
Rolle rückwärts in die Zukunft oder: Wie das BMV den Führerschein teurer macht
21. Oktober 2025
Als am 16. Oktober 2025 die Vorschläge zur Reform der Fahrschülerausbildungsordnung in einer PK durch Herrn Verkehrsminister Schnieder bekannt wurden, änderte sich die Stimmung in der Fahrlehrerschaft und allen an der Verkehrssicherheit Interessierten schlagartig. Die Eckpunkte, die der Verkehrsminister Patrick Schnieder veröffentlichte, traf die Fachwelt unerwartet und erschütterte diese bis ins Mark.
Im Juni 2025 hieß es auf der Seite des BMV noch wortwörtlich: „Bei der Suche nach Lösungsansätzen für eine Optimierung der Ausbildung von Fahrschülern muss die Erhöhung der Verkehrssicherheit an erster Stelle stehen.“
Die von Herrn Schnieder nun vorgestellten Punkte entbehren nicht nur jeder wissenschaftlichen Basis, sie sind ein Schlag ins Gesicht derer, die sich in den vergangenen Jahren für die Verkehrssicherheit und insbesondere für die Vision Zero eingesetzt haben. Im Vordergrund steht seit Kurzem die Reduktion der Kosten. Es geht nur noch um die Bezahlbarkeit des Führerscheins. Die Aussage von Herrn Schnieder, dass die Verkehrssicherheit dennoch oberstes Gebot bleiben soll, muss nun in Frage gestellt werden.
Theoretische Fahrausbildung
„Echtes Lernen“ gelingt im sozialen Kontext, im Austausch mit anderen Personen besser.
Die physische Präsenz schafft eine Lernatmosphäre, die ein Gemeinschaftsgefühl vermittelt und auch eine Art Verpflichtung gegenüber der Gruppe und der Lehrkraft schafft.
Beides sind Fähigkeiten, die unbedingt entwickelt werden müssen, um im Straßenverkehr partnerschaftlich und rücksichtsvoll agieren zu können.
Ein passender Lernraum hilft zudem, sich auf das Lernen einzulassen und reduziert Ablenkung; eine Straßenbahn, ein Bus, ein Café, ein Sofa o.ä. sind keine lernförderlichen Lernorte und hemmen erfolgreiches Lernen durch Ablenkungen der unterschiedlichen Art.
Das hat die Corona-Pandemie ausreichend bewiesen. Kompetente Pädagogen erreichen mehr als eine unpersönliche App. Die Digitalisierung sollte in Bezug auf das eigenständige Lernen genutzt werden, wie es bereits Ende letzten Jahres angekündigt wurde. Nun ganz auf das selbstständige Lernen zu vertrauen und auf den Präsenzunterricht zu verzichten, wird erfolglos sein und Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben. Inhalte werden unvollständig und falsch verstanden. Die Kosten des Führerscheins wird es schon gar nicht senken, da Defizite während der Fahrstunden aufgearbeitet werden müssen.
Fragenkatalog für die theoretische Prüfung
Der Fragenkatalog ist so umfangreich, weil mit vielen Fragen ein reines Auswendiglernen verhindert werden soll. Der Schüler soll die Situationen verstehen.
Hinsichtlich der Verständlichkeit der Fragen ist der Fragenkatalog zu überarbeiten. Wünschenswert wären kurze und präzise Fragestellungen, die dem Bewerber dann auch die Beantwortung der Fragen erleichtert.
Praktische Fahrausbildung
Selbstverständlich kann der Simulator in Fahrschulen auch weiterhin zum Einsatz kommen und als ergänzendes Werkzeug dienen: Angst-/Stressreduktion in der Anfangsphase, effizientes Einüben von Grundfertigkeiten, Wiederholungen ohne zeitlichen Druck, entspanntes Simulieren komplexer Situationen und fokussiertes Lernen sind einige Vorteile des Simulators – einen Ersatz für den realen Straßenverkehr bietet er allerdings nicht.
Unbeachtet bleiben bei diesem Vorschlag Kundenwünsche nach einer vollständigen Ausbildung auf einem Schaltfahrzeug sowie die Regelungen der Fahrerlaubnisverordnung zur Erweiterung einer vorhandenen Fahrerlaubnis. Schaltwagen müssen aus diesem Grund weiter vorgehalten werden.
Darüber hinaus gehören billige Übungsstunden mit einem Simulator in den Bereich der Märchen! Simulatoren kosten jetzt schon ab 30.000 EUR aufwärts. So viel wie ein Auto.
Durch die Einführung der „Sonderfahrten“ sollten die Unfälle insbesondere von Fahranfängern im ländlichen Bereich und auf Autobahnen sowie bei Nacht reduziert werden. Sie sind wichtiger Bestandteil der Ausbildung und haben sich bewährt, um das selbstständige, vorausschauende Fahren in komplexen Situationen und im schnellen Verkehr zu erlernen.
Wer beispielsweise am Simulator auf die Autobahn auffahren kann, erhält über diesen eine positive Rückmeldung („Du beherrscht jetzt das Auffahren!“) obwohl er diesen Fahrvorgang im Realverkehr längst noch nicht sicher beherrscht. Zwangsweise wird jeder Fahrlehrer diesen Vorgang weiter in Fahrstunden üben müssen, zumindest wenn die Fahraufgabe prüfungsrelevant ist. Diese Aussage trifft auch auf andere Fahraufgaben zu.
Für den Fahrschüler entsteht eine für ihn nicht durchschaubare finanzielle Doppelbelastung. Die Fahrausbildung wird teurer!
Bürokratierückbau
Jede Form von Bürokratieabbau ist zu unterstützen. Aber mehr Transparenz zu fordern und gleichzeitig die Dokumentation der Ausbildung abzuschaffen, widerspricht dem pädagogischen Grundsatz, den Ausbildungsverlauf, -stand und -fortschritt für Fahrschüler nachvollziehbar und verständlich zu gestalten.
Experimentierklausel
Laienausbildung führt zu laienhaftem Fahrverhalten. Dieser Umstand ist jedem Fahrlehrer bekannt, schließlich hat jeder schon sogenannte „Schwarzfahrer“, denen das Autofahren von Eltern oder Freunden gelehrt wurde, ausgebildet. Es dauert viel länger, einem Anfänger dieses laienhafte Verhalten wieder abzutrainieren, als von Beginn an die richtigen Verhaltensweisen aufzubauen. Folge: Mehr benötigte Fahrstunden und somit eine teurere Fahrausbildung.
Einen Teil der Ausbildung auf Laien zu übertragen, ist gefährlich und juristisch unklar. In der professionellen Fahrausbildung ist ein Eingreifen des Ausbilders nur möglich, da am Ausbildungsfahrzeug umfangreiche technische Umbauten vorhanden sind. Des Weiteren müsste im Rahmen der Laienausbildung zunächst zweifelsfrei geklärt werden, wer im Falle eines Unfalls haftet. Darüber hinaus werden Autoversicherer entsprechend dem erhöhten Risiko ihre Tarife erheblich anpassen und nach oben korrigieren.
Preistransparenz
Preiswahrheit und Preisklarheit ist für Fahrschulen schon längst gesetzlich geregelt: jede Fahrschule ist verpflichtet, ihre Preise detailliert aufgeschlüsselt (nach den Vorgaben des FahrlG) in den Geschäftsräumen bekanntzumachen. Ein Großteil der Fahrlehrerschaft veröffentlicht zudem die Preise bereits auf ihren Internetseiten.
Bestehensquote
Die Qualität der Fahrausbildung ausschließlich am Preis und der (Nicht-) Bestehensquote zu messen, wird den Druck auf den Lernprozess erhöhen. Lernen unter Druck ist aber selten erfolgreich und schafft keine Lernfreude beim Führerscheinerwerb. Die Verpflichtung, die Bestehensquoten einer Fahrschule im Internet zu veröffentlichen wird ein weiteres Bürokratiemonster zum Leben erwecken. Die Veröffentlichungspflicht würde nur Sinn machen, wenn die angegebene Quote dann auch permanent und zeitlich engmaschig auf Richtigkeit überprüft wird.
Jeder Fahrlehrer wird sich (zukünftig) sehr gut überlegen, welchen Bewerber er in seine Fahrschule aufnimmt. Der IQ und die Vorbildung werden einen hohen Stellenwert bekommen. Die Folge ist eine zunehmende Ungleichbehandlung der Fahrerlaubnisbewerber. Weniger bildungsaffine Personen oder Bewerber ohne Fahrerlaubnisvorbesitz werden schwer eine Fahrschule finden oder mehr bezahlen müssen. Der Führerschein wird teurer!
Fazit: Die Vorschläge aus dem BMV sind absolut ungeeignet, um die Kosten der Fahrausbildung zu reduzieren. Wir als Berufsstand verurteilen den Populismus, welcher ganze Branchen, nämlich die der Fahrlehrer und der Prüfer, diskreditiert! Das ist mit uns nicht zu machen! Die Art und Weise, mit der die Vorschläge in die Öffentlichkeit getragen werden und eine große Freiheit suggerieren („Alles kann, nichts muss: es wird nichts vorgeschrieben und jede Fahrschule entscheidet für sich, welche Vorschläge sie umsetzt.“), ist kaum erträglich. Die genannten Ideen werden nicht mit validen Daten belegt, sondern populistisch und medienwirksam in die Gesellschaft getrieben.
Unsere Konzepte, die wissenschaftlich basiert sind, um die Fahrausbildung effizienter zu machen, liegen auf dem Tisch. Schauen Sie sich diese an und gehen Sie mit uns diesen Weg! Arbeiten Sie mit uns gemeinsam daran, die Fahrausbildung weiter zu professionalisieren. Professionelle Fahrausbildung bedeutet weniger Fahrstunden und damit eine wirkliche Kostenreduzierung.
_____
- Kontaktdaten der BVF:
Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V.
Mittlerer Pfad 5
70499 Stuttgart
Internet: www.fahrlehrerverbaende.de
Eingetragen im Vereinsregister beim Amtsgericht Bonn unter VR 3656
Vorsitzender: Jürgen Kopp
Über Belegexemplare freuen wir uns!
Kontaktdaten Fahrlehrerverband Baden-Württemberg: zum Impressum / zum Kontaktformular
Mehr zum Thema: PM der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V. (BVF), PM des FLVBW im PDF-Format, PM des Bundesverkehrsministers