Biker-Tipps von erfahrenen Instruktoren: Für mehr Sicherheit beim Biken
Motorradfahren erfordert Können und Charakter. Darüber hinaus müssen Biker immer mit ganz wachen Sinnen unterwegs sein. Zum Auftakt der Saison einige Tipps und Denkanstöße. FPX-Redakteurin Isabella Finsterwalder befragte dazu Fahrlehrerin Sigrid Ferl und die Fahrlehrer Torsten Lüth und Georg Rück; sie gehören zum Instruktorenteam der Fortbildung für Motorradfahrlehrer/-innen, namentlich auch für das Spitzenseminar MotorradTotal.
Für die meisten ist Motorradfahren ein Lebensgefühl, ja echte Leidenschaft. Für andere wiederum ist das Motorrad eher ein probates Fortbewegungsmittel, um günstig, einfach und flexibel von A nach B zu kommen. Egal aus welchen Gründen gebikt wird – Fakt ist, Motorradfahrer sind anderen Gefahren ausgesetzt als Autofahrer: Das Balancefahrzeug steht für Sturzgefahr, es hat keine Knautschzone und wird besonders von Autofahrern – aber auch anderen Verkehrsteilnehmern – leicht übersehen und oft bezüglich Beschleunigung und Geschwindigkeit falsch eingeschätzt.
Umso wichtiger ist es also, den Bewerbern/-innen um einen Motorradführerschein ein waches, nachhaltiges Bewusstsein für das große Gefahrenpotenzial des Motorradfahrens zu vermitteln. Aber auch für geübte und erfahrene Biker gilt es, sich durch regelmäßige Trainings in allen Sicherheitsaspekten fit zu halten.
Torsten Lüth: Trainings zu Schräglagen, Linien- und Blickführung
Gerade das Kurvenfahren muss gelernt sein und immer wieder neu geübt werden. Doch wie können Motorradfahrer gezielt für Schräglagen trainiert werden? Wie kann der Motorradfahrer mit der Fahrphysik seines Bikes am besten vertraut gemacht werden? Torsten Lüth differenziert hier zunächst nach Fahranfängern, mit denen Grundfahrübungen einstudiert werden, und geübten Motorradfahrern, die gezielte Schräglagentrainings erhalten.
So beginnen die Übungen für Fahranfänger zunächst mit klassischen Slaloms, die mit 30 km/h gefahren werden. „Bei diesen Übungen muss der Fahrer jedes Mal automatisch das Motorrad in Schräglage bringen“, sagt Lüth und ergänzt: „Bei der Fahrt in einem Kreis mit einem Radius von 9 Metern ist der Fahrer ebenfalls gezwungen, das Bike in Schräglage zu bringen.“ Übungen also, die den Fahrer möglicherweise Überwindung kosten, jedoch später lebensrettend sein können.
Die fortgeschrittenen Biker werden demgegenüber mit speziellen Schräglagefahrten und -trainings auf ausgewiesenen Trainingsarealen fit für die Straße gemacht. Laut Lüth bieten sich hier Trainingseinheiten an, bei denen der Motorradfahrer auf der Straße vom Fahrlehrer bzw. der Fahrschule begleitet wird.
Torsten Lüth (Foto: selfie)
Die richtige Blickführung macht’s
In Sachen „richtige Blickführung“ beim Motorradfahren zieht Lüth einen Vergleich zum Snowboard- bzw. Skifahren. So müsse der Blick immer entsprechend der Kurve – linke Kurve: vorausschauender Blick nach links, rechte Kurve: vorausschauender Blick nach rechts – in die jeweilige Richtung gehen. „Auch der Motorradfahrer muss in der Kurve immer zwingend weit voraus – abhängig vom Radius der Kurve – in die entsprechende Richtung blicken.“ Doch nicht nur das: „Das Ganze gilt es mit einem Kontrollblick abzusichern. Dieser bezieht den Fahrbahnbelag genauso ein wie die eigene Fahrlinie“, betont der erfahrene Instruktor.
Was das Tempo beim Kurvenfahren betrifft, so ist dies laut Lüth zwar „selbstredend“. Allerdings sei es hier besonders sinnvoll, als Fahrlehrer, der die Kurvengeschwindigkeit vorgibt, dem Biker vorauszufahren. Ein weiteres Thema, mit dem sich Lüth schwerpunktmäßig befasst, ist die Sicherheitslinie bzw., was bei der richtigen Linienführung beachtet werden sollte. „Anders als bei der Ideallinie auf der Rennstrecke gilt es, bei der Sicherheitslinie im Normalbetrieb vor allem auf den Straßenbelag und eventuelle Verschmutzungen zu achten“, sagt Lüth. Dabei sei diese Linie im Alltagsbetrieb des Bikers immer eine Frage der Gegebenheiten bzw. der jeweiligen Kurvenwinkel.
Insgesamt verhalten sich laut Lüth die Teilnehmer in der Motorradausbildung individuell sehr unterschiedlich. Während ältere Biker in der Regel sehr willig beim Lernen seien, wollten jüngere oft einfach nur so schnell wie möglich ihren Motorradführerschein bestehen. Außerdem nähme vor allem bei Aspiranten im innerstädtischen Verkehr das Engagement beim Erwerb des Motorradführerscheins tendenziell ab.
Georg Rück: Gefahrenpotenziale und richtige Kleidung
Grundsätzlich ist es nach Überzeugung von Georg Rück wichtig, dass sich ein Biker des Gefahrenpotenzials beim Motorradfahren bewusst ist: „Die Grundeinstellung zu dieser Mobilitätsform muss stimmen.“ Befragt nach den größten Gefahrenpotenzialen beim Motorradfahren meint Georg Rück überdies: „Aus meiner langjährigen Erfahrung kann ich sagen, dass die Hauptgefahr häufig vom Fahrer selbst und seiner Selbstüberschätzung ausgeht. Allerdings kommt es natürlich auch auf die Gegend an, wo gebikt wird, und inwieweit der Fahrer das Kurvenfahren mit der richtigen Blick- und Linienführung tatsächlich beherrscht.“
Ein allgemein verbreitetes „riesiges“ Gefahrenpotenzial macht Rück jedoch über alle Motorradfahrer aus: „Der Blick der Biker – ob junge Menschen oder Späteinsteiger – richtet sich bei den Fahrenden oft instinktiv nach unten anstatt nach vorn auf die Straße. Geschuldet ist das wahrscheinlich den Handys, auf die immer nach unten geschaut wird. Besonders nachts ist dieser intuitiv nach unten gerichtete Blick äußerst gefährlich“, sagt Rück, der seinen Fahrschülern regelmäßig ein „Kopf hoch“ zurufen muss, um Schlimmeres zu vermeiden. Auch die fehlenden Aufmerksamkeitsspannen seiner Schüler und Trainingsteilnehmer sieht der Instruktor als großes Manko an.
Georg Rück (Foto: privat)
Autobahn- und Überlandstraßen bewertet Rück in etwa mit dem gleichen Gefahrenlevel. Dagegen seien Motorradfahrten nachts am schwierigsten. „Was hier jedoch ins Auge sticht, dass viele ländlich geprägte Fahrer Berührungsängste mit Autobahnen haben und dort entsprechend mit Respekt unterwegs sind. Auch bei Nachtfahrten sind heute viele vorsichtig unterwegs“, weiß der Instruktor.
Die richtige Bekleidung der Biker ist ein Muss, egal ob man der Fraktion der Lederkombis oder der der Textilbekleidung angehört. Entscheidend sei auch hier die entsprechende Grundhaltung des Einzelnen, wonach es ohne komplette Bekleidung nicht funktioniere. Das Gleiche gelte selbstverständlich für den richtigen Kopfschutz. Hier empfiehlt der Instruktor den Fahrerinnen und Fahrern, vor dem Kauf verschiedene Helme auf dem eigenen Motorrad zu testen.
Sigrid Ferl: Bike-to-Bike ist alternativlos
Eine absolute Verfechterin der Bike-to-Bike-Zweiradausbildung, bei dem der Ausbildende mit dem Motorrad mitfährt, ist die ebenfalls erfahrene Fahrlehrerin und Instruktorin Sigrid Ferl. So sieht Ferl hier große Vorteile für die Schüler, da sie die einzelnen Fahrtechniken, wie die richtige Kurvenlinie, das Heranfahren an eine Kreuzung und vieles mehr optimal vormachen kann. Der Grundsatz dieser Fahrausbildung, kurz VENÜ, also Vormachen, Erklären, Nachmachen und Üben, ist für Ferl klar der Königsweg.
„Ich schütze meine Schüler mit dem eigenen Motorrad auch vor anderen Verkehrsteilnehmern, indem ich hinterherfahre und sie gegebenenfalls wieder einfange. Ich kann mit ihnen dabei jederzeit Kontakt halten. Mit dem Auto benötige ich hier umgekehrt viel mehr Zeit als mit dem Bike. Auf dem Motorrad bin ich überdies viel agiler unterwegs.“ Weitere Pluspunkte bei der Bike-to-Bike-Motorradausbildung sieht Ferl zudem in der vergleichsweise höheren Motivation für die Schüler, wenn sie selbst fährt. Auch sei diese Art der Zweiradausbildung erfahrungsgemäß didaktisch deutlich überzeugender, als wenn sie ihre Motorradfahrschüler mit dem Auto begleitet.
Danach befragt, wie Ferl heute generell die jungen Leute beurteilt, die sich bei ihr zum Erwerb eines Motorradführerscheins entscheiden, sieht sie ein großes Angstpotenzial bei einzelnen Bewerbern.
Sei es, dass sie im Vorfeld vielleicht nicht einmal das Fahrradfahren erlernt hatten, sei es, dass ihr Instinkt fürs Fahren noch nicht genügend geweckt ist oder sie an ihrem Talent fürs Motorradfahren zweifeln.
Sigrid Ferl (Foto: privat)
„Fest steht jedenfalls, dass der einzelne Schüler das Problem ist und nicht das Bike. Da passierte es, dass eine meiner Schülerinnen, die mit ihren 30 Jahren ansonsten immer tipptopp unterwegs war, bei einer Nachtfahrt schlicht vergessen hat, den Blick nach vorn zu richten, und damit die Kurve nahezu nicht mehr geschafft hat.“ Regeln in brenzligen Situationen zu vergessen und beispielsweise den Blick von der Straße abzuwenden, ist für Ferl heute ein weit verbreitetes und nicht zu unterschätzendes Risiko. Gleichwohl sei das nicht die Mehrheit. Vielmehr würden zahlreiche junge Leute die Motorradausbildung wirklich ernst nehmen. Überhaupt, so Ferl, werde Motorradfahren immer populärer. „Gerade junge Frauen sind derzeit stark im Kommen“, resümiert die erfahrene Instruktorin.
Isabella Finsterwalder