(2626) Ermittlungsfehler: 30 Euro wegen unberechtigten Parkens - das Bundesverfassungsgericht greift ein
Der Fall Mit Bußgeldbescheid vom 29. Dezember 2022 setzte der Bürgermeister der Kreisstadt Siegburg gegen den Beschwerdeführer eine Geldbuße in Höhe von 30 Euro fest. Hintergrund war der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe am 6. Oktober 2022 als Halter und Fahrer eines Pkw die vor Ort zulässige Höchstparkdauer von einer Stunde unter Verstoß gegen Zeichen 314 mit Zusatzzeichen nach Anlage 3 StVO sowie § 13 Abs. 1, 2, § 49 StVO, § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG und Tatbestand Nr. 63.3 BKat überschritten. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Einspruch.
Urteil 1. Instanz Das Amtsgericht Siegburg verhängte mit Urteil vom 23. Mai 2023 gegen den Beschwerdeführer eine Geldbuße in Höhe von 30 Euro wegen fahrlässigen Überschreitens der Höchstparkdauer. Das Gericht war davon überzeugt, dass der Beschwerdeführer das auf ihn zugelassene Fahrzeug am 6. Oktober 2022 um etwa 14:30 Uhr geparkt und unter der Frontscheibe eine Parkscheibe ausgelegt habe, die auf Ankunftszeit 14:30 Uhr eingestellt war. Um 17:35 Uhr habe sich das Fahrzeug nach wie vor auf dem Parkplatz befunden. Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte der Beschwerdeführer die Anordnung der zulässigen Höchstparkdauer und seine Überschreitung derselben erkennen können und müssen.
Der Beschwerdeführer habe dazu geschwiegen. Die Feststellungen zur Person basierten auf den Angaben im Bußgeldbescheid, die der Beschwerdeführer bestätigt habe, sowie auf der verlesenen Auskunft des Fahreignungsregisters. Die Feststellungen zur Sache beruhten auf den verlesenen Angaben im Bußgeldbescheid, den Lichtbildern sowie dem Umstand, dass der Beschwerdeführer Halter des in Rede stehenden Fahrzeugs sei.
War er der Fahrer gewesen?
Urteil 2. Instanz Den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, den der Beschwerdeführer namentlich damit begründete, dass der Rückschluss auf ihn als Nutzer des Fahrzeugs allein aus der Haltereigenschaft fehlerhaft sei, verwarf das Oberlandesgericht Köln mit Beschluss vom 12. September 2023 – III 1 ORbs 292/23 – als unbegründet, da eine Nachprüfung der amtsgerichtlichen Entscheidung weder zur Fortbildung des sachlichen Rechts noch wegen Versagung rechtlichen Gehörs geboten sei.
Der verurteilte Beschwerdeführer geht vor das Bundesverfassungsgericht. Mit seiner am 09.10.2023 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, durch das angegriffene Urteil des Amtsgerichts in seinen Rechten aus Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Artikel 20 Abs. 3 GG verletzt zu sein. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass eine Beweisaufnahme nach strafprozessualen Regeln nur insoweit stattgefunden habe, als ein Lichtbild in Augenschein genommen worden sei, das das streitbefangene Fahrzeug zeige. Eine weitere Beweisaufnahme habe nicht stattgefunden, insbesondere sei die im Bußgeldbescheid angeführte Zeugin nicht geladen und gehört worden. Verfassungsgerichtlich sei längst geklärt, dass seine zuvor genannten Rechte verletzt seien, wenn einzig aus der Haltereigenschaft gefolgert werde, dass der Halter den behaupteten Verkehrsverstoß begangen habe. Er habe Verfassungsbeschwerde erhoben, damit der Willkür in nicht rechtsmittelfähigen Sachen in Zukunft nicht Tür und Tor geöffnet sei. Ebenso würde sonst die Unschuldsvermutung des Artikel 6 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) in ihr Gegenteil verkehrt.
Das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gab ihr statt.
Die Entscheidung des BVerfG Das angegriffene Urteil verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Artikel 3 Abs.1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot. Es folgt eine eingehende rechtliche Würdigung, auf die hier aus Platzgründen verzichtet wird.
Fazit: Die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts wurde aufgehoben und die Sache an dieses zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Auch der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde vom 12. September 2023 – III 1 ORbs 292/23 ist damit gegenstandslos. Dem Beschwerdeführer sind die aus dem Fall entstandenen Auslagen zu ersetzen.
Quelle: ra-online GmbH / Red. GLH