht sodann am Ende eines plötzlich aufgebauten Staus ein Auffahrunfall, habe sich genau das Risiko verwirklicht, für das die Vorschrift erlassen worden sei.
Oberlandesgericht Celle —
Urteil vom 10.05.2023 — Az.: 14 U 56/21.