28.02.2023© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Februar 2023, Seite 80

Geänderte Auslegung: Rechtsabbiegen mit Schritttempo

Laut einer Information des TÜV SÜD aus einer Sitzung des AK FF (Arbeitskreis des BMDV für Fahrerlaubnisfragen) muss die bisherige Fehlerbewertung beim innerörtlichen Abbiegen mit Schrittgeschwindigkeit (§ 9 Absatz 6 StVO) geändert werden. Die Änderungen sollen zum 1. April 2023 in Kraft treten.

 

Dabei geht es um die seit 1. April 2020 geltende Bestimmung des § 9 Absatz 6 StVO:

„Wer ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t innerorts führt, muss beim Rechtsabbiegen mit Schrittgeschwindigkeit fahren, wenn auf oder neben der Fahrbahn mit geradeaus fahrendem Radverkehr oder im unmittelbaren Bereich des Einbiegens mit die Fahrbahn überquerendem Fußgängerverkehr zu rechnen ist.“

 

Bisherige Auslegung

Auf der Beiratssitzung im Oktober 2021 hatte der TP-Leiter der TÜV SÜD Auto Service GmbH, Dipl.-Ing. Marcellus Kaup, darüber informiert, wie diese Vorgabe bei der praktischen Fahrerlaubnisprüfung umgesetzt werden soll. Siehe dazu auch FahrSchulPraxis, Ausgabe Dezember 2021, Seite 759:

  • Es ist zu beanstanden, wenn ein Bewerber der C- oder D-Klassen grundsätzlich an jeder Kreuzung oder Einmündung mit Schrittgeschwindigkeit abbiegt, also auch an Stellen an denen definitiv weder auf oder neben der Fahrbahn mit geradeaus fahrendem Radverkehr bzw. im unmittelbaren Bereich des Einbiegens mit die Fahrbahn überquerendem Fußgängerverkehr zu rechnen ist
  • Schrittgeschwindigkeit ist nicht erforderlich, wenn der Bewerber schon bei der Annäherung an die Abbiegesituation frühzeitig korrekte Umsicht zeigt und sicher erkennen kann, dass weder mit Rad- noch Fußgängerverkehr auf oder neben der Fahrbahn zu rechnen ist.

Tagesordnungspunkt bei einer Sitzung des AK FF

Nun hat sich gezeigt, dass – auch nach der Auffassung einiger renommierter StVO-Kommentatoren – diese Auslegung nicht dem Kern des § 9 Absatz 6 StVO entspricht und diese deshalb vom BMDV als nicht mehr akzeptabel erachtet wird. Aus diesem Grund war die Frage der Auslegung des § 9 Absatz 6 StVO bei der praktischen Prüfung Gegenstand der Tagesordnung einer der letzten Sitzungen des AK FF des BMDV.

 

Neue Auslegung ab 1. April 2023

Bei der jüngsten Sitzung des AK FF wurde folgende neue Regelung beschlossen, über die der TP-Leiter den Vorstand des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V. per Mail am 06.12.2022 informierte. Die Neuregelung soll voraussichtlich ab dem 1. April 2023 bei der praktischen Prüfung zur Anwendung kommen:

⇒ Grundsätzlich muss innerorts beim Rechtsabbiegen mit geradeaus fahrenden Radfahrern und querenden Fußgängern gerechnet werden.

⇒ In der Regel muss deshalb mit Schrittgeschwindigkeit abgebogen werden.

⇒ Nur wenn die baulichen Gegebenheiten und die gesamte Verkehrssituation ein Vorkommen von Radfahrern und Fußgängern ausschließen, kann davon abgewichen werden.

 

Bei der Ausbildung berücksichtigen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, über diese deutlich verschärfte Auslegung des AK FF mag man unterschiedlicher Auffassung sein. Aber sie gilt nun mal. Bitte berücksichtigen Sie deshalb bei der Ausbildung Ihrer Lkw- und Busfahrschüler bereits vor dem 1. April 2023 diese neue Regel. Deshalb ist auch folgender Hinweis wichtig: Wer mit Schrittgeschwindigkeit abbiegt, obwohl diese objektiv nicht erforderlich war, begeht nach dem Fahraufgabenkatalog und der Prüfungsrichtlinie lediglich einen leichten Fehler.

 

Titelbild: Hier ist deutlich ein E-Roller-Fahrer im Kamerabild des rechten Kameraspiegels zu sehen. Der Lkw-Fahrer muss damit rechnen, dass dieser geradeaus fahren möchte. Deshalb ist hier beim Abbiegen Schrittgeschwindigkeit geboten. Ab 01.04.2023 ist Schrittgeschwindigkeit die Regel, von der nur in bestimmten Situationen abgewichen werden darf. Foto: © Daimler Truck

 

Jochen Klima


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