(2643) Unfall beim Überholen einer Kolonne
Der Fall Am 09.02.2022 ereignete sich ein Verkehrsunfall (ohne Ortsangabe). Eine Frau stand mit ihrem Fahrzeug in der Kolonne vor einer roten Ampel. Der Kläger fuhr links an den wartenden Fahrzeugen vorbei, um abzubiegen. Die Beklagte scherte ebenfalls aus, um abzubiegen, wodurch es zum Unfall kam. Der Überholer war mit der Schuldteilung der Haftpflichtversicherung der Beklagten nicht einverstanden und klagte auf Haftung der Beklagten vor dem Landgericht.
Urteil 1. Instanz Das Landgericht gab der Klage weitgehend statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 5.621,39 Euro nebst Zinsen. Die Richter am Landgericht sahen die alleinige Schuld an dem Unfall bei der Beklagten, da diese gegen ihre Pflichten beim Linksabbiegen verstoßen habe. Ein Mitverschulden des Klägers wurde verneint. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten wurden jedoch nicht erstattet. Die Beklagte ging in Berufung beim OLG Saarbrücken und begründete diese so: Allein das Überholen der Kolonne durch den Kläger sei ein unfallursächlicher Verstoß gegen § 1 Abs. 2 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) gewesen. Zudem warf sie dem Kläger, der ortskundig sei, eine Geschwindigkeitsüberschreitung vor, da er mit 20 bis 30 km/h an der Kolonne vorbeigefahren sein soll. Die Beklagte forderte eine Änderung der Haftungsverteilung und hielt eine Aufteilung von 25 % zu Lasten des Klägers und 75 % zu ihren Lasten für angemessen. Darüber hinaus beanstandete sie die Zinsentscheidung des Landgerichts als unzulässige Doppelbelastung.
Urteil 2. Instanz Das Oberlandesgericht Saarbrücken verurteilte beide Parteien als Gesamtschuldner. Die Beklagte muss an den Kläger 2.945,68 Euro zahlen. Der Kläger trägt 49 % der Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz und die Beklagte 51%. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Revision wurde nicht zugelassen, das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die vollständige Urteilsbegründung lag zum Redaktionsschluss nicht vor. Die Entscheidung des OLG Saarbrücken lässt jedoch darauf schließen, dass das Gericht dem Kläger ein Mitverschulden an dem Unfall anlastete. Dieses Mitverschulden dürfte darin begründet liegen, dass der Kläger die Fahrzeugkolonne überholt hat. Auch wenn das Linksabbiegen aus einer Kolonne besondere Sorgfalt erfordert, so dürfte das Oberlandesgericht argumentiert haben, dass das Überholen einer stehenden Kolonne ebenfalls mit besonderen Gefahren verbunden ist und der Überholende eine erhöhte Sorgfaltspflicht trägt. Möglicherweise wurde dem Kläger zur Last gelegt, die Situation falsch eingeschätzt oder die Geschwindigkeit beim Überholen nicht ausreichend angepasst zu haben.
OLG Saarbrücken, Urteil vom 20.09.2024,
OLG Hamburg, Urteil vom 02.10.2024, Az.: 3 U 21/24 Textbearbeitung GLH