
EDITORIAL: Warnstreiks beim TÜV SÜD
Liebe Leserinnen und Leser,
in der Folge von Tarifverhandlungen hatte die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft „Ver.di“ im Juli die Mitarbeiter des TÜV SÜD zu Warnstreiks aufgerufen. Da einige Fahrerlaubnisprüfer dem Aufruf folgten, fielen etliche Fahrprüfungen dem Streik zum Opfer. Die betroffenen Kolleginnen und Kollegen warteten am Morgen der Streiktage mit ihren Schülern auf den Prüfer und wurden sehr kurzfristig über den Ausfall der Fahrerlaubnisprüfung informiert. Zahlreiche Prüflinge und deren Eltern zeigten dafür wenig Verständnis und beschwerten sich bei der ausbildenden Fahrschule, leider oft mit sehr starken Worten.
Lob gebührt den FE-Leitern und den Mitarbeitenden der Dispositionen, denen es dank ihres Engagements durch organisatorische Maßnahmen gelang, die Zahl der Ausfälle so gering wie möglich zu halten. Ebenso ist anerkennenswert, dass viele Prüfer – so kurz vor der Ferienzeit – ein Herz für die Kunden des TÜV zeigten und sich nicht an den Warnstreiks beteiligten.
Doch unser Missbehagen darf sich nicht gegen Prüfer richten, die dem Streikaufruf folgten. Das Streikrecht ist durch Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz verbrieft. Streik ist ein rechtmäßiges Mittel der Gewerkschaften zur Durchsetzung von Tarifforderungen. Außer Beamten hat jeder Arbeitnehmer das Recht zu streiken. Die Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik stellt keine Verletzung des Arbeitsvertrags dar. Maßregelungen wie Abmahnungen oder Kündigung durch den Arbeitgeber sind deshalb nicht statthaft. Auch müssen Streikwillige ihren Arbeitgeber nicht vorab informieren, ob und wann sie die Arbeit niederlegen wollen.
Viele Verbandsmitglieder erkundigten sich beim Verband, ob es möglich sei, für ausgefallene Prüfungen und für deshalb zusätzlich erforderliche Fahrstunden Schadensersatzansprüche an den TÜV zu richten.
In mehreren Urteilen hat der Bundesgerichtshof, so z.B. unter Az.: X ZR 138/11 vom 21.08.2012, klargestellt, dass ein Streik bzw. dessen Ankündigung ein Fall von „höherer Gewalt“ ist. Das befreit bestreikte Unternehmen von der Schadensersatzpflicht gegenüber ihren Kunden, die durch den Streik finanzielle oder sonstige Nachteile erlitten. Von Streiks betroffene Unternehmen sind jedoch verpflichtet, sämtliche ihnen zur Verfügung stehende Maßnahmen zu ergreifen, um Nachteile für die Kunden möglichst auszuschließen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns bleibt zu hoffen, dass sich die Parteien bald auf einen Tarifabschluss einigen und somit weitere Streiks entfallen.
In diesem Sinne grüße ich Sie sehr herzlich
Ihr
Jochen Klima
Foto: Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V.
Zum Inhalt der FahrSchulPraxis Ausgabe September 2025...