30.01.2023© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Januar 2023, Seite 36

Merkblatt: Zusammenarbeit von Fahrschulen bei straßenverkehrsrechtichen Aufbauseminaren

Merkblatt
Zusammenarbeit von Fahrschulen bei straßenverkehrsrechtlichen Aufbauseminaren


Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen

Untersuchungen durch die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg haben Anhaltspunkte für wiederholte wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen baden-württembergischen Fahrschulen über die Durchführung von straßenverkehrsrechtlichen Aufbauseminaren ergeben. Aus diesem Anlass sollen Fahrerlaubnisbehörden und Fahrschulen über wesentliche Grundsätze des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) informiert werden. Die Landeskartellbehörde behält sich ausdrücklich vor, konkreten Beschwerden im Zusammenhang mit der Durchführung von Aufbauseminaren durch Fahrschulen nachzugehen und diese auf ihre Vereinbarkeit mit wettbewerbsrechtlichen Normen zu überprüfen. Bei Beachtung dieses Merkblatts kann allerdings in der Regel von einem wettbewerbskonformen Verhalten ausgegangen werden.

 

I. Rechtliche Grundlagen

Gemäß §1 GWB sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten. Die Zuwiderhandlung gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen i.S.d. § 1 GWB ist nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann.

 

Wettbewerbsbeschränkend i.S.d. § 1 GWB sind u.a. die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung von Preisen oder sonstiger Geschäftsbedingungen sowie die Aufteilung von Märkten nach Gebieten und Kundengruppen durch miteinander im Wettbewerb stehende Unternehmen.

 

Durch Absprachen zwischen Fahrschulen über die Zuteilung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern an Aufbauseminaren wird eine Marktaufteilung vereinbart, die eine Einschränkung des Wettbewerbs zwar nicht bezweckt, aber doch bewirkt.

 

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Fahrschulen aufgrund der rechtlichen Anforderungen an Aufbauseminare gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) (das Aufbauseminar ist in Gruppen mit mindestens sechs und höchstens zwölf Teilnehmenden durchzuführen) vor praktischen Schwierigkeiten bei deren Durchführung stehen können. Außerdem ist zu beachten, dass den betroffenen Fahrerlaubnisinhaberinnen und -inhabern von den anordnenden Fahrerlaubnisbehörden für deren Teilnahme an einem Aufbauseminar eine Frist gesetzt wird (§ 2a Abs. 2 Nr. 1 FeV i.V.m. § 34 Abs. 2 Halbsatz 2 FeV).

 

Vor diesem Hintergrund könnte bei Fahrschulen das Bedürfnis bestehen, die Durchführung von Aufbauseminaren untereinander in gewisser Weise zu koordinieren. Die nachfolgenden Hinweise durch die Landeskartellbehörde dienen dem Zweck, auf eine Zusammenarbeit zwischen Fahrschulen zur Durchführung von Aufbauseminaren hinzuwirken, die den wettbewerbsrechtlichen Vorgaben entspricht.

 

II. Zulässige Koordinierung

Die Landeskartellbehörde duldet – vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung – eine Abstimmung von Aufbauseminaren in folgendem Umfang:

 

1. Einrichtung und Durchführung der Koordinierung von Aufbauseminaren

  • Ziel der Koordinierung von Aufbauseminaren darf ausschließlich die Sicherstellung der flächendeckenden und regelmäßigen Durchführung von Seminaren mit der erforderlichen Teilnehmerzahl sein.
  • Die Zusammenarbeit bei der Durchführung von Aufbauseminaren muss allen im regionalen Umfeld ansässigen Fahrschulen offenstehen. Die betreffenden Fahrschulen müssen daher über die Zusammenarbeit informiert werden und sie müssen die Möglichkeit haben, sich der Zusammenarbeit anzuschließen sowie hiervon zurückzutreten.
  • Die Koordinierung von Aufbauseminaren muss diskriminierungsfrei sein, d.h. es darf nicht zu einer Bevorzugung von einzelnen Fahrschulen bei der Zuweisung der Teilnehmenden zu den Seminaren kommen.

2. Verteilung der Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer

  • Allen Interessenten müssen mindestens zwei Fahrschulen für die Teilnahme an einem Aufbauseminar zur Auswahl stehen, welches innerhalb der ihnen von der Fahrerlaubnisbehörde gesetzten Frist stattfindet.

3. Entgeltbildung und Preisinformation

  • Jede Fahrschulde bildet ihre Entgelte frei, selbstständig, in eigener Verantwortung und aufgrund eigenständiger Kalkulation. Die Koordinierung von Aufbauseminaren darf weder Preisabsprachen zwischen den Fahrschulen noch gemeinsame Werbung mit einheitlichen Preisen enthalten. Jede Fahrschule rechnet ihre Kosten individuell mit den Teilnehmenden ab. Eine Zusammenarbeit bei der Abrechnung von Seminargebühren darf nicht erfolgen.
  • Die Gebühren für ein Aufbauseminar sind bei der Fahrschule zu erfragen, die das konkrete Seminar durchführen wird. Diese geben ausschließlich Auskunft über die Gebühren für die von ihnen durchgeführten Aufbauseminare.

III. Hinweise an die Fahrerlaubnisbehörden

Führt die Fahrerlaubnisbehörde eine Liste mit Anbietern, so sollten sämtliche, hierfür in Betracht kommende Fahrschulen im Zuständigkeitsbereich der Behörde in diese Liste aufgenommen werden.

 

Bei der Gestaltung von Merk- und Informationsblättern über die Fahrschulen, welche Aufbauseminare anbieten, ist darauf zu achten, dass diese keinen Empfehlungscharakter zugunsten bestimmter Fahrschulen haben dürfen. Es sollte ein Hinweis aufgenommen werden, dass es den Fahrerlaubnisinhaberinnen und -inhabern freisteht, das angeordnete Aufbauseminar bei jeder anderen seminarberechtigten Fahrschule im Bundesgebiet zu besuchen und dass die Auflistung von Fahrschulen keine Empfehlung darstellt, am Aufbauseminar eines genannten Anbieters teilzunehmen.

 

Die Fahrerlaubnisbehörden werden gebeten,

  • diese Hinweise den seminarberechtigten Fahrschulen zur Kenntnisnahme zu übermitteln,
  • auf Preise zu achten, die auf eine Preisabsprache schließen lassen können und
  • gegebenenfalls Verdachtsfälle an die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg zu melden.

Im Oktober 2022


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