30.05.2023Teilnahme am Straßenverkehr: Fragen zur Fahreignung und zu Gutachten - © Bild: Song_about_summer/Stock.Adobe© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Mai 2023, Seite 294

Teilnahme am Straßenverkehr: Fragen zur Fahreignung und zu Gutachten

Nach Paragraf 1 FeV ist jeder Mensch berechtigt, am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Jedoch müssen Personen, die wegen körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen nicht sicher am Straßenverkehr teilnehmen können, den Mangel durch geeignete Hilfsmittel ausgleichen.

 

Dabei muss jede betroffene Person selbstständig und in eigener Verantwortung entscheiden, welche Hilfsmittel sie einsetzt. Bei Personen, die zu der Erkenntnis oder Entscheidung nicht in der Lage sind, trifft die Pflicht zur Vorsorge die für die beeinträchtigte Person Verantwortlichen. Bei Kindern sind dies bspw. die Eltern.

 

Einschreiten der Behörde

Bekommt die Fahrerlaubnisbehörde Kenntnis, dass eine Person nicht oder nur bedingt geeignet ist, selbstständig am Straßenverkehr teilzunehmen oder Tiere im Straßenverkehr zu führen, muss sie die Teilnahme am Straßenverkehr untersagen oder einschränken. Diese Regelung betrifft beispielsweise auch Radfahrer.

 

Eignung zum Führen von fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen

Vor der Erteilung einer Fahrerlaubnis prüft die Fahrerlaubnisbehörde, ob der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen der beantragten Klasse geeignet ist. In der Regel wird bei den Motorrad- und Pkw-Klassen die Prüfung auf das Sehvermögen beschränkt. Weitere Untersuchungen werden mangels entsprechender Rechtsgrundlagen vom Amt nicht angeordnet. Im Führerscheinantrag kann der Antragsteller eigenverantwortlich weitere Angaben zu seinem Gesundheitszustand machen. Wer bei der Antragstellung Mängel verschweigt, läuft Gefahr, dass der amtlich anerkannte Sachverständige oder Prüfer diese Eignungsmängel bei der Fahrerlaubnisprüfung erkennt und sie der Fahrerlaubnisbehörde mitteilt, worüber er die betroffene Person informieren muss (§ 18 Absatz 3 FeV).

 

Eignungszweifel

Steht aufgrund bekannter Mängel Nichteignung fest, darf die Fahrerlaubnis nicht erteilt werden. Bestehen Zweifel an der Eignung, muss die Behörde klären, ob Nichteignung vorliegt oder ob die Mängel durch entsprechende Maßnahmen ausgeglichen werden können. Da die Behörde diese Entscheidung nicht aus eigenem Wissen treffen kann, verpflichtet sie die betroffene Person, ein Gutachten einer geeigneten Stelle vorzulegen. In Betracht kommen hierfür die in § 11 Absatz 2 FeV genannten ärztlichen Stellen.

Die Behörde legt genau fest, welche Fragen zur Eignung im Gutachten zu klären sind. Die betroffene Person entscheidet, bei welcher Stelle sie sich begutachten lassen will. Die Behörde sendet die für die Untersuchung erforderlichen Unterlagen an die von der betroffenen Person ausgewählte Stelle. Die betroffene Person erteilt selbst den Auftrag zur Begutachtung und trägt auch die Kosten der Untersuchung. Deshalb muss die untersuchende Stelle das Gutachten auch an die untersuchte Person schicken. Zur Bedeutung des Gutachtens stellt der Bundesgerichtshof (BGH) im Beschluss vom 14.01.2009 klar:

 

Das Gutachten entfaltet als vorbereitendes Privatgutachten, das im Auftrag des Betroffenen und auf dessen Kosten erstellt wird, keine Bindungswirkung.

 

Die Behörde ist also verpflichtet, auf der Grundlage des Gutachtens über die Eignung zu entscheiden.

 

Zustimmung des Betroffenen erforderlich

Der BGH und das Bundesverwaltungsgericht haben schon vor Jahren entschieden, dass eine Übersendung des Gutachtens direkt an die Behörde nur mit Zustimmung des Betroffenen zulässig ist. In einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt vom 27.07.2005 (Az. 3 L 1181/05.NW) heißt es dazu:

 

Eine Herausgabe des Gutachtens durch die Begutachtungsstelle an die Fahrerlaubnisbehörde kommt im Hinblick auf das – gemäß § 203 StGB auch strafrechtlich geschützte – Vertrauensverhältnis, das zwischen dem Betroffenen und der Begutachtungsstelle besteht, ohne Einverständnis des Betroffenen nicht in Betracht.

 

Folgen für die Verkehrssicherheit

Für die Verkehrssicherheit entstehen durch diese Regelungen keine Nachteile. Wird ein negatives Gutachten nicht vorgelegt, geht die Behörde von Nichteignung aus und verweigert die Erteilung der beantragten Fahrerlaubnis.

 

Eignungszweifel bei Inhabern einer Fahrerlaubnis

Die gleichen Regelungen gelten, wenn beim Inhaber einer Fahrerlaubnis nachträglich Eignungszweifel auftreten und der Behörde bekannt werden. Auch in diesen Fällen ordnet sie die Beibringung eines Gutachtens an. Doch auch in diesem Fall darf das Gutachten nicht direkt an die Behörde geschickt werden.

 

Gutachten bei körperlichen Mängeln

Häufig kontaktieren Inhaber einer Fahrerlaubnis, die aufgrund einer Erkrankung oder nach einem Unfall körperliche Einschränkungen haben, Fahrschulen, die sich auf die Ausbildung von körperlich eingeschränkten Personen spezialisiert haben. Sie bringen in der Regel ein Gutachten eines Facharztes mit. Zur Klärung, welche Zusatzeinrichtungen im Fahrzeug nötig sind, ist ein weiteres Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen erforderlich. Die Fahrerlaubnisbehörde ist in solchen Fällen nicht informiert. Schließlich hat der Gesetzgeber jedem Verkehrsteilnehmer (also auch Fahrerlaubnisinhabern) auferlegt, eigenverantwortlich für die notwendigen Hilfsmittel zu sorgen. Im Normalfall fährt die Fahrschule mit dem Betroffenen zu einem Sachverständigen des TÜV und bittet den Sachverständigen, ein Gutachten zu erstellen. Dieses Gutachten darf wiederum nur dem Betroffenen ausgehändigt werden. Eine Übermittlung an die Fahrerlaubnisbehörde wäre auch in diesem Fall unzulässig. Würden notwendige Umbauten zum Erlöschen der Betriebserlaubnis eines Fahrzeugs führen, müsste der Umbau selbstverständlich begutachtet und gegebenenfalls eine neue Betriebserlaubnis beantragt und erteilt werden.

 

Eigenverantwortliches Handeln

Inhaber einer Fahrerlaubnis, die sich nicht sicher sind, ob sie nach wie vor geeignet sind, suchen oft Rat bei einem Arzt ihres Vertrauens. Dieser kann die Fahreignung eines Patienten aus medizinischer Sicht beurteilen. Bei Zweifeln empfehlen Ärzte den Betroffenen unter Umständen, sich an eine Fahrschule zu wenden. Auch Patienten, die eine längere Reha durchlaufen haben, bekommen gelegentlich diese Empfehlung. Natürlich kann ein Fahrlehrer bei diesen Fahrten keine medizinischen Fragen klären. Bei der Fahrt kann nur überprüft werden, ob der Betroffene in der Lage ist, regelgerecht und sicher zu fahren. In einigen Fällen kann es hilfreich sein, zusätzlich die Einschätzung eines amtlich anerkannten Sachverständigen einzuholen. Ärzte und Betroffene, aber auch Fahrlehrer, scheuen sich vor diesem Schritt. Sie befürchten, offenbar nicht ganz unbegründet, der Sachverständige informiere die Erlaubnisbehörde. Solche Fälle soll es gegeben haben.

 

Eigenverantwortliches Handeln schützen

Die obersten Gerichte haben entschieden: Gutachten über behördlich angeordnete Untersuchungen dürfen nur dem Betroffenen ausgehändigt werden. Angesichts dieser Rechtslage ist es selbstverständlich, dass das Ergebnis einer auf privater Basis erbetenen Begutachtung keinesfalls einer Behörde mitgeteilt werden darf.

Deshalb ist es für die Leitung einer Technischen Prüfstelle unerlässlich, die Sachverständigen in diesem Sinne zu informieren, bei entsprechenden Anfragen den Inhabern einer Fahrerlaubnis absolute Vertraulichkeit zusichern zu müssen. Nur dann werden sie gefragt, mit welchen Mitteln die Fahreignung im Einzelfall erhalten oder wiederhergestellt werden kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass solche Empfehlungen ignoriert werden, ist sehr gering. Schließlich haben die Betroffenen selbst Beratung und Hilfe gesucht.

Peter Tschöpe

© Bild: Song_about_summer/Stock.Adobe


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